Der Bericht der Berliner Morgenpost über die deutliche Zunahme der Gewaltvorfälle an Berliner Schulen hat Politiker der Koalition und der Opposition aufgerüttelt. „Erschreckend“, sei die stark gestiegene Zahl der Übergriffe, sagte Florian Graf, Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus. „Unsere Schulen dürfen nicht zu Angsträumen werden. Wir wollen und können es nicht hinnehmen, dass ein sorgenfreier Schultag in Berlin heute davon abhängt, ob Schulleiter und Lehrer ‚ihre Augen offen halten‘ oder Eltern aus Sorge um das leibliche Wohl ihrer Kinder vor Schulen patrouillieren“, sagte Graf der Berliner Morgenpost. Lehrer sollten sich auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentrieren können.
Im Schuljahr 2014/15 wurden der Senatsbildungsverwaltung insgesamt 2475 Gewaltvorfälle von den Schulen gemeldet – im Vergleich zum Vorjahr waren das 316 Meldungen mehr, eine Steigerung um rund 15 Prozent. Die meisten Vorfälle meldeten Grundschulen. Dies geht aus der Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor. Demnach nahmen auch die schwereren Gewalttaten zu, dazu zählen schwere körperliche Gewalt, Bedrohungen unter Schülern, sexuelle Übergriffe, Vandalismus und Waffenbesitz. Auf diesen sogenannten Gefährdungsgrad II entfielen 42 Prozent aller Meldungen.
Unterstützung für Lehrer bei Eingangskontrollen
In diesem Zusammenhang kritisiert CDU-Fraktionsvorsitzender Graf Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Die Senatorin müsse „sich zu Recht die Frage gefallen lassen, was sie in den letzten zwei Jahren für die Sicherheit an Schulen getan hat“. Graf bezieht sich insbesondere auf einen von der rot-schwarzen Koalition initiierten Beschluss des Abgeordnetenhauses vom Mai 2013.
Dort heißt es, jede Grundschule solle ein Sicherheits- und Präventionskonzept vereinbaren und eine Kooperation mit der Polizei eingehen. Zudem sind Videogegensprechanlagen vorgesehen, vor allem aber Hausmeisterassistenten, die unter anderem Lehrer bei der Pausenaufsicht sowie der Eingangskontrolle unterstützen sollten. Von den geplanten 200 Stellen für diese Assistenten sind allerdings nach Angaben der Bildungsverwaltung und der Bezirke erst rund 50 besetzt. Die Vorgaben des Parlaments für mehr Sicherheit an Grundschulen würden „auch noch nach Jahren“ unzureichend umgesetzt, monierte Graf.
Verwaltung weist Kritik zurück
Die Bildungsverwaltung wies die Kritik zurück. Gerade im Bildungsbereich werde sehr viel für Prävention und gegen Gewalt getan, sagte Sprecher Thorsten Metter. „Vorwürfe, dass dieses Thema auf die leichte Schulter genommen wird, gehen absolut ins Leere.“ Weit über die Hälfte aller Schulen hätten Krisenteams eingerichtet, Fortbildungen und der Einsatz von Sozialpädagogen seien ausgebaut worden. In jedem Bezirk gebe es eine Lehrkraft als speziellen Präventionsbeauftragten. Diese seien an die schulpsychologischen Beratungszentren angebunden. Die Bildungsverwaltung begrüße zudem, dass die Schulen stärker Gewaltvorfälle meldeten.
Den stärksten Anstieg bei den Gewaltmeldungen habe es bei Vorkommnissen wie Beleidigungen, Tätlichkeiten oder Drohungen gegeben, so Metter. In diesen Fällen aber könnten Hausmeisterassistenten wenig helfen. Sie könnten eher einen Beitrag für den Schutz der Schule nach außen, also vor schulfremden Personen, leisten. Dennoch bedauere auch die Bildungsverwaltung, dass dieses Angebot nicht flächendeckend genutzt wird.
Vier Bezirke wollen die Assistenten nicht
Letztlich entscheiden die Bezirke, ob Hausmeisterassistenten angestellt werden. Bislang haben das lediglich Neukölln, Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf umgesetzt. In Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf ist es geplant. Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Spandau und Steglitz-Zehlendorf haben sich gegen die Beschäftigung der Assistenten entschieden. Entscheidende Gründe sind dabei offenbar die Vertragsgestaltung und Vergütung der Hausmeisterhelfer und, damit im Zusammenhang stehend, die fehlende Zustimmung des Personalrats
„Mangel an Fachkräften und Sozialarbeitern“
Den Anstieg der gemeldeten Gewaltvorfälle müsse man sehr ernst nehmen, sagte Stefanie Remlinger, Bildungsexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Steigerung habe ihren Grund nicht allein in einem sensibler gewordenen Meldeverhalten der Schulen, ist die Abgeordnete überzeugt. Die Grundschulen bräuchten mehr Unterstützung vom Senat, vor allem mehr Fachkräfte sowie zusätzliche Schulpsychologen und Sozialarbeiter.
Schüler dürften mit Gewalt gegen Mitschüler oder Lehrer nicht durchkommen, „da darf es keine Toleranz geben“, sagte Joschka Langenbrinck. Der SPD-Politiker forderte klare Grenzen und Regeln, die konsequent durchgesetzt werden müssten. Kinder müssten Empathie lernen, das brauche Zeit, betonte dagegen die Grüne Remlinger.