Touren-App

Wie man sich Level für Level durch Berlin spielen kann

| Lesedauer: 5 Minuten
Constanze Nauhaus
Christian Vogel, Entwickler von Urban Playground, auf der Warschauer Brücke

Christian Vogel, Entwickler von Urban Playground, auf der Warschauer Brücke

Foto: Reto Klar

Schnitzeljagd und Stadtführer – mit der App Urban Playground kann jeder interaktive Spaziergänge durch die Stadt erstellen

Die Ansicht, digitale Medien führten eher zu weniger als zu mehr realer zwischenmenschlicher Kommunikation, ist fast so alt wie die digitalen Medien selbst. Eine neue Touren-App belehrt den Skeptiker eines Besseren. Schüchterne Smartphone-Nerds kommen hier kaum von einer Station zur nächsten, denn das Wissen fremder Leute ist oft der Schlüssel zum nächsten „Level“.

Urban Playground heißt die App, und der Name ist hier Programm. Die App wandelt die Stadt in einen Spielplatz um. „Urban Playground ist eine Plattform für jeden, um Touren oder Schnitzeljagden zu erstellen“, erklärt ihr Entwickler Christian Vogel. „Man kann Geschichten erfinden, die einen durch die Stadt führen.“

Die Idee kam dem 36-jährigen Wahlkreuzberger bereits während seines Medieninformatikstudium an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft. „Anfangs ging es darum, etwa für Kongresse ortsbasierte Termine abzurufen“, sagt der gebürtige Karlsruher. „Aber ich wollte dann mehr in die spielerische Ecke.“ So suchte er sich zwei Freunde, den Historiker Alexandre Froidevaux und den Programmierer Alexander Köb, mit denen er aus der Idee die fertige Anwendung entwickelte.

Die App funktioniert mit einer GPS-basierten Karte

„Ob Betriebsausflug oder Kindergeburtstag, jeder kann mit dem Editor Spaziergänge oder Schnitzeljagden erstellen“, erzählt Vogel. Noch schalten er und seine Kollegen dafür jeden Nutzer einzeln frei. Ab der nächsten Version wird der Editor frei zugänglich sein, dann können Touren auch zur Veröffentlichung eingereicht werden. Wenn sie Vogel und seinem Team gefallen, werden sie für die Öffentlichkeit freigeschaltet, so hat jeder etwas davon.

Die App funktioniert mit einer GPS-basierten Karte, erinnert also ein wenig an Geocaching. Während aber bei dieser Mutter aller GPS-Schatzsuchen das Ziel lediglich im Finden eines versteckten Gegenstandes besteht, fungiert Urban Playground durch die Verknüpfung mit Inhalten gleich noch als Stadtführer. Und natürlich haben auch Vogel und seine zwei Kollegen selbst bereits Touren erstellt, vier verschiedene gibt es bisher für Berlin.

Die amüsanteste heißt „Vom Kiez ins Grüne“ und führt den Spaziergänger von der Warschauer Brücke in Friedrichshain bis zur Rummelsburger Bucht. Wie bei einer echten Schnitzeljagd erfährt der urbane Jäger auch hier nur durch Hinweise, wie es weitergeht. Verschiedene Orte im Stadtraum – Gebäude, Plätze, Gärten – sind als Stationen konfiguriert. Sobald das Smartphone oder Tablet per GPS feststellt, dass man sich im Radius einer Station befindet, wird diese freigeschaltet und man erhält multimediale Informationen zum Ort. Das können Videos, Fotos oder Audiodateien sein. „Ortsbasierte Inhalte erstellen“, heißt das auf Entwickler-Deutsch.

Bedeutet: Steht man etwa vor dem ehemaligen „Tuntenhaus“ in der Mainzer Straße im Friedrichshain, ploppen auf dem Smartphone weiterführende Websites und eine Fotogalerie auf, die zeigt, wie das Haus früher einmal aussah – denn am Gebäude selbst weist nichts auf dessen Vergangenheit hin.

Darth Vader am Ostkreuz

Um vorwärtszukommen, müssen oft Rätsel erraten werden, deren Lösungswort den Weg zur nächsten Station weisen. Manchmal reicht es, auf bestimmte Schilder zu achten, manchmal lohnt es sich aber mehr, Passanten oder andere Menschen in der Umgebung zu fragen – irgendwer kann sicher mit dem nötigen Kiezwissen weiterhelfen und einem erklären, was „Darth Vader“ am Ostkreuz überhaupt ist und wie man dort hinkommt.

Man fühlt sich ein wenig wie Supermario und entwickelt starken Ehrgeiz, Level für Level zu absolvieren. Zusätzlicher Ansporn: Wie beim Geocaching muss, oder besser, darf am Ende tatsächlich geklettert und nach einem realen Gegenstand gesucht werden.

Eine andere Tour, für Abenteuerlustige vielleicht die unspektakulärste, für Berlintouristen aber sehr praktisch, führt die East Side Gallery entlang. Je nachdem, vor welchem Wandbild man steht, erscheinen auf dem Bildschirm Hintergrundinformationen zum jeweiligen Künstler. Auf einen höchst informativen Spaziergang durch die Stadt führt die Tour „DDR-Opposition in Ostberlin“. Sie steuert Orte in Mitte, Friedrichshain, Lichtenberg und Treptow an und klärt über den Widerstand politischer Christen, Punks, Künstler und anderer regimekritischer Gruppen auf. Die letzte der momentan vier Berlin-Touren führt durch die Streetart-Szene der Hauptstadt und ist in Kooperation mit dem Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt „Backjumps“ entstanden.

Geld verdienen die drei mit der Software noch nicht, aber das soll sich ändern. „Wir werden an kommerzielle Anbieter herantreten, etwa an Eventagenturen, und ihnen unsere Technik für exklusive Teamevents zur Verfügung stellen“, beschreibt Vogel die Pläne des Entwicklertrios. Für private Nutzer soll die Anwendung aber kostenlos bleiben.