Die Gegend rund um die Simon-Dach-Straße kommt in vielen Reiseführern vor. Doch der Bezirk will den Party-Touristenstrom ausbremsen.

Laute Musik, grölende Besucherkarawanen, Müll auf den Straßen und Uringestank in den Hauseingängen. In den Partyzonen von Friedrichshain-Kreuzberg wird seit Jahren nach Lösungen gesucht, um die Konflikte zwischen Anwohnern und den ständig steigenden Touristenströmen zu entschärfen.

Wirtschaft- und Ordnungsstadtrat Peter Beckers (SPD) hat nun bekanntgegeben, dass zumindest für den Szenekiez um die Simon-Dach-Straße in Friedrichshain weniger geworben wird, um nicht noch mehr Gäste anzulocken. Die Wirtschaftsförderung des Bezirksamtes habe erreicht, dass der Simon-Dach-Kiez in den Tipps der App „Going Local Berlin“ der städtischen Tourismuswerber „Visit Berlin“ nicht mehr erwähnt wird.

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Zwar werden erst im Februar offizielle Touristenzahlen für 2015 veröffentlicht werden. Die Berlin-Vermarkter haben jedoch schon angekündigt, dass die 30-Millionen-Grenze bei den Übernachtungszahlen erstmals überschritten werden soll. 2014 wurden noch 28,7 Millionen Übernachtungen gezählt. Dieser rapide Anstieg wirke sich auch auf das RAW-Gelände, den Simon-Dach-Kiez nebst Warschauer Brücke und Revaler Straße aus, heißt es in einer Vorlage zur Kenntnisnahme des Bezirksamts, die die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Mittwoch beraten wird.

Nächtlicher Lärm, Vermüllung und Kriminalität hätten zugenommen. „Das Bezirksamt ist sich einig, dass diese Entwicklung im Interesse der Anwohner einer Korrektur bedarf“, heißt es in dem Papier. Auch die Wirtschaftsförderung des Bezirks weise in ihrer „Kreuzberg Nightmap“ darauf hin, dass das Quartier um das RAW-Gelände an der Revaler Straße ein Anwohnergebiet sei, in dem um Ruhe gebeten werde.

Touristenströme verteilen

Ordnungsstadtrat Beckers hält den Verzicht auf einen Eintrag in „Going Local“ für eine sinnvolle Maßnahme, um Touristenströme zu lenken. „Diese App wird von einem Werber gemacht, der in der Hand des Landes Berlins ist. Andere Möglichkeiten haben wir ja kaum“, sagte er am Montag der Berliner Morgenpost. Der Bezirk habe bereits vor Jahren Agenturen und Herausgeber von Reiseführern angeschrieben und sie auf die Problematik in überfrequentierten Vierteln aufmerksam gemacht, so Beckers. „Die Reaktion war verhalten.“

Für die offiziellen Hauptstadtwerber von „Visit Berlin“ ist der Simon-Dach-Kiez ohnehin für die Kiez-App „Go Local“ nicht relevant. „Diese App geht ja bewusst auf Tipps ein, die noch nicht so bekannt sind“, sagte Visit-Berlin-Sprecher Christian Tänzler. Mit der App wirbt „Visit Berlin“ auch für Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen in den Außenbezirken. „Wir versuchen natürlich die Touristenströme zu verteilen“, sagte Tänzer. Die Beiträge dieser Smartphone-App würden ohnehin in enger Abstimmung mit den jeweiligen Bezirken erstellt.

„Die großen Massen hat sie sowieso nicht erreicht“

Tatsächlich gehörte der Verzicht auf eine Bewerbung des Simon-Dach-Kiezes bereits zu einem Maßnahmepaket für den Bereich Warschauer Brücke/Revaler Straße, mit dem das Bezirksamt, „Visit Berlin“, der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, die Clubkommission des Bezirks sowie einzelne Gastronomen und Hoteliers in der Arbeitsgemeinschaft „fairkiez“ einen stadtverträglichen Tourismus erreichen wollen.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses von Friedrichshain-Kreuzberg, Julian Schwarze (Grüne), sieht in dem Verzicht auf Tourismus-Werbung in „Go Local“ keinen großen Erfolg. „Die App wurde gerade 15.000 Mal heruntergeladen“, sagte er der Berliner Morgenpost. „Die großen Massen hat sie sowieso nicht erreicht.“ Das Problem des Simon-Dach-Kiezes werde so nicht gelöst. „Viel wichtiger ist, dass Maßnahmen umgesetzt werden, die die Probleme spürbar verbessern“, sagte Schwarzer. Nach der Vorlage des Bezirksamtes sind eine Reihe von Vorkehrungen des von den Grünen beantragten Aktionsplanes bereits getroffen, darunter eine häufigere Straßenreinigung durch die Berliner Stadtreinigung oder größere Müllbehälter für das RAW.

Mitarbeiter des Ordnungsamtes patrouillieren bis Mitternacht

Im vergangenen Jahr hatten Bezirk und Tourismuswerber im Zuge eines Pilotprojektes Pantomimen auf den Touristenmeilen eingesetzt, die um Rücksicht auf die Anwohner werben sollten. Was in einigen Kreuzberger Kiezen mit gemischtem Publikum ganz gut funktionierte, hatte auf der Partymeile an der Simon-Dach-Straße wenig Erfolg. Ob das Projekt fortgesetzt wird, ist offen. Mit Beginn der Freiluftsaison im Frühjahr sollen aber Mitarbeiter des Ordnungsamtes nicht nur an der Simon-Dach-Straße, sondern auch in einigen anderen Gegenden nicht mehr nur wie zuletzt bis 22 Uhr, sondern bis Mitternacht nach dem Rechten sehen, kündigte Stadtrat Beckers an. „Unsere Ressourcen in Bezug auf die Mitarbeiterzahl sind aber begrenzt“, sagte er.