Es ist Nacht in der City West, die vielen Geschäfte sind geschlossen. Der Montag ist noch ganz jung, die Bürgersteige sind fast menschenleer. Motorengeheul dröhnt plötzlich durch die Stille. Zwei weiße Luxuslimousinen rasen über die am Tage so geschäftige Einkaufsmeile Tauentzien in Richtung Wittenbergplatz. Die beiden Fahrer beschleunigen auf Hochtouren. Rote Ampeln interessieren sie nicht, Geschwindigkeitsbegrenzungen erst recht nicht, wie Zeugen später gegenüber der Polizei aussagen.
Dann ein ohrenbetäubender Knall, das illegale Autorennen ist jäh zu Ende. Auf Höhe der Nürnberger Straße hat zur selben Zeit ein Jeep die Straße bei grüner Ampel überquert, wie die Polizei am Montag mitteilt. Der Fahrer des S-Klasse-Mercedes kann ausweichen, doch der Fahrer des Audi rammt den violetten Geländewagen mit voller Geschwindigkeit an der Fahrerseite.
Dutzende Meter weit geschleudert und überschlagen
Der Jeep-Fahrer hat nicht mit den beiden Rasern gerechnet, der Aufprall kommt vollkommen überraschend. Sein Wagen schleudert Dutzende Meter weit über die Fahrbahn, überschlägt sich dabei mehrfach und bleibt dann auf der Seite liegen. Der Aufprall ist so heftig, dass unzählige Trümmerteile quer über die Kreuzung fliegen.
Keine zwei Kilometer von seiner Wohnung an der Keithstraße entfernt, hat der 69 Jahre alte Mann im Jeep keine Chance. Er war auf dem Weg nach Hause, stirbt noch am Unfallort. Für den Senior kommt jede Hilfe zu spät.
Auch der 26 Jahre alte Fahrer des Audi wird schwer verletzt. Der zwei Jahre jüngere Mann am Steuer des Mercedes verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Wagen überschlägt sich mehrfach, zertrümmert auf einer Mittelinsel eine massive Betonumrandung und kommt schließlich stark beschädigt an einem Hochbeet zum Stehen. Der 24-Jährige und seine 22 Jahre alte Begleiterin erleiden schwere Verletzungen. Die drei Verletzten werden zur Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort werden die beiden Unfallfahrer, die aus Moabit und Marzahn kommen sollen, angeblich von der Polizei bewacht.
Die beiden Raser sind polizeibekannt, sagte ein Polizeisprecher. Informationen, wonach sie zu einer kriminellen Großfamilie gehören sollen, will er nicht bestätigen, sagte aber: „Diese Profilierungsfahrten werden von einem bestimmten Personenkreis durchgeführt.“
Im Sommer 2015 hatte die Polizei bei diesen Fahrten 13 hochmotorisierte Sportwagen wegen des Verdachts auf technische Mängel beschlagnahmt. Der Schwerpunkt dieser Fahrten liege am Kurfürstendamm, zwischen Olivaer Platz und Wittenbergplatz, so die Polizei. Ein sichergestellter PS-Bolide wurde nach Begutachtung für verkehrsuntauglich erklärt. Ein mehrfach ertappter Fahrer, der gegenüber den Beamten besonders aggressiv war, musste seine Fahrlizenz abgeben.
Zum Ermittlungsstand des Raser-Unfalls am Tauentzien heißt es, die beiden Sportwagen hätten vor dem Unfall mindestens zwei rote Ampeln ignoriert und sind dann mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Die Angaben mehrerer Zeugen, die das Geschehen laut Polizei aus verschiedenen Perspektiven verfolgt hatten, müssen nun ausgewertet werden. Offenbar sind die die Wagen auf deutlich mehr als 100 Stundenkilometer beschleunigt worden. Die Polizei will dies nicht kommentieren.
Unzählige Trümmerteile über die Kreuzung verteilt
Der Berliner Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, sagt der Berliner Morgenpost, gegen illegale Rennfahrer müssten alle rechtlichen Mittel konsequent ausgeschöpft werden. „Es muss versucht werden, solche Fahrer so schnell wie möglich zu Fußgängern zu machen, denn sie missbrauchen ihre Fahrzeuge als Waffen.“ Die Gefahren müssten so weit wie möglich minimiert werden, etwa durch Entzug der Fahrerlaubnis oder Beschlagnahme des Fahrzeugs. Allerdings sei nie ganz auszuschließen, dass jemand ein gestohlenes Auto benutze oder sich ohne Führerschein hinter das Steuer setze.
Bis weit in den Montagmorgen untersuchen der Verkehrsunfalldienst, Gutachter sowie Experten der Kriminaltechnik den Unfallort. Unzählige Trümmerteile sind über die Kreuzung verteilt, die Fahrbahn verschmutzt. Mitarbeiter der Stadtreinigung entfernen die traurigen Überreste der Nacht. Für den Verkehr bleibt der Tauentzien zwischen Rankestraße und Nürnberger Straße bis 9.30 Uhr gesperrt, Busse müssen umgeleitet werden. Eine Ampel, die bei dem Unfall umgeknickt wurde, wird neu errichtet. Danach erinnert kaum etwas mehr daran, dass hier am Montag um 0.55 Uhr ein Mensch gestorben ist.