Drei Verletzte, 23 Festnahmen - so die Bilanz einer Schlägerei in Tempelhof. Es war die nicht einzige. Nun wird nach Lösungen gesucht.
Die Prügeleien unter Flüchtlingen am Wochenende sorgen für zunehmende Kritik an der Wohnsituation der Asylsuchenden. Die Konflikte seien aufgrund der Unterbringung vieler Menschen auf engem Raum hausgemacht, erklärte der Berliner Flüchtlingsrat am Montag. Die Sozialverwaltung will mit den Betreibern und der Polizei die Vorfälle aufarbeiten und dann entscheiden, ob Abläufe, etwa bei der Essenausgabe, verändert werden sollten.
Nach einer Bilanz der Polizei vom Montag sind bei der Massenprügelei in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof am Sonntag zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sowie ein Bewohner verletzt worden. Laut Polizei waren während der Essenausgabe rund 100 Bewohner der Notunterkunft aneinandergeraten und hatten sich, teilweise mit Messern und Eisenstangen bewaffnet, attackiert. Die Lage hatte sich erst beruhigt, nachdem die Polizei mit einem Aufgebot von rund 150 Beamten angerückt war.
Vorwurf lautet auf schweren Landfriedensbruch
„Wir haben 23 mutmaßlich Beteiligte vorläufig festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und dann wieder entlassen“, sagte eine Sprecherin der Polizei am Montag. Ihnen werde schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Bereits am Sonnabend war es zu einer Massenschlägerei in einer Unterkunft an der Mertensstraße in Spandau gekommen.
Aus Sicht des Betreibers der Tempelhofer Notunterkunft, Michael Elias von der Firma Tamaja, lassen sich solche Vorfälle kaum vermeiden, vor allem wenn das Wetter schlechter wird. „Die Menschen suchen ein Vehikel für ihren Frust“, sagte Elias. Das Problem bestehe darin, dass die Menschen einfach sehr lange in der Unterkunft bleiben müssten und kaum etwas zu tun hätten. Dem könne man nur sehr bedingt entgegensteuern, obwohl man mit Psychologen und Sozialarbeitern nach Verbesserungen suche.
An der Schlägerei in Tempelhof waren nach seinen Angaben aber nur 40 bis 50 Personen beteiligt. Dabei habe es sich nicht um eine Auseinandersetzung zwischen ethnischen Gruppen gehandelt. Er habe angeordnet, die Sicherheitsmitarbeiter abzuziehen und vor den Familienbereich zu postieren, sagte Elias. Als die Polizei die Rädelsführer am Abend wieder vor dem Hangar entlassen habe, habe er sie nicht mehr eingelassen. Die Männer hätten Hausverbot. Wo sie sich jetzt aufhalten, wisse er nicht.
Betreiber sieht keine Hilfe durch mehr Sicherheitsleute
Elias verweist darauf, dass es auch in kleineren Unterkünften schon Schlägereien gegeben habe, dass also die schiere Größe der Hangars nicht die einzige Erklärung für die Konflikte sei. Mehr Sicherheitsleute seien keine Lösung: „Aufrüsten macht keinen Sinn.“ Helfen könnte hingegen eine ständige Polizeipräsenz, weil Polizisten als Vertreter der Staatsmacht schon Eindruck auf die Flüchtlinge machten.
Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte scharf auf die Vorfälle reagiert. „Diese Rechtsbrüche sind unerträglich und nicht hinnehmbar. Es gibt Regeln in unserem Land. Wer sich nicht daran hält, für den gibt es bei uns auch andere Unterkünfte. Mit verriegelten Türen und Fenstern“, hatte er am Sonntag gesagt. Die Situation bereite ihm Sorgen, ergänzte er am Montag. Und es könne für das Verhalten keine Entschuldigung geben. Der Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, Dieter Glietsch, „muss jetzt dringend ein Sicherheitskonzept erarbeiten“. Dabei werde ihm, wenn gewünscht, „die Polizei gern beratend zur Seite stehen“, sagte Henkel. „Aber vor allem müssen wir jetzt schleunigst damit aufhören, weitere Turnhallen als Unterkünfte zur Verfügung zu stellen“, forderte der Senator.
Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner pflichtete ihm bei: „Frank Henkel hat recht. Die Gewalt, die von einzelnen Flüchtlingen ausgeht, ist absolut inakzeptabel. Auch in Flüchtlingsunterkünften gilt der Rechtsstaat.“ Es könne nicht sein, dass Menschen, die vor Gewalt und Terror geflüchtet seien, auf unserem Boden aufs Neue damit konfrontiert würden, sagte Wegner. „Gerade angesichts der enormen Herausforderung ist es wichtig, den sozialen Frieden und die Akzeptanz für die Flüchtlinge in Berlin zu erhalten. Wer das friedliche Zusammenleben gefährdet, hat in unserem Land nichts zu suchen.“
Flüchtlingsunterkunft Haarlemer Straße in Britz wird ausgebaut
Der Flüchtlingsrat kritisierte am Montag den Innensenator für seine Äußerungen. Schuld an der Gewalt sei die Unterbringung, teilte der Flüchtlingsrat mit. „Dass eine solche extrem beengte und völlig unzureichend ausgestattete Massenunterkunft Aggressionen fördert, war absehbar“, sagte Flüchtlingsrat-Sprecher Georg Classen. Der Linken-Abgeordnete Hakan Taş warf Henkel vor, die Stimmung gegen Flüchtlinge aufzuheizen. Auch der Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Steve Feldmann, bezeichnet die Massenunterkünfte als Problem. Das Leben auf engstem Raum, mit großem Lärm und fehlender Privatsphäre mache die Menschen aggressiv. Die Flüchtlinge bräuchten Hilfe, fachkundige Betreuung und Beratung.
Die Sozialbehörde begann am Montag Gespräche mit Polizei und Betreibern von Unterkünften darüber, wie Auseinandersetzungen verhindert werden können. „Wir wollen ermitteln, ob individuelle Frustsituationen oder strukturelle Probleme zu den Schlägereien geführt haben“, sagte eine Sprecherin der Sozialverwaltung. An großen Unterkünften für Flüchtlinge führe aber kein Weg vorbei, um schnell viele Menschen unterzubringen.
Wie der RBB am Montagabend berichtete, soll die Flüchtlingsunterkunft Haarlemer Straße in Britz ausgebaut werden. Es entstehen 530 Plätze zusätzlich zu den vorhandenen 400.