Einsatz auf dem Rastplatz: Am Dienstag hat die brandenburgische Polizei an der A10 einen Hehler fesgenommen, der acht Fahrräder in seinem Transporter hatte. Der 35-Jährige war zuvor in Potsdam beim Verladen von einem Zeugen beobachtet worden. Zwei der Räder waren bereits gestohlen gemeldet.
Das ist nur einer von zahllosen Fällen in der Region. Denn Radfahren wird immer beliebter. Und entsprechend wächst auch bei Dieben das Interesse an den umweltbewussten Fahrzeugen – zumal Ausstattung und Wert von Mountain-, Holland-, Trekkingrädern oder teuren E-Bikes ständig zunehmen.
Mit 32.244 angezeigten Fällen hat der Diebstahl von Fahrrädern in Berlin 2015 erneut einen Rekordwert erreicht. Fast 1500 gestohlene Räder mehr entsprechen einer Zunahme der Fälle von 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote der Polizei mit aktuell 1255 Fällen noch einmal leicht um 0,1 auf nun 3,9 Prozent. Zum Vergleich: Noch 2010 wurden in Berlin weniger als 20.000 Fälle gemeldet.
Schaden liegt bei 571 Euro pro Fahrrad
Da sich der verursachte Schaden laut der jüngsten Berliner Kriminalstatistik auf 571 Euro pro Fahrrad beläuft, beträgt der in diesem Deliktfeld verursachte wirtschaftliche Schaden mehr als 18,4 Millionen Euro. Bei der Bekämpfung des Phänomens liege laut Polizei ein Schwerpunkt auf Vorbeugung. Tatgelegenheiten müssten reduziert, Besitzer verstärkt für die Eigentumssicherung sensibilisiert werden, heißt es in der Studie.
So banal es klingt: Wenn ein Rad schon im Freien stehen muss, dann sollte es gut einsehbar sein, an beleuchteten Stellen und immer an verankerten Gegenständen angeschlossen werden. Der beste Schutz gegen Diebe sind stabile Schlösser. Für ein gutes Schloss sollten wenigstens zehn Prozent des Neupreises ausgegeben werden, raten Experten. Je teurer und leichter ein Rad, desto schwerer und teurer sollte das Schloss sein. Am besten sind nach Angaben des Verbandes der Schadensversicherer (VdS) stabile Bügelschlösser und Panzerkabel, jeweils aus gehärtetem Stahl. Der VdS bietet ein Verzeichnis von anerkannten Zweiradschlössern an (VDS-RL 2842).
Profis können allerdings selbst schwere Falt- und Bügelschlösser in Sekundenschnelle knacken. Sie benutzen Bolzenschneider und mitunter mobile hydraulische Scheren, wie sie die Feuerwehr einsetzt. Die haben sie in Lieferwagen, mit denen sie direkt zum Objekt der Begierde fahren. Dann ist nur noch ein kurzes Zischgeräusch zu hören – und das Rad verschwindet durch die Schiebetür ins Auto. Ist das Rad erst einmal in der Hand von Kriminellen, gibt es kaum eine Chance, es wiederzubekommen. Hochwertige Räder werden zum Teil in Einzelteile zerlegt. Im Internet, auf Wochen- oder Flohmärkten wird die Beute als Hehlerware angeboten. Dadurch wechseln sie so schnell den Besitzer, dass die Polizei kaum eine Chance hat, die Diebe zu ermitteln. Die Hochsaison für den Fahrradklau liegt zwar zwischen Mai und August, doch auch im Winter lassen Kriminelle ständig Fahrräder verschwinden. Mehrfach hat die Bundespolizei im Januar und Februar Transporter mit bis zu zwölf gestohlenen Fahrrädern gestoppt.
Hauptstadt liegt hinter Bremen und Hamburg
Obwohl in Berlin inzwischen täglich 88 Räder gestohlen werden, rangierte die Hauptstadt im Vergleich mit anderen Bundesländern zuletzt an dritter Stelle, hinter den Stadtstaaten Bremen und Hamburg und vor Brandenburg. Bezogen auf die Zahl gestohlener Räder je 100.000 Einwohner liegen bundesweit mittelgroße Universitätsstädte wie Magdeburg, Münster, Leipzig und Dresden an der Spitze der Statistik.
Das Täterprofil ist nach Angaben von Kriminalbeamten breit gefächert: Etwa die Hälfte der Delikte geht Ermittlern zufolge auf das Konto von Gelegenheitsdieben, Versicherungsbetrügern oder Spontantätern. Je 25 Prozent würden von Drogenabhängigen gestohlen, die mit dem Verkauf ihre Sucht finanzieren. Ein weiteres Viertel der Fälle geht auf professionelle Banden. So haben Ermittlungen der bayerischen Polizei ergeben, dass organisierte Gruppen teilweise Lager und Keller anmieten, um entwendete Räder für Sammeltransporte bereitzustellen. Etliche der Banden, die oft aus Osteuropa stammen, hätten sich auf teure Räder spezialisiert. In München zeigt sich, dass eine bessere personelle Ausstattung in puncto Fahrradklau tatsächlich weiterhilft. Mit 17,1 Prozent ist dort die Aufklärungsquote bei Raddiebstählen mehr als viermal so hoch wie etwa in Berlin oder Hamburg.
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