Besuch in New York

Eine Wirtschaftssenatorin in New York

| Lesedauer: 6 Minuten
Lukas Hermsmeier
Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in New York. Das Wochende verbringt die 54-Jährige als Touristin dort

Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in New York. Das Wochende verbringt die 54-Jährige als Touristin dort

Foto: Lukas Hermsmeier / Hermeister

In New York umwirbt Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer Gründer und Kreative – damit sie in die Hauptstadt investieren.

Cornelia Yzer wirkt bemüht, ihre Sätze klingen etwas auswendig gelernt. „Berlin ist sehr günstig“, sagt die Wirtschaftssenatorin, „vor allem im Vergleich zu London!“ Ein Zentrum für junge Kreative sei Berlin. „Und außerdem das Tor zu West- und Osteuropa!“ Ihr Gegenüber, die ungeduldige Unternehmerin Lela Goren, nickt und nickt – und fährt dazwischen: „Wir sind ja schon längst überzeugt. Wir kommen“, sagt Goren, lächelt gütig, nach dem Motto: Schluss mit dem Werbeauftritt.

New York, das Viertel Chelsea. An der 6th Avenue, nahe des Union Square, liegt das Hauptquartier von „WeWork“, einem Unternehmen, das in den USA, Europa und Israel Coworking-Spaces anbietet. Auf zehn Milliarden US-Dollar wird die Firma bewertet – nur fünf Jahre nach der Gründung. 700 Angestellte und 40.000 Mitglieder habe man weltweit. Selbst für US-Verhältnisse ist das eine steile Geschichte.

2016 soll es auch in Berlin Coworking-Spaces nach New Yorker Modell geben

In Deutschland gibt es noch keine „WeWork“-Büros. Doch das wird sich ändern. Lela Goren, die stellvertretende Unternehmenschefin, sitzt vor einem XL-Berlin-Stadtplan und zeigt Yzer, an welchen Orten im Frühjahr 2016 Büros eröffnet werden. Torstraße, Potsdamer Platz, Zoologischer Garten. Yzer nickt. Gute Nachrichten.

Seit Montag befindet sich die Berliner Wirtschaftssenatorin in New York. Organisiert wurde die Reise vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. Gekommen sind Jungunternehmer, Investoren und Menschen, auf deren Visitenkarten „Innovator“ steht – was auch immer das bedeuten soll. Für die deutsche Delegation geht es um Wirtschaftsbeziehungen. „Brücken bauen zwischen Deutschland und der Ostküste“, lautet der Leitspruch. Für CDU-Politikerin Yzer geht es darum, den guten Ruf Berlins in Geld zu verwandeln.

Mentalitätsunterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Gründern

Erster Termin beim „German Accelerator New York“, kurz: GANY. Ein schmuckloses Bürogebäude in Downtown Manhattan. Von hier werden deutsche Start-ups auf dem Weg in den US-Markt unterstützt. Erst vor zwei Wochen wurden in Dresden die nächsten sechs Jungunternehmen ausgewählt, die sich drei Monate lang in New York probieren dürfen. Der GANY wird von Teddy Goldstein geleitet, einem gemütlichen, 44 Jahre alten Familienvater aus Philadelphia, der bis vor wenigen Jahren sein Geld als Sänger und Songschreiber verdiente.

Goldstein hat die deutsche Delegation zu Pfannkuchen und Rührei geladen und erklärt New Yorks Vorteil gegenüber dem Silicon Valley: „Hier sitzen die größten Werbe-, Finanz- und Medienunternehmen.“ Ob er einen grundsätzlichen Mentalitätsunterschied zwischen deutschen und amerikanischen Gründern feststellt? „In Deutschland ist man sehr auf das Produkt fokussiert. In New York mehr auf den Kunden“, sagt Goldstein. Dass die US-Unternehmer selbstbewusster, optimistischer und kontaktfreudiger sind als ihre deutschen Mitstreiter – da sind sich hier alle einig. Ein Teilnehmer der Delegation ergänzt: „Wenn man in Deutschland einen Bekannten mit einem anderen Bekannten vernetzen will, kommt oft die Frage zurück: Warum? In den USA ist die Antwort eher: Gerne – wann?“

