Kaffee, Zigaretten, Herzschrittmacher. Das passt zusammen. Und alle drei Produkte werden in großer Zahl in Neukölln hergestellt. Jacobs röstet in der zweitgrößten Rösterei Europas Kaffee in Neukölln, Philip Morris produziert 20.000 Zigaretten pro Minute und das Biotech-Unternehmen Biotronik verschickt vom Schmuddelbezirk aus seine Herzschrittmacher in alle Welt. Auch das ist Neukölln.
Auf seiner Tour durch die Bezirke besuchte der Senat am Dienstag Neukölln. Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) empfing die Senatsrunde im Rathaus, danach ging es auf Entdeckungstour durch den Bezirk. Natürlich seien die Probleme im Bezirk angesprochen worden, sagte Giffey nach der Senatssitzung. 20 Prozent der arabischstämmigen Bevölkerung Berlins lebt in Neukölln, außerdem gibt es eine große Gruppe aus Rumänen, 6000 sind gemeldet, 10.000 sind es wohl, so Giffey. Und Woche für Woche werden es mehr.
Doch die Bezirksbürgermeisterin unterscheidet sich nicht nur optisch von ihrem prominenten Vorgänger Heinz Buschkowsky, auch inhaltlich setzt sie andere Schwerpunkte. Neben den zahlreichen Problemen der Inte-gration und Bildung im Bezirk präsentiert sie beim Besuch des Regierenden Bürgermeisters und seiner Senatskollegen einige Highlights des Bezirks.
Ein neuer „Estrel“-Tower mit 800 Zimmern soll entstehen
Natürlich das „Estrel“, das mit dem Begriff Hotel kaum noch adäquat bezeichnet ist. Eine große und eine kleine Veranstaltungshalle sind gerade fertig geworden, auf der anderen Straßenseite plant das Unternehmen einen weiteren Hotelturm mit mehr als 800 Zimmern, eine weitere Veranstaltungshalle für große Festbälle und ein Parkhaus. Mit der Fertigstellung wäre das „Estrel“ der größte Messe- und Hotelkomplex Europas. „Wir sind stolz darauf“, sagt Giffey, denn schon jetzt arbeiteten 550 Festangestellte und 150 Mitarbeiter in Fremdfirmen im Hotelkomplex. Viele davon aus Neukölln. Es werden mehr dazukommen, wenn der Neubau erst einmal steht. „Es entsteht ein ganz neues Stadtquartier“, sagt Giffey. Nicht auszudenken, wie hier das Geschäft brummt, wenn erst der neue Flughafen in Betrieb ist und mit direkter Autobahnanbindung in wenigen Minuten zu erreichen ist.
Weiter gehts über die Baustelle der umstrittenen neuen Autobahn A100. „Die geplante Fertigstellung ist ja am 22. 2. 2022“, sagt Giffey und erntet einige Lacher von der Senatsdelegation. Aber das Wasser mache den Bauarbeitern derzeit Probleme. Noch soll alles im Zeitplan sein.
Gleich um die Ecke an der Grenzallee entsteht derzeit die Jugendberufsagentur, die den jungen Menschen eine Perspektive aufzeigen soll, sei es, durch das Nachholen eines Schulabschlusses oder die Weiterqualifizierung, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Vielleicht sogar für einen Job bei Philip Morris. Schon jetzt arbeiten 1500 Mitarbeiter hier, die Firma produziert Zigaretten, die in 40 Länder exportiert werden. Und wieder sind die Gegensätze in Neukölln so nah beieinander. Nur eine Querstraße weiter befindet sich die Al-Nur-Moschee. „Das Zentrum von Salafisten in Berlin“, sagt Giffey. Der Bezirk habe den Senat gebeten zu prüfen, ob der Moscheeverein verboten werden kann. Doch die Innenverwaltung ist bislang zu keinem Ergebnis gekommen. Der Adressat der Anfrage, Innensenator Frank Henkel (CDU), hat krankheitsbedingt die Senatssitzung abgesagt, sein Stellvertreter, Staatssekretär Bernd Krömer, nahm an der Tour nicht teil. Besorgniserregend sei, dass Aktivisten der Moschee jetzt in Flüchtlingsheimen aktiv seien, sagt Giffey.
Eine Herzensangelegenheit der Bezirksbürgermeisterin ist der gerade entstehende Campus Efeuweg, an dem die bestehenden Bildungsangebote durch neue ergänzt werden und ein zentraler Bildungsstandort in Neukölln entstehen soll. Vom Kindergarten bis zum Abitur soll hier das Angebot reichen. Auch ein Jugendclub ist dabei und der Degewo-Sportplatz mit Fußballfeld und Tartanbahn. Giffey schwebt auch ein Zentrum für Sprache und Bewegung auf dem Campus vor, „das in den Kiez hineinreichen soll“.
Neue Produktionsstätte für Medizintechnik in Rudow
Den Höhepunkt der Bezirkstour absolvierte Müller am Nachmittag. Die B. Braun Melsungen AG eröffnete ihr neues Produktionswerk in Rudow. 50 Millionen Euro investierte das Unternehmen in den vergangenen vier Jahren in den Standort. Künftig werden hier sterile Injektionslösungen in Kunststoffampullen hergestellt. „Das Unternehmen unterstreicht mit seinem Engagement, dass Berlin großes Potenzial in der Gesundheitswirtschaft hat“, sagte Müller bei der Eröffnung. B. Braun mit Hauptsitz im nordhessischen Melsungen ist einer der führenden Hersteller von Medizintechnik- und Pharmaprodukten und Dienstleistungen weltweit.