Bei den Meteorologen der Freien Universität auf dem Fichtenberg ist ein TV-Team zu Gast. Wetterpatenschaften finanzieren deren Arbeit.

Vom Dach des 40 Meter hohen Wetterturms der Freien Universität (FU) zeigt sich Berlin von seiner schönsten Oktoberseite: In der Morgensonne sehen Häuserdächer und Herbstlaub aus, als seien sie mit Goldstaub überzogen. Moderator Benjamin Stöwe vom „ZDF-Morgenmagazin“ freut sich auf dem Fichtenberg über das Superwetter und verspricht dem Nordosten Deutschlands einen „Klasse-Tag“. Student Maximilian Steinbach, 24, ist kritischer. „Als Meteorologe mag man ja eher die aufregenden Wetterlagen“, sagt er – und grinst.

Steinbach hat an diesem Morgen bereits einen nächtlichen Einsatz im Steglitzer Turm hinter sich. Trotzdem wirkt er um 5.30 Uhr fit, als er von der Arbeit der Studenten erzählt. „Das ist für uns eine Herzensangelegenheit. In Deutschland ist es einmalig, dass man als Student diese Arbeit machen kann“, sagt Steinbach.

Augenbeobachtung des Himmels ist unverzichtbar

Die Studierenden erfassen nicht nur Daten wie Temperatur, Luftdruck und Windgeschwindigkeiten, die von den FU-Messstationen geliefert werden. Auch die klassische Augenbeobachtung bleibt trotz Hightech unverzichtbar. „Wir achten auf den Bedeckungsgrad des Himmels und schreiben auf, welche Art von Wolken es gibt“, so Steinbach.

Die praktische Erfahrung wird den Studierenden später nutzen, sagt Forschungsmeteorologe Thomas Dümmel, der mit Basecap und Funktionsjacke wetterfest gekleidet ist: „So haben sie auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen.“ Darüber hinaus hat die Arbeit der Studenten Bedeutung für die internationale Wetterbeobachtung. „Wir sind die einzige Universität in Deutschland mit einer Wetterstation, die ihre Beobachtungen ins internationale Meldenetz einspeist“, so Dümmel.

Turm stammt aus dem 19. Jahrhundert

Die TV-Aufzeichnung im Steglitzer Wetterturm, der im 19. Jahrhundert als Wasserturm erbaut wurde, ist eine Art Leistungsschau der FU-Meteorologie. Alle halbe Stunde, zum Wetterblock nach den Nachrichten, holt das sechsköpfige Fernsehteam mit Frontmann Benjamin Stöwe Experten und Studierende vor die Kamera. Auch auf der Messwiese hinter dem Wetterturm, die vor allem der Ausbildung dient, wird um 7.30 Uhr gedreht. Hier stehen weiße Wetterhütten mit Thermo- und Hygrometern. Master-Student Stefan Proft, 24, erklärt den TV-Zuschauern, wie das Luftfeuchtemessgerät arbeitet: „Darin werden blonde Frauenhaare eingespannt, weil sie sich am gleichmäßigsten ausdehnen.“ Über die haarige Information staunt selbst Wetterprofi Stöwe.

Schon als Jugendlicher sammelte Stefan Proft Wetterdaten, heute betreibt er als Student eine private Wetterwebsite für den Südwesten Berlins. Solche Begeisterung scheint typisch für den Beruf. „Meteorologen sind ein bisschen anders als andere Menschen. Sie freuen sich, wenn sie über ihr Fachgebiet sprechen und es bekannter machen können“, sagt Dümmel. Häufig sind Besucher im Wetterturm zu Gast. Moderator Stöwe findet den studentischen Wettereinsatz so „toll“ wie den Drehort: „Das ist ein romantischer Turm.“

Universität wirbt für ihre Wetterpatenschaften

Die FU nutzt den TV-Termin auch, um für ihre Wetterpatenschaften zu trommeln – schließlich wird durch den Verkauf die studentische Wetterbeobachtung finanziert. Master-Studentin Daniela Schoster, 26, kann sich an ein paar besonders ungewöhnliche Namen für Hochs und Tiefs aus den vergangenen Jahren erinnern. An die Tiefs „Gong“ und „Pille“ beispielsweise oder an das Hoch „Ostra“.

Patenschaften für Tiefs sind bei der FU für 199 Euro zu haben, ein Hoch kostet 299 Euro. Hier wirken die Gesetze der Marktwirtschaft, denn bei den Tiefs gibt es gewissermaßen ein Überangebot, was den Preis drückt, während Hochs stabiler sind und über mehrere Tage wetterbestimmend sein können. Dadurch sind sie seltener als Tiefs. „Für 2016 sind noch viele Tiefs frei“, sagt Daniela Schoster. Bei den Hochs wird es knapp.

Archiv geht mit Daten bis ins Jahr 1952 zurück

Mit dabei am frühen Morgen ist auch Petra Gebauer, die Vorsitzende des Vereins Berliner Wetterkarte. Sie und ihre Mitstreiter werten täglich die Messdaten aus, um eine achtseitige Wetterzeitung mit detaillierten Analysen und Karten zu produzieren. „Unser Archiv geht bis ins Jahr 1952 zurück, die Daten sind lückenlos dokumentiert“, sagt die Meteorologin. Gegen Ende der Sendung geht ein Lächeln über ihr Gesicht: Sie hat die erste Bestellung eines Zuschauers erhalten, der eine Geburtstagswetterkarte verschenken möchte. Auch darüber finanziert der Verein seine Arbeit.

Eine heikle Frage hat sich Moderator Stüwe für den Schluss aufgehoben. Werden wir eine weiße Weihnacht erleben? Thomas Dümmel muss passen: „Weltweit gibt es noch keine objektiven und einigermaßen verlässlichen Modelle, die solche Jahreszeitenprognosen zulassen“, sagt er. Zuverlässiger sind Kurzzeitprognosen bis zu etwa sieben Tage. Hier kann Stüwe Gutes vermelden, Hoch „Sophie“ sei Dank: „Das wird ein goldenes Oktoberwochenende.“