Berlin hat mehr Platz als New York, wirbt die Senatorin

Cornelia Yzer hört zu, lenkt das Gespräch aber lieber wieder auf die Stärken Berlins. „Wir haben in diesem Jahr mehr Risikokapital als London eingesammelt“, sagt sie stolz. Sie wolle nun noch mehr New Yorker Firmen dazu ermutigen, in die deutsche Hauptstadt zu investieren. „In Berlin ist außerdem mehr Platz als in New York, wo es viel kompetitiver ist“, sagt sie.

Yzer galt in den 90er-Jahren als Ziehkind Helmut Kohls. Sie wurde Bundestagsabgeordnete, danach Pharmalobbyistin, dann wieder Politikerin. Ein umstrittenes Hin und Her. Seit drei Jahren ist sie Wirtschaftssenatorin in Berlin. In diesen Tagen ist Yzer, die vor 40 Jahren zum ersten Mal in New York war, Berlin-Botschafterin. Bei den meisten Terminen eine Frau unter vielen, vielen Männern.

Treffen mit Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg

Nach dem lockeren Frühstück wird es ernst. Yzer und die Start-up-Delegation treffen auf Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der war 2011 nach seiner Plagiatsaffäre zurückgetreten, 2013 gründete er in New York die Investment- und Beratungsfirma „Spitzberg Partners“. Mit der deutschen Delegation spricht er über den Start-up-Standort Deutschland. „Zwei Schreckgespenster halten Amerikaner davon ab, in Deutschland noch mehr Wagniskapital zu investieren: die deutsche Angst vor Risiko und die politische Haltung gegenüber privatem Wagniskapital. Die Heuschrecken-Schelte ist nicht vergessen“, sagt Guttenberg, der mehr Bart und weniger Haargel als früher trägt.

Guttenberg versteht sich als transatlantischer Brückenbauer. Und genau die braucht es, sagt Alexander Görlach, einer der Repräsentanten des deutschen Start-up-Verbandes an der US-Ostküste: „Menschen, die die Kultur in Deutschland und den USA kennen und vermittelnd wirken. Nur auf diese Weise können wir die Geschäftsbeziehungen in der Start-up-Ökonomie nachhaltig ausbauen“, so Görlach. Ein spezieller Brückenbau gelang dem Start-up „GoButler“. Der Concierge-Service wurde im Februar dieses Jahres in Berlin gegründet. Fernsehmoderator Joko Winterscheidt und Hollywood-Star Ashton Kutcher wurden als Investoren gewonnen. Im Frühsommer gelang die Expansion nach New York, wo heute 70 Angestellte herumwuseln.

Zwischen Berlin und Brooklyn soll es Austauschprogramme geben

Mitarbeiterin Natalie Schmitke erklärt der deutschen Reisegruppe das GoButler-System: „Jeder kann seinen ganz persönlichen Wunsch per SMS an uns schicken. Und wir erfüllen den dann.“ Das kann eine Hawaii-Pizza sein. Oder ein Friseurtermin. Auf „GoButler“ ist Yzer stolz. Ein Hauptstadt-Export. Vorbild sind Berliner Unternehmen wie Rocket Internet, Zalando, Home24 und Delivery Hero, die „Unicorns“ genannt werden, weil sie es in wenigen Jahren zu einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar geschafft haben. New York sei Inspiration, sagt Yzer. In Sachen Digitalisierung zum Beispiel. Bei einem Treffen mit Eric Adams, dem Präsidenten des Bezirkes Brooklyn, habe man ein Gründerszene-Austauschprogramm zwischen Brooklyn und Berlin anvisiert.

Das Wochenende verbringt die Senatorin als Touristin in New York. Sie will vor allem durch die Stadt laufen. Vom Werbeauftritt entspannen.