Statt Gift

Wasserbetriebe jagen Berlins Ratten mit Genickbruch-Fallen

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Eine aufgeschreckte Ratte läuft in Berlin über den Gehweg

Eine aufgeschreckte Ratte läuft in Berlin über den Gehweg

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Die neuartigen Fallen erschlagen die Ratten blitzschnell. Noch läuft die Testphase. Rund 4000 Tiere wurden schon getötet.

Den Hauptstadt-Ratten geht es an den Kragen: Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) testen derzeit Fallen, die den Nagern das Genick brechen. „Rund 4000 Tiere haben wir damit schon getötet“, sagte Sprecher Stephan Natz. Etwa zehn Fallen eines dänischen Herstellers seien seit Anfang des Jahres in Kanälen rund um die Treptowers im Gebiet Treptow-Kreuzberg im Einsatz. Die Testphase läuft bis etwa März 2016. Laut der Vertriebsfirma Anticimex testen auch andere Städte das Verfahren namens Smart Trap (intelligente Falle). Es ist in Deutschland seit etwa einem Jahr zugelassen.

Die fest in der Kanalisation montierten Fallen funktionieren mit Sensoren, die Bewegung und Körperwärme registrieren. Wenn die Ratte unter eine Falle läuft, fahren den Angaben zufolge 14 Kunststoffbolzen mit einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde aus und erschlagen das Tier binnen weniger Sekunden. „Anders als bei Giftködern müssen sich die Ratten nicht quälen“, sagt Vertriebsleiter Markus Gaßmann.

Nach der Tötung werden die Bolzen wieder eingefahren und die Falle ist bereit für das nächste Tier. Jeder Einsatz wird zudem automatisch gemeldet. Die Tötungsrate liege bei 100 Prozent.

Tonnenweise Rattengift wird eingespart

Die Methode sei nicht nur tier-, sondern auch umweltfreundlicher, betont Gaßmann. Schließlich könne man tonnenweise Rattengift sparen. Bei allen technischen Mitteln seien Fehlfunktionen möglich, die wiederum Leiden bei den betroffenen Tieren verursachen könnten, gibt hingegen Referentin Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund zu bedenken.

Die Kanalisation ist laut BWB-Sprecher Stephan Natz ein bei Ratten beliebter Ort, um geschützt vor Feinden wie Autos, Krähen und Stadtfüchsen von A nach B zu gelangen. Anders als oft vermutet leben Ratten laut Natz aber nicht in der Kanalisation, sondern eher auf Bahnhöfen, in Kellern, Parks oder Schulhöfen.

Wie viele Ratten es in Berlin gibt, könne niemand genau sagen. Nach Berechnungen seines Hauses könnten es um die zwei Millionen Tiere sein. Die verbreitete Schätzung, es gebe in Berlin mehr Ratten als Einwohner - etwa 3,5 Millionen -, ist damit wohl deutlich zu hoch angesetzt.

Die Wasserbetriebe seien verpflichtet, Schädlinge wie Ratten zu bekämpfen, sagt Natz. Das Unternehmen habe dazu auch speziell ausgebildete Mitarbeiter. Neben den derzeit getesteten Fallen seien nach wie vor Giftköder das Mittel der Wahl. Allein im vergangenen Jahr gaben die Wasserbetriebe laut Natz über 800.000 Euro für die Schädlingsbekämpfung aus.

Ratten übertragen Krankheitserreger wie Salmonellen

Laut Gaßmann testen neben Berlin etwa Dessau, Dresden, Düsseldorf und Dortmund ebenfalls den Einsatz der smarten Fallen. In Marne im Kreis Dithmarschen (Schleswig-Holstein) habe man sich bereits für einen dauerhaften Einsatz entschieden. In der Regel kaufen die Kommunen die Fallen nicht, sondern mieten sie für 1200 bis 1500 Euro pro Jahr und Stück - inklusive Wartung.

Ratten können verschiedene Krankheitserreger übertragen. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (Lageso) zählen dazu unter anderem Salmonellen, die Durchfallerkrankungen auslösen können. Auch an der Ausbreitung von Tierseuchen (Schweinepest, Maul- und Klauenseuche) sind Ratten demnach häufig als Überträger beteiligt.

Nach einer 2011 in Kraft getretenen Verordnung sind Eigentümer von Immobilien verpflichtet, bei Rattenbefall Schädlingsbekämpfer zu beauftragen. Laut Statistik des Lageso wurden 2014 etwa 7500 Einsätze gezählt und damit mehr als in den Jahren zuvor. „2015 werden wir das Vorjahresniveau wieder erreichen“, sagt Sprecherin Silvia Kostner. Wie viele Ratten durch die Einsätze getötet worden sind, lasse sich nicht sagen, da sich vergiftete Tiere zum Sterben zurückzögen.

Aus Sicht des Tierschutzbunds gibt es keine Tötungsmethoden, die uneingeschränkt zu befürworten seien. „Daher muss der Fokus immer auf Prävention gelegt werden“, sagt Lea Schmitz. So könne etwa das Nahrungsangebot reduziert oder die Nistmöglichkeiten eingeschränkt werden. Essen finden Berliner Ratten bislang reichlich - sei es in offenen Mülltonnen oder achtlos weggeworfenem Döner.

( dpa/seg )