Der Tod eines Flüchtlings am Lageso war erfunden. Welche Konsequenzen könnte der Fall haben? Fragen und Antworten.

Die Nachricht verbreitete sich im Internet rasend schnell: Ein Flüchtling soll in Berlin gestorben sein - zuvor habe er tagelang krank vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gewartet. So schrieb es ein Flüchtlingshelfer bei Facebook. Später räumte er ein: alles gelogen. Und jetzt?

Warum hat der Helfer sich so eine Lüge ausgedacht?

Das ist noch nicht klar. Bei Facebook kursierte am Donnerstag aber zeitweise eine Entschuldigung, die von einem Profil mit dem Namen und dem Foto des Mannes veröffentlicht wurde. „Seit einigen Wochen merke ich zunehmend, dass mich mein ehrenamtliches Engagement mehr und mehr an die Grenzen der psychischen und auch körperlichen Belastung bringt“, hieß es darin. Auch von „zu viel“ Alkohol war die Rede. Später waren der Eintrag verschwunden und das Profil wieder gelöscht.

Experten halten den Fall des Mannes nicht für ungewöhnlich: „Das ist ein Phänomen, was recht gut bekannt ist - etwa bei freiwilligen Helfern bei Katastropheneinsätzen“, erklärte Psychologin Isabella Heuser von der Charité. „Das sind in der Regel übermotivierte Menschen, die entweder ausbrennen oder eben so etwas erfinden.“ Hinzu komme ein starker Geltungsdrang.

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Warum haben so viele Menschen die Lüge geglaubt?

Das Bündnis „Moabit hilft“, in dem der Mann engagiert war, zweifelte lange nicht. „Es war tatsächlich aus diesem Vertrauensverhältnis heraus“, begründete eine Sprecherin. Das Bündnis hatte den Fall bestätigt, ohne selbst mit dem Helfer gesprochen zu haben. Die Bestätigung sorgte dafür, dass die Nachricht für glaubwürdig gehalten wurde. Die Geschichte sei zudem „nicht ganz so unwahrscheinlich“, betonte die Sprecherin. „Das kann sich jeder Helfer, jeder Politiker und jeder Pressevertreter hier mittlerweile vorstellen.“

bends bestätigt die Polizei, dass die Geschichte um den toten Flüchtling nur ausgedacht war. Helfer stellen Kerzen auf dem Gelände auf
bends bestätigt die Polizei, dass die Geschichte um den toten Flüchtling nur ausgedacht war. Helfer stellen Kerzen auf dem Gelände auf © imago/Christian Mang | imago stock&people

Wie ist die aktuelle Situation am Lageso?

Das Lageso ist die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in Berlin. Doch dort herrscht seit Monaten Chaos. Erst warteten Asylsuchende wochenlang in Hitze, zuletzt in der Kälte auf ihre Registrierung. Auch Heimbetreiber schlugen Alarm: Flüchtlinge müssten hungern, weil die Behörde mit den Zahlungen der Lebenshaltungskosten nicht hinterherkomme. Die Senatsverwaltung teilte Anfang der Woche mit, die Situation am Lageso sei wegen eines hohen Krankenstandes der Mitarbeiter „besonders angespannt“.

Was bedeutet das Chaos für den zuständigen Sozialsenator?

An Mario Czaja (CDU) gibt es wegen der Zustände am Lageso schon lange Kritik. Die Opposition wirft ihm Tatenlosigkeit vor und hält ihn für überfordert. Bevor sich der Flüchtlingstod als Lüge herausstellte, wurden erneut Forderungen nach Czajas Rücktritt laut.

Der Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer erklärte am Donnerstag, er sei der Meinung, Czaja müsse angesichts seines Versagens in der Flüchtlingspolitik zurücktreten. „Wenn ich Regierender Bürgermeister wäre, hätte ich ihn schon längst entlassen.“

Czaja weist solche Forderungen zurück. „Ich will diese Aufgabe auch weiterhin mit ganzer Kraft, mit innerer Überzeugung und mit maximalem Einsatz erledigen“, sagte er im Berliner Abgeordnetenhaus.

Was bedeutet die Lüge zum Flüchtlingstod für die Arbeit der freiwilligen Helfer?

„Unsere Glaubwürdigkeit ist natürlich angeknackst“, räumte eine Sprecherin von „Moabit hilft“ ein. „Wir werden in Zukunft immer wieder Rechtfertigungsdruck haben.“ Letztlich habe der Mann den Flüchtlingen, denen er eigentlich helfen wollte, geschadet. „Das Ende ist, dass wir weniger Spenden und weniger Helfer bekommen werden.“

Christiane Beckmann (l) und Diana Henniges von der Initiative
Christiane Beckmann (l) und Diana Henniges von der Initiative "Moabit hilft" © dpa | Jörg Carstensen

Hat die Lüge Konsequenzen für den Flüchtlingshelfer?

Eine Straftat hat er damit wohl nicht begangen. „Er hat keinerlei Tatbestände erfüllt“, sagte ein Polizeisprecher. Innensenator Henkel forderte allerdings, „rechtliche Konsequenzen gegen den Urheber dieses Lügengebildes“ zu prüfen. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben aber nicht in diese Richtung. Auch eine Sprecherin der Senatsverwaltung kündigte an: „Von unserer Seite wird es keine weiteren Konsequenzen für denjenigen haben.“

Ist so etwas schon einmal passiert?

In dem Ausmaß nicht. Bereits zuvor sorgten aber dramatisierte Darstellungen durch Helfer für Aufregung. Anfang Januar gab es Gerüchte, Flüchtlinge hätten Erfrierungen und Zehen hätten amputiert werden müssen. Die Geschichte stellte sich aber als falsch heraus.