Absurdes oder geniales Geschäft? Wäsche abholen, waschen, in Brandenburgs Landluft trocknen. Vor allem in Prenzlauer Berg kommt das an.

Der Berliner Biowahn hat eine neue Dimension erreicht: Die Berliner müssen jetzt nicht einmal mehr darauf verzichten, ihre Wäsche von sauberer Landluft trocknen zu lassen - der Open-Air-Wäscheservice „Frisch und Luft“ macht es möglich.

Im vergangenen Jahr gründete das Ehepaar Juliana Bardolim und Sergey Voronzov die selbsternannte Biowäscherei. Das Konzept klingt so einfach wie absurd: Sie holen dreckige Wäsche vom Kunden ab, bringen sie ins Berliner Umland, waschen sie dort mit vom Kunden gewählten Biowaschmittel, hängen sie zum Trocknen nach draußen, bügeln sie und bringen sie wieder zurück. Ein Wäschekorb kostet 15 Euro.

Wann immer das Paar von seinem Familienbetrieb erzählt, erntet es erst einmal Gelächter. Den Puls der Zeit scheinen sie trotzdem getroffen zu haben. Nach knapp fünf Monaten haben sie 35 Stammkunden, die meisten aus Prenzlauer Berg und dem nördlichen Friedrichshain, es werden mehr. Die kleine Firma läuft so gut, dass Bardolim und Voronzov zum April das erste Personal einstellen und eine zweite 20-Kilo-Waschmaschine in Betrieb nehmen.

Einfach mal was Bodenständiges

Den Plan, ein eigenes Unternehmen zu gründen und damit neben der Kunst genug Geld für die vierköpfige Familie zu verdienen, hatten die Drehbuchautorin und der Bildhauer schon seit ein paar Jahren. „Wir wollten etwas Bodenständiges machen - etwas, das nichts mit Kunst zu tun hat“, erzählt Sergey Voronzov.

Mut, Motivation und Engagement für so eine Gründung waren längst keine Frage mehr. Sogar das nötige Know-How fürs Organisatorische hatte sich das Künstlerpaar in einem Existenzgründerseminar angeeignet. Nur die zündende Idee für ihr eigenes Ding, die fehlte noch. Bis zu jener Nacht im vergangenen Mai. Da war plötzlich alles ganz klar.

Es war extrem warm und Juliana Bardolim konnte einfach nicht schlafen. Doch nicht nur die Hitze machte ihr zu schaffen. Auch dieser Geruch, der vom zum Trocknen vors offene Fenster gehängten Bettlaken ins Schlafzimmer strömte, machte sie ganz nervös. „Das hat so nach Chemie gestunken“, erinnert sich die 37-Jährige. Ohnehin stand die ganze Wohnung voll mit Wäscheständern, von der Küche übers Bade- bis ins Schlafzimmer, so wie immer. Und wie immer trocknete die Wäsche nicht so richtig gut in der dunklen Friedrichshainer Hinterhauswohnung im ersten Stock - sie war ständig klamm und roch leicht mufflig.

Schnell stand das Konzept

Juliana Bardolim war in dieser Nacht so genervt davon, dass sie aufstand und sich ins Wohnzimmer setzte. „Ich dachte mir, ich bestelle jetzt irgendeine Firma, die die Wäsche holt und sie sauber zurückbringt“, erzählt sie. Sie recherchierte im Internet - und fand nichts. Da machte es Klick. „In dem Moment wusste ich, was wir für ein Unternehmen gründen“, sagt Bardolim. Einen Wäscheservice. Am nächsten Morgen erzählte sie ihrem Mann davon. „Das ist es!“, sagte er.

Die beiden diskutierten einen Vormittag über ihr Geschäftskonzept. Schnell waren sie sich einig: „Die Wäsche sollte so frisch riechen, wie ich es noch aus Kindheitstagen kenne“, sagt Juliana Bardolim. Der Wind sollte die Arbeit übernehmen, sie brauchten nur noch einen Ort, um die Wäsche vor Regen zu schützen. Also machten sie sich auf die Suche nach einem Grundstück mit Garten.

Und weil In Berlin alles so teuer war und sie in Gartenkolonien kein Gewerbe betreiben dürfen, landeten sie schließlich bei einem Gewerbeinserat mit angeschlossenem Grundstück im Brandenburgischen Gosen (Landkreis Oder-Spree), ein paar Kilometer hinter dem Müggelsee, 27 Kilometer von der Friedrichshainer Wohnung entfernt.

Platz für zehn Waschmaschinen

Juliana Bardolim rief beim Vermieter an: „Ich habe eine Frage, aber bitte nicht lachen“, sagte sie zu ihm. „Steht das Haus im freien Feld?“ Das tut es, dahinter liegt ein Naturschutzgebiet - keine Autoabgase, nichts als Wald, Seen und Kanäle. In den Räumen gibt es Platz für zehn Waschmaschinen. Perfekt. „Am Anfang fanden die Leute uns dort wahrscheinlich ziemlich komisch“, sagt Juliana Bardolim. „In Gosen sind alle so bodenständig und dann kommt da ein Künstlerpaar aus Berlin mit merkwürdigen Plänen.“

Den Sommer über kümmerte Juliana Bardolim sich um die Organisation. Sie meldete das Gewerbe Ende Juni an, designte die Website und entwarf Flyer. Währenddessen verbrachte Sergey Voronzov die Zeit in Gosen und baute einen 80 Quadratmeter großen, überdachten Wäscheständer. Sie wären schnell dazu bereit gewesen, direkt mit der Wäscherei loszulegen - doch die bürokratischen Mühlen mahlten langsamer.

Die Steuernummer fehlte, wegen der Sommerpause sollte es eigentlich drei bis vier Monate dauern, bis sie die bekommen hätten. Aber die Neuunternehmer hatten Glück: „Die Dame beim Finanzamt fand unsere Idee so cool, dass der Antrag schneller bearbeitet wurden“, erzählt Juliana Bardolim. „Endlich mal kein E-Commerce-Startup wie sonst immer“, habe die Mitarbeiterin des Finanzamts gesagt. Mitte Oktober konnten sie loslegen, verteilten Flyer in den Stadtteilen, in denen sie genügend bioorientierte Kundschaft vermuteten, Mitte November ging es dann richtig los.

Auch im Winter hat das Modell funktioniert

Mittlerweile fahren Juliana Bardolim und Sergey Voronzov jeden Tag mit dem Auto nach Gosen, waschen vier Waschmaschinen hintereinander, verpacken die gebügelte Wäsche in Packpapier-Päckchen und bringen sie zurück in die Stadt. Auch im Winter hat das gut funktioniert, es dauerte nur etwas länger, bis alles trocken war. „Wir haben viel über Luft und Wind gelernt“, erzählt Sergey Voronzov. „Der Wind ist unser bester Freund.“

Langfristig möchte das Paar sein Unternehmen optimieren. „Wir sind eine Biowäscherei und verbrauchen dafür jeden Tag Benzin“, kritisiert sich Juliana Bardolim selbst. Deswegen möchte sie Elektroautos anschaffen. Noch sei das schwierig, vom Ersparten seien keine großen Investitionen drin. Von den Kunden habe sich noch niemand an diesem Paradoxon gestört.

„Wenn sie Gemüse vom Land kaufen, wird das ja auch mit dem Auto in die Stadt gebracht“, sagt sie. So richtig Bio geht's mitten in Berlin dann eben doch nicht.

Wo in Berlin die Bio-Märkte boomen: