Das Deutsche Rote Kreuz nutzt jetzt die ehemaligen Räume der Staatssicherheit als Notunterkunft. 465 Menschen sind schon eingezogen.

Von hier aus wachte MfS-Chef Erich Mielke über die DDR-Staatssicherheit. Hier, an der Normannenstraße/Ecke Ruschestraße in Lichtenberg, leitete der oberste Geheimdienstler Markus Wolf bis zum Untergang der DDR die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), die Auslandsspionage.

Nach einer Nutzung durch die Deutsche Bahn AG stand der Gebäudetrakt der HVA jahrelang leer. Nun ist hier ein neues Flüchtlingsheim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) entstanden. Die unteren fünf Stockwerke sind bereits mit den ersten 465 Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak belegt. Die höher gelegenen Stockwerke des Gebäudes müssen noch vom Bauamt abgenommen werden.

Überraschend große Familien mit acht bis neun Kindern

Als Glücksfall bezeichnet DRK-Sprecher Rüdiger Kunz am Sonnabend bei einer Begehung das neue Flüchtlingsheim. Das DRK betreibt bereits eine Flüchtlingsunterkunft in Karlshorst für rund 1000 Bewohner. Die Zimmer im ehemaligen Stasi-Komplex böten eine größere Intimsphäre, gerade für Familien mit Kindern.

Am Donnerstagabend um 21 Uhr seien die ersten Flüchtlinge in Lichtenberg eingezogen. Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg habe dafür sogar ihre Sitzung abgebrochen und sei geschlossen vorbeigekommen, um tatkräftig mitzuhelfen.

„Wir haben überraschend viele große Familien mit acht bis neun Kindern“, sagt Kunz. Für die seien die Räume ideal. Es bleibe natürlich eine Notunterkunft, das Gebäude sei heruntergewirtschaftet, aber „das ist immer noch besser als jede Turnhalle“. Im Hof dient ein großer Pavillon als Gemeinschaftsraum und Kantine.

In den Fluren des Gebäudes liegt noch das alte DDR-Linoleum, die einstigen, kleinen Büroräume sind mit grauem Teppichboden ausgelegt und werden mit Stahlbetten ausgestattet. Einige Zimmer haben noch die alten Doppeltüren, in manchen stehen weiß überlackierte Holzfurnierwandschränke. Es gibt sanitäre Anlagen auf jedem Stockwerk, aber keine Duschen. Duschcontainer sollen auf dem Hof aufgestellt werden.

Etwa 20 Flüchtlinge werden als Dolmetscher eingesetzt

700 bis 800 Menschen können aufgenommen werden. Sie werden im Untergeschoss registriert. Jeder Bewohner des Flüchtlingsheims erhält eine Chipkarte mit Foto, Namen, Herkunftsland und einer Nummer. „Wenn mal etwas passiert, wissen wir genau, wie viele Menschen sich im Haus befinden“, sagt Norman Preckel, Kreisgeschäftsführer des DRK Müggelspree. Er sitzt am Sonnabend mit am Tisch und registriert die Neuankömmlinge. Ohne Bewohnerausweis kann niemand das Heim betreten oder verlassen.

Es geht ruhig und unaufgeregt zu. Im Gemeinschaftsraum sitzen Familien beim Essen, junge Männer trinken Kaffee und rauchen vor der Tür. Doch man sieht Unsicherheit und Hoffnung gleichermaßen in ihren Augen. Für Verständigung sorgen zahlreiche Piktogramme, die Dinge wie Toilettennutzung oder Müllentsorgung in Bildern erklären. Und Dolmetscher, die zum Teil sogar selbst Flüchtlinge sind.

Wie der 30 Jahre alte Reza Amirean aus Afghanistan, der seit fünf Monaten in Berlin ist. Er spricht Englisch, Farsi, Urdu, Paschtu und sogar ein wenig Deutsch. Und steht dem DRK bei Sprachschwierigkeiten zur Seite. Er komme aus einer Stadt nah an der Grenze zum Iran, sagt er. Und mache nun einen Deutschkurs. Etwa 20 Flüchtlinge, so Rüdiger Kunz, werden vom DRK als Übersetzer eingesetzt.

Im ersten Stock des Gebäudes hängt immer noch ein Schild, das den Weg zur „Hauptabteilung VII“ oder zur „Hauptabteilung II“ weist. Der schlechte Atem der Geschichte ist noch immer nicht ganz verflogen. Aber, so Kunz: „Endlich werden die Gebäude für eine gute Sache genutzt.“