Potsdam. Vor zwei Jahren gründete der Schauspieler mit Kollege Dieter Hallervorden, Journalist Klaus Bednarz und Regisseur Hark Bohm eine Initiative, die über die Gefahr des Rechtsextremismus informiert

Das Jahr 1957 hat Hardy Krüger verändert, ihn zum Kämpfer gegen Rechts gemacht. „Damals tauchten wieder Hakenkreuze in Deutschland auf, zwölf Jahre nach diesem verheerenden Krieg“, erinnert sich der Schauspieler.

Noch heute bewegt es ihn merklich, an die Schmierereien an den Wänden der Großen Synagoge in Köln zu denken. Für den gebürtigen Berliner, der damals in London lebte und filmte, war es ein einschneidendes Ereignis. „Ich wurde zum Todfeind derjenigen, die rechte Gewalt ausüben.“ Ein Kampf, den er bis heute führt und für den er am Montag nach Potsdam kam: Im Rathaus stellt der 87-Jährige im Beisein von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sein Projekt „Gemeinsam gegen rechte Gewalt“ vor.

Im Frühjahr 2013 gründete Krüger mit Schauspieler Dieter Hallervorden, dem Journalisten Klaus Bednarz und Regisseur Hark Bohm die von der Daimler AG unterstützte Initiative. „Wir wollen über das von rechtsextremem Gedankengut ausgehende gesellschaftliche Gefahrenpotenzial aufklären und davor warnen“, sagt er. Am Dienstag trifft er Schüler des Potsdamer Humboldt-Gymnasiums. Auch 2016 will er seine Tour fortsetzen.

Die Jugend muss wachsam sein und Politiker kontrollieren

Krüger, der sich zudem für Aussteiger aus der Neonaziszene einsetzt, weiß, wovon er spricht: „Im Naziregime aufgewachsen, gehörte ich selbst lange Zeit zu den Verführten.“ 1941, als 13-Jähriger, hatte Krüger erfolgreich fünf Auswahllehrgänge absolviert, es auf die nationalsozialistische Eliteschule „Adolf Hitler“ in Sonthofen im Allgäu geschafft. Krüger fantasierte von einem Posten als Gauleiter von Moskau. „Meine Eltern waren glücklich.“ Zweifel am System hatte er nach eigenen Aussagen nicht. „Auf dem Klavier meiner Mutter prangte die Büste von Adolf Hitler“, erinnert sich der Schauspieler. Diese Atmosphäre habe ihn geprägt. „Mein Vater hatte während der Wirtschaftskrise seine Stelle als Ingenieur verloren, unter Hitler bekam er wieder Arbeit.“ Max und Auguste Krüger wurden zu glühenden Hitler-Verehrern. Ihr Sohn trug voller Stolz das Hemd der Hitlerjugend. „Meine liebenswerten Eltern gingen dem Nationalsozialismus aus Politikverdrossenheit auf den Leim“, sagt Krüger am Montag.

Wenn er von der Pflicht jedes Staatsbürgers spricht, Verantwortung für sein Land zu übernehmen, wird Krüger leidenschaftlich. „Die Jugend muss lernen, wachsam zu sein, Politikern auf die Finger zu schauen.“ Seine eigene Fähigkeit, kritisch zu prüfen, entwickelte Krüger erst mit 15 Jahren. Die Begegnung mit Schauspieler Hans Söhnker veränderte sein Leben. „Genau in dieser Stadt“, sagt Krüger. 1943 sollte der Eliteschüler Hardy Krüger im Propagandafilm „Junge Adler“ seine erste Filmrolle übernehmen. In der Naziuniform der Schule tauchte der Schüler zu den Dreharbeiten in den Babelsberger Ufa-Studios auf. Was Schauspieler Söhnker, der in der Nachbarhalle in Helmut Käutners „Große Freiheit Nr. 7“ mitwirkte, nicht schreckte: Der Regimegegner öffnete dem Verblendeten die Augen. „,Dein Halbgott Hitler ist ein Verbrecher’, sagte Söhnker zu mir.“ Söhnker erzählte von den Konzentrationslagern in Dachau und Bergen-Belsen, den Gaskammern, führte Krüger in eine Gruppe ein, die Juden die Flucht in die Schweiz ermöglichte. Krüger, enttäuscht von seinen Eltern, begann ein gefährliches Doppelleben, erledigte Botengänge für den Widerstand. „Ich übernahm endlich Verantwortung.“

Krüger fordert, auch heute Verantwortung zu übernehmen. Er ist mit seinem Appell nicht allein: Die Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, steht ihm bei seinen öffentlichen Auftritten zur Seite. Die 1998 ins Leben gerufene Stiftung kämpft mit Projekten gegen rechtsextreme Gewalt. 409 Angriffe auf Flüchtlingsheime oder Flüchtlinge hat sie 2015 bundesweit registriert. Die fremdenfeindlichen Übergriffe am Wochenende in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) und Magdeburg (Sachsen-Anhalt) bestimmen das angespannte Klima in der Rathausrunde. „Es ist entsetzlich, dass es diejenigen trifft, die vor Krieg und Terror fliehen und bei uns Schutz suchen“, empört sich Oberbürgermeister Jakobs. Er ist froh darüber, dass sich in Potsdam wegen des breiten gesellschaftlichen Konsenses keine rechte Gewaltszene etablieren konnte. „Dafür haben wir Jahre gearbeitet.“ Nazis habe es immer gegeben, ergänzt die Berliner Jüdin Kahane, „nur treten sie jetzt offen auf“. Zu lange habe man zu verständnisvoll auf Träger rechtsextremen Gedankenguts reagiert. Auch seitens der Justiz, die vielfach zu lax mit rechten Straftätern umgegangen sei. Zumindest in den 90er-Jahren. „Die Flüchtlinge sind nicht der Auslöser, nur der Katalysator“, bewertet sie die aktuelle Welle der Eskalation. Trotzdem gibt sie sich optimistisch: „Jetzt kommen die Probleme auf den Tisch, wir diskutieren endlich über die unterschiedlichen Vorstellungen, wie Menschen in Deutschland leben wollen.“

Menschen ermuntern, selbst aktiv zu werden

Kahane will die Idee einer offenen Gesellschaft weitertragen. „Jetzt geht es darum, durchzuhalten, die zu ermutigen, die sich engagieren, selbst aktiv zu werden.“ Am 4. Dezember werde erstmals der Amadeu Antonio Preis an Künstler, die sich mit dem Thema Migration auseinandersetzen, vergeben. „In Eberswalde“, hebt Kahane hervor. In der Stadt, in der 1990 der Angolaner Amadeu Antonio zu Tode geprügelt wurde.

Krüger lässt keinen Zweifel: „Wir alle sind gefordert, als Nation.“ Seine Stimme klingt fest, als er von Pegida und AfD spricht – für ihn „die Nachfolger einer Verbrecherpartei“. „Die heizen die Stimmung auf, lösen letztlich Übergriffe auf Flüchtlinge aus.“