Wenn die strapazierte Floskel „arm aber sexy“ in Berlin je zutraf, dann auf den Bereich der Party-Szene. In den Clubs, von „Tresor“ bis „Walfisch“ konnte man nach der Wende für eine Handvoll D-Mark tagelang durchfeiern und dabei die tollsten Leute kennen lernen.
Drei Berliner Stadtführungen zeigen jetzt, wo sich bis heute die Technoplatten drehen, was aus den alten Standorten geworden ist und wie die Clubkultur Berlins internationales Image zwischen Easy-Jet-Partykids und „Berghain“ prägt.
Clubs im Grenzgebiet
Tourguide Eberhard Elfert inszeniert seine Stadtrunden nicht als Insider-Referat über Musikstile, Clubbetreiber und DJs, obwohl dem 57-Jährigen manchmal ein „Wir“ heraus rutscht, wenn er von den Feiernden im Nachwende-Berlin erzählt. Auf seinen Touren aber ist er ganz Kunsthistoriker. Die Geschichte der Stadt nach 1989 erzählt er entlang der Clubs.
Am Spreeufer an der Köpenicker Straße, wo man einst im „Planet“ feierte, sagt er etwa: „Dieser Bereich war Grenzgebiet. Die Clubs nutzten oft Bereiche des alten Grenzverlaufs und seiner Gebäude.“ Zum ‘Kiki Blofeld’ nahe dem Ostbahnhof gehörte beispielsweise ein Bunker im James-Bond-Stil für Patrouillenboote der DDR. Wo früher der Techno donnerte, dröhnen hinter Elfert nun die Transformatoren beim Bau von Eigentumswohnungen für Millionäre.
Mercedes-Benz-Arena verdrängt Ostgut
Nahe der Friedrichshainer Mühlenstraße holt Elfert seine A3-große Bildermappe hervor und zeigt darin eine heruntergekommene Lagerhalle. „Das war das ‘Ostgut’ auf dem nach der Wende ungenutzten Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs.“ Als eine inzwischen in Mercedes-Benz-Arena umbenannte Mehrzweckhalle samt Parkhaus entstehen sollte, verschwand der Club. Die „Ostgut“-Macher erfanden das „Berghain“. Die Mercedes-Benz-Arena präsentierte zu Ticketpreisen von 250 Euro im vergangenen Jahr Madonna.
Elfert wird ab Mitte März per Rad durch Berlin führen. Bei früheren Touren merkte er, dass nicht nur ehemalige Clubgänger seinen Erzählungen folgen. „Es gibt da noch die jungen Teilnehmer, die damals noch gar nicht auf der Welt waren. Und Menschen von 60 bis 70 Jahren, die sagen: Als die Leute nach der Wende feierten, musste ich mich um meinen Beruf kümmern. Aber jetzt will ich wissen, wir das damals war.“
Tourstart: 19. März, 14 Uhr, Ecke Leipziger / Wilhelmstraße, Mitte, Thema „Berliner Clubkultur“, Tickets am Treffpunkt 13/11 Euro, Fahrrad bitte mitbringen, alle weiteren Termine unter clubkultour.de