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Warum Berlins Galerien viel Geld in die Stadt bringen

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Joachim Fahrun
Allein die C/O-Fotogalerie im Amerika-Haus bringt der Stadt einen Gesamtumsatz von mehr als 14 Millionen Euro

Allein die C/O-Fotogalerie im Amerika-Haus bringt der Stadt einen Gesamtumsatz von mehr als 14 Millionen Euro

Foto: Reto Klar

Berlins blühende Kunstszene mit ihren vielen Galerien ist nicht nur ein Image-Träger der Stadt, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor

Berlins Kunstszene strahlt schon lange in die Welt aus. Im Mai präsentieren erstmals mehrere Galerien aus der Hauptstadt gemeinsam unter dem Titel „Art from Berlin“ ihre Künstler bei der Kunstmesse Context in New York.

Aber auch in der Heimat sind die Galerien ein wichtiger Anziehungspunkt für kulturinteressierte Besucher. Die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) hat jetzt in einer neuen Studie nachgewiesen, dass die Kunstszene mit ihren Galerien, Ausstellungshallen und Projekträumen nicht nur ein wichtiger Image-Bringer, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Berlin geworden ist.

Dabei macht es die sich dynamisch verändernde und entwickelnde Branche den Statistikern um IBB-Chefvolkswirt Hartmut Mertens nicht gerade leicht. Niemand wisse genau, ob es in der Hauptstadt nun 400 oder doch eher 600 Galerien gebe, heißt es in der Studie der IBB: „So stark schwanken die Schätzungen.“

440 Kunsthändler sind mit ihren Galerien in der Steuerstatistik

Um sich zu behelfen, greifen die Volkswirte auf die amtliche Umsatzsteuerstatistik zurück. Darin werden aber nur die einigermaßen kommerziell aktiven und erfolgreichen Galerien aufgeführt unter der Kategorie „Einzelhandel mit Kunstgegenständen“. Nicht berücksichtigt werden dabei Unternehmen mit Umsätzen von weniger als 17.500 Euro pro Jahr, also die meisten der oft von Künstlern selbst betriebenen rund 100 Projekträume in der Stadt.

Die vorliegenden Zahlen belegen aber das Wachstum der Branche in Berlin. Zwischen 2010 und 2013 steigerten die Berliner Kunsthändler ihre Umsätze um 37,6 Prozent, deutschlandweit lag das Wachstum bei 10,5 Prozent. In Berlin fallen 440 Galerien in diese Gruppe, im Jahr davor waren es erst 407. Während in der Hauptstadt die Zahl der Galerien also deutlich zugenommen hat, sank sie in Deutschland um fast neun Prozent. Entsprechend stieg in Berlin auch die Zahl der festen Arbeitsplätze im Kunsthandel seit 2008 um 35 Prozent, während es in Deutschland ein Minus gab.

440 Kunsthändler sind mit ihren Galerien in der Steuerstatistik

Nachdem sie schon vor drei Jahren 266 Millionen Euro umgesetzt hatten, gehen die IBB-Experten für 2015 von Erlösen von jenseits der 300 Millionen-Euro-Marke aus. Damit steuern die kommerziellen Kunstgalerien 1,5 Prozent zum Umsatz der gesamten Berliner Wirtschaft bei.

Dabei gibt es auch unter den Galerien eine Zweiklassengesellschaft. 20 Galerien erwirtschaften 50 Prozent des Gesamtumsatzes. 40 Prozent verkaufen nach Angaben des Landesverbandes Berliner Galerien Kunstwerke für weniger als 50.000 Euro pro Jahr. Viele Galerien geraten unter Kostendruck und haben Schwierigkeiten, die steigenden Mieten zu erwirtschaften, warnen die Autoren der IBB-Studie.

Allein zur Art Week im September kommen 100.000 Besucher von außerhalb Berlins

Dabei sind die Galerien vor allem jenseits ihrer direkten Umsätze und Arbeitsplätze von Bedeutung für die Stadt. Befragungen hätten erheben, dass drei von vier Galerie- und Museumsbesuchern in Berlin nicht aus der Stadt kommen. Besonders zu Sonderaktionen wie dem Gallery Weekend vom 29. April bis 1. Mai oder der Art Week im September kommen Kunstfreunde und Sammler ganz gezielt zum Kunstgucken und -kaufen in die Stadt. Allein die Art Week verzeichnete vergangenes Jahr 100.000 Besucher.

Die positiven Folgen, die dieser Kulturtourismus bringt, ist schwierig in Zahlen auszudrücken. Für das Foto-Kunsthaus C/O haben die IBB-Ökonomen exemplarisch die wirtschaftlichen Effekte ausgerechnet. Allein im Jahr 2015 sahen 250.000 Besucher die Ausstellungen im früheren Amerika-Haus an der Hardenbergstraße nahe des Zoologischen Gartens, wo 45 Mitarbeiter beschäftigt sind. Jeder sechste Besucher reiste aus dem Ausland an.

Die C/O-Galerie bringt Berlin 14,5 Millionen Euro

Allein für 2015 rechnen die Volkswirte mit einer Steigerung der Berliner Kaufkraft um 8,93 Millionen Euro dadurch, dass die Besucher Eintritt bezahlen, Souvenirs erwerben, Kaffee trinken gehen oder nach der Kunst ihren Hunger in Restaurants stillen. Im Durchschnitt lassen Tagesbesucher 32 Euro in der Stadt, Übernachtungsgäste geben sogar 205 Euro in Berlin aus.

Durch Folge- und Multiplikatoreffekte berechnen die IBB-Experten mit gängigen Modellen für 2016 einen wirtschaftlichen Gesamteffekt der C/O-Galerie von 14,5 Millionen Euro pro Jahr. 95 neue Arbeitsplätze würden durch die Besucher des ohne öffentliche Förderung arbeitenden Hauses geschaffen oder gesichert. Über Steuern bringe dies dem Staat Einnahmen von 1,8 Millionen Euro.