Wohnen, Gewerbe und ein Bürohaus: Der Projektentwickler stellt seine Baupläne in Halensee vor. Eine Bürgerinitiative bleibt skeptisch.
Wohnungsbau auf dem ehemaligen Kleingartengelände entlang der S-Bahntrasse, Gewerbe, ein Supermarkt und ein mindestens achtgeschossiges Bürohaus am S-Bahnhof Halensee: Der Henriettenplatz und die angrenzende Seesener Straße werden ihr Gesicht verändern. „Der Kiez und der eher problematische Platz werden damit erheblich aufgewertet“, verspricht der Projektentwickler, die HNK Entwicklungsgesellschaft. „Wir werden zugebaut und von Licht, Luft und Sonne abgeschnitten“, befürchten Anwohner. Wie es am Ende am bisher wenig repräsentativen „Tor zum Kudamm“ aussehen könnte, war Thema einer Einwohnerversammlung am Dienstagabend, bei der der Investor zusammen mit Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) das Bauprojekt in der voll besetzten Hochmeisterkirche vorstellte.
Die Bürgerinitiative (BI) Henriettenplatz hatte mit ihrem Protest gegen einen anderen, im Rohbau bereits fast fertigen, massiven Gebäuderiegel mit 220 Wohnungen, den die Sanus AG derzeit an der Seesener Str. 40–47 errichtet, erreicht, dass sich die Bezirkspolitiker dieses letzte Bauprojekt in der Straße genauer anschauen. Des Weiteren hatte sie dem Stadtrat die Zusage abgerungen, die Planungen vorzustellen und die Bürger dazu anzuhören, bevor eine Baugenehmigung erteilt wird. Ein Bebauungsplan, der den Anwohnern mehr Mitsprache ermöglicht hätte, hatten SPD und CDU abgelehnt.
Drei Bauvarianten stehen zur Auswahl
Die HNK-Projektentwickler stellten ihre Pläne dann auch als Ergebnis „eines Jahres harter Verhandlungen“ vor, bei dem sie einige Zugeständnisse gemacht hätten, wie Geschäftsführer Stefan Nespe thal betonte. Auf dem ehemaligen Kleingartengelände an der Seesener Straße sind demnach fünf sechsgeschossige Wohnhäuser mit insgesamt 140 bis 150 Wohnungen geplant, der leer stehende ehemalige Bibliotheksbau am Henriettenplatz wird abgerissen und die Westseite des Platzes bis zum S-Bahnhof Halensee mit Gewerbe und einem mindestens achtgeschossigen Büroturm am Kudamm bebaut. Eine Tiefgarage mit 170 Plätzen soll bis unter den Gewerbekomplex führen, um den Verkehr in der Sackgasse zu entlasten.
„Wir planen entlang der Seesener Straße unterschiedliche Wohnhäuser mit eigenen Eingängen und verschieden gestalteten Fassaden“, sagte Architekt Ivan Reimann, dessen Büro Müller-Reimann für die Entwürfe verantwortlich zeichnet. „Ein monotoner Riegel soll hier nicht entstehen.“ Das Projekt könnte in drei Varianten umgesetzt werden: Die Bebauung könnte entweder geradlinig entlang der Seesener Straße erfolgen. Oder, Variante zwei, optisch aufgelockert durch teilweise nach hinten versetzte Bauten, was die Straße grüner und breiter wirken ließe. Eine dritte Variante, die den Wunsch der Anwohner nach mehr Durchlässigkeit aufnimmt, lässt Lücken im Baukörper, hätte aber zur Folge, dass der Bürobau am Henriettenplatz deutlich höher wird, um die verlorenen Flächen auszugleichen. Laut einem vom Bezirk beauftragten Verkehrs- und Umweltgutachten verstärken solche Lücken jedoch die Lärmbelastung in der Straße, die wegen Autobahn- und Schienenverkehr ohnehin zu hoch sei, wie Gutachter Michael Palzkill sagte. Eine wie in Berliner Altbaustraßen übliche geschlossene Bauweise sei hier schon aus gesundheitlichen Gründen zu empfehlen.
Darüber, welche Variante umgesetzt wird und wo noch nachgebessert werden kann, soll am 21. Januar die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) entscheiden. Davon hinge dann auch die genaue Anzahl der Wohnungen und ihr Schnitt ab, so Nespethal. „Wir hoffen, noch in diesem Quartal den Bauvorbescheid beantragen zu können.“
Ganz so euphorisch wie die Projektentwickler mochten die Anwohner das Projekt nicht betrachten. An Lärm in der Straße hätten sie sich gewöhnt. Das Argument Lärmschutz betrachteten sie eher als Provokation denn als positiven Nebeneffekt der Bauten. Sie fürchten den Baulärm und vor allem den zusätzlichen Privat- und Lieferverkehr, der in Zukunft über das Kopfsteinpflaster der Johann-Sigismund-Straße bis zur Wendeschleife der Seesener Straße rumpeln wird, sowie eine Verschärfung der ohnehin großen Parkplatznot. Und nicht nur Anwohnerin Brigitte Bruch fordert vehement den Erhalt der Straßenbäume. „Wir tun alles, um die Bäume zu erhalten,“ versprach Nespethal. „Nach derzeitiger Planung müssen wir nur einen Baum fällen.“ Den Baugrund am Henriettenplatz, auf dem Platanen stehen, überlasse man zudem dem Bezirk.
„Das ist ein deutlicher Fortschritt“
Die Vertreter der Fraktionen in der BVV zeigten sich von den Plänen angetan. „Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem anderen Bau“, sagte Volker Heise von den Grünen. „Die versetzten Baukörper geben der Straße ein anderes Profil. Wir brauchen Wohnungsbau gerade in der Innenstadt, und an einer so gut an den Nahverkehr angeschlossenen Stelle ist er geradezu ideal“, betonte Heise. Für die Gestaltung des Henriettenplatzes hätte sich seine Fraktion allerdings einen Architektenwettbewerb gewünscht.
„Wir werden die Pläne nun noch mal mit Blick auf die Sorgen der Anwohner betrachten und dann entscheiden“, sagte Heike Schmitt-Schmelz von der SPD-Fraktion. Sie findet es gut, dass der Investor die Pläne vorstellt und zur Diskussion einlädt, „das musste er nicht tun“, sagte sie. Die Politiker bedauerten, dass die Bürger bei dieser Versammlung die Chance kaum genutzt haben, um ihrerseits kreative Vorschläge zu machen. „Besonders für den Henriettenplatz“, sagte Stadtrat Schulte. Man müsse Befindlichkeiten von Fakten trennen. Um sich besser gegen unzulässigen Baulärm wehren zu können, bot er den Anwohnern einen Info-Termin im Amt an. Bezüglich der Parkplatznot könne man über Parkraumbewirtschaftung nachdenken und auch eine Asphaltierung der Johann-Sigismund-Straße sei eine Option. Das gebaut werde, sei jedoch keine Frage, so Schulte.
Heinz Murken von der BI Henriettenplatz haben die Pläne dagegen nicht überzeugt: „Ich habe nichts gegen Investoren, die machen ihren Job und wir unseren. Doch egal, was hier passiert – für uns ist es eine Verschlechterung. Es bleibt ein Betonriegel, der den Platz verschattet. Sie haben nichts gelernt“, rief er dem Stadtrat zu. „Wir machen weiter!“