Gewaltausbruch

Flüchtlinge gehen mit Messern und Stangen aufeinander los

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Andreas Abel uns Steffen Pletl

In den Flüchtlingsunterkünften im Tempelhofer Flughafengebäude und in Spandau geraten Bewohner in Massenschlägereien.

In zwei großen Notunterkünften für Flüchtlinge ist am Wochenende die Gewalt eskaliert. In den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof gingen am Sonntagnachmittag zahlreiche Flüchtlinge mit Messern und Eisenstangen bewaffnet aufeinander los. Bis zu 300 Menschen sollen nach Angaben von Beobachtern an der Schlägerei beteiligt gewesen sein.

Bei der Essensausgabe seien mehr als 100 Bewohner aneinandergeraten, sagte hingegen ein Polizeisprecher. Die Polizei setzte 120 Beamte ein. Die Gewerkschaft der Polizei teilte auf Twitter mit, es seien zwei Wachleute verletzt und 14 Flüchtlinge festgenommen worden. Der Polizeisprecher bestätigte diese Angaben nicht.

Der Heimbetreiber habe die Polizei gerufen, während sich der Sicherheitsdienst um Ordnung kümmerte. Als die Beamten eintrafen, habe schon wieder Ruhe geherrscht. Die Wachleute hätten einige Flüchtlinge identifiziert, die an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen seien. Es habe einige vorläufige Festnahmen gegeben. Der Hintergrund der Schlägerei blieb zunächst unklar.

Am Sonnabend war es abends zu einer Massenschlägerei in der Spandauer Notunterkunft an der Mertensstraße gekommen. Laut Feuerwehr wurden sieben Menschen verletzt. Nach einer ersten Auseinandersetzung zwischen mehreren Flüchtlingen habe sich die Lage zunächst beruhigt, dann folgte eine weitere Schlägerei in einer großen Menschenmenge. Polstermöbel wurden geworfen, Fenster zerstört und Feuerlöscher entleert. Daraufhin brach Panik aus.

Innensenator Henkel (CDU) reagiert scharf auf „diese Rechtsbrüche“

Etwa die Hälfte der rund 1000 Bewohner lief ins Freie und wartete auf der Straße, bis sich die Lage beruhigte. Rund 80 Polizisten waren im Einsatz. Sie nahmen mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs auf. Die Hintergründe des Streits blieben auch hier zunächst unklar.

Innensenator Frank Henkel (CDU) reagierte scharf auf die Vorfälle: „Diese Rechtsbrüche sind unerträglich und nicht hinnehmbar. Es gibt Regeln in unserem Land. Wer sich nicht daran hält, für den gibt es bei uns auch andere Unterkünfte. Mit verriegelten Türen und Fenstern“, erklärte er. Mit der steigenden Zahl von Massenunterkünften stiegen auch die Spannungen, so Henkel.

Grüne warnen vor weiteren Massenunterkünften

Er kritisierte erneut indirekt den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD): „Es reicht nicht aus, einfach nur alle Hallen vollzumachen. Darüber werden wir im Senat reden müssen.“ Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sagte, Massenunterkünfte könnten gerade für Menschen mit Kriegserfahrungen nur eine sehr kurzfristige Notlösung sein. Pop warnte den Senat erneut davor, am Flughafen Tempelhof noch mehrere Tausend weitere Flüchtlinge unterzubringen.

Unterdessen wächst die Kritik an den Zuständen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) an der Turmstraße in Moabit. Dort warten weiterhin Nacht für Nacht mehrere Hundert Menschen bei Regen und Kälte, um sich einen guten Platz in der Warteschlange zu sichern, wenn die Tore um sechs Uhr geöffnet werden.

Demonstration am Sonntagabend

Am Sonntagabend demonstrierten rund 150 Menschen friedlich vor der Behörde und verurteilten die ihrer Ansicht nach menschenunwürdigen Zustände. Unter den Kundgebungsteilnehmern war auch der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD). In dieselbe Richtung zielt eine Online-Petition, die bereits von mehr als 56.000 Menschen unterzeichnet wurde.

Seit der Eröffnung der neuen Registrierungsstelle an der Bundesallee und weiteren organisatorischen Änderungen bestehen die großen Probleme am Lageso nicht mehr bei der ersten Datenerfassung sondern in der Leistungsstelle.

Die Warteschlangen sollen durch neue Abläufe abgebaut werden

Flüchtlinge stehen im Wesentlichen aus drei Gründen am Lageso Schlange: Weil sie ihr Taschengeld beziehungsweise ihre Sozialhilfe abholen wollen, weil sie eine neue Kostenübernahme für ihre Unterkunft brauchen oder weil sie einen Überweisungsschein für den Arztbesuch benötigen. Nach der Änderung des Asylgesetzes darf das Taschengeld für Flüchtlinge in der Erstaufnahme nur noch für einen Monat ausgezahlt werden.

Vorher waren drei Monate möglich. Das erhöht, neben der ohnehin stetig steigenden Zahl der Asylsuchenden, die Zahl der Antragsteller enorm. Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) nannte die Gesetzesänderung „unsinnig“ und fordert, zu drei Monaten zurückzukehren. Nach Angaben von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will die Verwaltung aber die Abläufe an mehreren Stellen verändern, um die Warteschlangen abzubauen.

Taschengeld: Noch vor Weihnachten soll eine zweite Kasse an der Bundesallee eingerichtet werden. Bislang kann Geld an Asylbewerber nur in der Turmstraße ausgezahlt werden. Zudem wird geprüft, mehrere Bezirkskassen in das System einzubinden. Die Flüchtlinge würden dann Geldkarten bekommen, mit denen sie dort selbst zum Kassenautomaten gehen könnte.

Kostenübernahme für die Unterkunft: Die Namen der Flüchtlinge, bei denen die Kostenübernahme verlängert wird, werden auf Listen erfasst, diese an die Unterkünfte gefaxt. Die Betreiber teilen dann den Asylbewerbern mit, dass sie nicht mehr zum Lageso fahren müssen. Dieses Verfahren wird bereits praktiziert, trifft aber noch nicht immer auf das Vertrauen der Betroffenen.

Überweisungsscheine: Am 1. Januar wird die elektronische Gesundheitskarte eingeführt. Sie wird nicht über das Budget der Krankenkassen abgerechnet sondern über den Sozialhilfeträger, also das Land Berlin. Damit sind Arzt- besuche und Medikamentenversorgung abgedeckt. Allerdings müssen Flüchtlinge für bestimmte Leistungen weiterhin zum Lageso, etwa wenn ein Antrag auf Zahnersatz oder medizinische Heil- und Hilfsmittel gestellt wurde.

Mehr Personal: Das Lageso bekommt 70 neue Mitarbeiter, die Arbeitsverträge würden von Montag an unterschrieben, so Czaja. Rund die Hälfte der Mitarbeiter wird die Leistungsstelle verstärken, der Rest die Registrierung. Möglichst bis Jahresende soll zudem eine weitere Bearbeitungsstelle für Flüchtlinge am Flughafen Tempelhof eingerichtet werden.