Der Wohnungsverband legt eine Studie vor – und verlangt mehr Neubau. Der Bausenator sieht auch private Bauherren in der Pflicht.

Mieter, die in einer Wohnung leben, die von einem der Mitglieder des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bewirtschaftet wird, können sich glücklich schätzen. Die Schere zwischen den Mietpreisen in den BBU-Beständen und den sogenannten Marktmieten hat sich im vergangenen Jahr weiter geöffnet. So müssen beim Abschluss eines neuen Mietvertrages 30 Prozent weniger gezahlt werden, als etwa für die im Internet bei den Immobilienportalen angebotenen Wohnungen. Dennoch haben sich auch die eher preisgünstigen Wohnungen der im BBU vertretenen Landesunternehmen und Genossenschaften im vergangenen Jahr weiter verteuert. Das geht aus dem Marktmonitor hervor, den der BBU am Donnerstag vorgelegt hat.

Preise in Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf ziehen an

Deutlich wird in der Studie auch, dass sich das Mietniveau berlinweit angleicht und der bislang deutlich preisgünstigere Stadtrand bei den Preisen langsam nachzieht. Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf – die günstigsten Bezirke – hatten 2014 nach Mitte die stärksten Mietsteigerungen. Wer einen neuen Vertrag abschloss, zahlte jeweils 6,6 Prozent mehr Kaltmiete als im Vorjahr, 6,12 Euro je Quadratmeter in Reinickendorf und 5,65 Euro in Marzahn-Hellersdorf. Verglichen mit den Angebotsmieten auf Internetportalen ist das jedoch weiterhin unschlagbar günstig: Dort wurden 2014 im Durchschnitt Kaltmieten von rund neun Euro je Quadratmeter verlangt.

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Die Verbandsmitglieder, darunter auch private Großvermieter wie die Deutsche Wohnen, bewirtschaften mit rund 700.000 Wohnungen gut 40 Prozent aller Mietwohnungen in Berlin. Stadtweit stiegen ihre Bestandsmieten 2014 durchschnittlich um 2,5 Prozent auf 5,43 Euro. Das sind 41 Cent weniger als der Mietspiegelmittelwert. „Unsere Mitgliedsunternehmen wirken damit preisdämpfend auf den gesamten Mietwohnungsmarkt“, betonte Verbandschefin Maren Kern.

Bei Neuverträgen verlangten jedoch auch die BBU-Vermieter deutlich höhere Mieten. Wer 2014 einen Mietvertrag für eine der BBU-Wohnungen abschloss, musste dafür durchschnittlich 6,31 Euro zahlen – 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. „Damit liegen wir aber immer noch 30 Prozent unter dem Marktniveau von neun Euro“, rechtfertigte Kern die Mietsteigerungen.

Zuwanderung verschärft das Problem

Grund für die Mietsteigerungen ist vor allem die zunehmende Verknappung von Wohnraum in der Metropolregion. Berlin, Potsdam und das Berliner Umland wachsen immer schneller – Berlin nach derzeitigem Stand wahrscheinlich sogar bis 2030 von derzeit knapp 3,5 Millionen auf vier Millionen Einwohner. Berlin sei bereits vor dem Flüchtlingszustrom um 45.000 Personen pro Jahr gewachsen. Durch die Zuwanderung der Flüchtlinge verstärke sich die Tendenz: In diesem Jahr wird mit einem Zuwachs von 90.000 Menschen gerechnet.

Um dieses Wachstum zu bewältigen, müssten nach BBU-Angaben allein in Berlin bis 2030 rund 300.000 neue Wohnungen gebaut werden, etwa 100.000 davon bis 2020. „Wir bräuchten eigentlich eine Verdopplung der heutigen Fertigstellungszahlen. Hinzu kommt die notwendige Stadtinfrastruktur. Ohne eine Willkommenskultur und Agenda für Wachstum werden sich diese Herausforderungen nicht bewältigen lassen“, so Kern.

Dazu gehöre auch, dass Gruppeninteressen der unmittelbaren Nachbarschaft Bauvorhaben nicht behindern dürften, sagte Kern mit Verweis auf die Auseinandersetzungen beispielsweise um Bauvorhaben am Mauerpark (Mitte) und auf der Elisabeth-Aue (Pankow). Zur Deckung des akuten Wohnraumbedarfs seien aber auch, wie etwa am Rande des Tempelhofer Feldes bereits trotz eines anderslautenden Volksentscheids vom Senat geplant, weitere temporäre Wohnbauten notwendig. Dazu gehören beispielsweise Container- oder sogenannte Modulbauten.

Temporäre Lösungen für zehn und mehr Jahre

„Es muss den Menschen klar gesagt werden, dass diese temporären Lösungen durchaus auch zehn Jahre und mehr Bestand haben könnten“, sagte Kern. Die rasant wachsende Wohnraumnachfrage könne nur durch eine Intensivierung der Neubauanstrengungen befriedigt werden. „Andernfalls müssen wir tatsächlich wieder von Wohnungsnot sprechen“, sagte Kern. Die BBU-Chefin hatte in den Vorjahren beharrlich auf der Formulierung „Wohnungsknappheit“ bestanden – mit dem Hinweis, eine Wohnungsnot habe es in Berlin zuletzt in den Nachkriegsjahren gegeben.

Bei den Baufertigstellungen hinkt Berlin jedoch immer noch deutlich hinter den Leistungen anderer Städte hinterher, sagte Kern. In einem Städtevergleich (Hamburg, Köln, Leipzig, München, Potsdam und Berlin) habe sich gezeigt, dass die Quote mit Ausnahme des Schlusslichts Leipzig (siehe Grafik) zwar überall zugenommen habe. Allerdings seien die Werte für Berlin weit unterdurchschnittlich. Nur knapp vier Wohnungen je 1000 Bestandswohnungen wurden in Berlin 2014 fertiggestellt.

In Potsdam, dem Spitzenreiter des Städtevergleichs, werden dagegen zwölf Wohnungen je 1000 Bestandswohnungen fertig. „Potsdam hat viel früher und wirkungsvoller auf das Bevölkerungswachstum reagiert“, lobte Kern die Planer der brandenburgischen Landeshauptstadt. Berlins Entwicklung gehe jedoch in die richtige Richtung. So wurden 2014 immerhin deutlich mehr Wohnungen fertig als im Durchschnitt der drei Vorjahre (2,8 Wohnungen).

Bausenator verspricht deutliche Steigerungen beim Neubau

Berlins Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel (SPD), sagte zu, dass das Land Berlin bereits dabei sei, die Neubauzahlen nach oben zu korrigieren. „Wir stehen vor einer historischen Aufgabe“, sagte er angesichts des enormen Bevölkerungswachstums. „Ich bin aber sicher, dass wir dies meistern werden“, so der Bausenator weiter. 30.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, sei keine Hexerei, wie Berlin in den 1990er-Jahren schon einmal beweisen habe. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien gut aufgestellt. „Daneben stehen aber auch die privaten Bauherren in der Pflicht, ihren Anteil an dieser großen Aufgabe zu leisten“, betonte Geisel. Dazu brauche es vor allem geeignete Flächen für den Wohnungsbau. „Wir sind permanent dabei, neue Flächen zu aktivieren und die planungsrechtlichen Grundlagen für den Bau neuer Wohnungen zu schaffen“, versicherte der Senator.