Flüchtlinge in Berlin

Das große Stühlerücken vom BER zur zentralen Aufnahmestelle

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Andreas Abel und Matthias Steube
In den Wartehallen rund um die Abfertigung am Flughafen BER stehen die Bänke bislang ungenutzt

In den Wartehallen rund um die Abfertigung am Flughafen BER stehen die Bänke bislang ungenutzt

Foto: dpa Picture-Alliance / Ulrich Baumgarten / picture alliance / Ulrich Baumga

Bänke aus dem Flughafen BER werden für die neue Aufnahmestelle von Flüchtlingen genutzt. Das Asylverfahren soll beschleunigt werden.

Die Eröffnung des Flughafens BER lässt zwar noch mindestens zwei Jahre auf sich warten, für einen Teil des Mobiliars gibt es aber immerhin eine sinnvolle Verwendung. Mehrere Hundert Sitzbänke aus dem Terminalgebäude werden im Wartebereich der künftigen Zentralen Aufnahme für Flüchtlinge (ZAA) aufgestellt. Das teilte die Senatssozialverwaltung am Freitag mit. Bundeswehrsoldaten brachten die eingelagerten Bänke von Schönefeld in das ehemalige Landesbank-Gebäude an der Bundesallee in Wilmersdorf.

Dort sollen vom 15. Oktober an Flüchtlinge registriert werden, bislang geschieht dies in einer Außenstelle des chronisch überlasteten Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit. „Die Flughafengesellschaft kommt einer Bitte der Senatsverwaltung nach, die die Bänke käuflich erworben hat“, erklärte ein Sprecher der Gesellschaft zu dem ungewöhnlichen Deal. Eingefädelt hatte ihn nach Morgenpost-Informationen Dieter Glietsch, der Staatssekretär für Flüchtlingsfragen. Der Preis wurde nicht mitgeteilt.

Ersterfassung von Flüchtlingen soll beschleunigt werden

Innensenator Frank Henkel und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) kündigten am Freitag an, das Verfahren der Ersterfassung von Flüchtlingen zu beschleunigen. Von kommender Woche an sollen Staatsanwälte direkt in die Registrierung eingebunden werden. So könnten „die häufig sehr komplexen Rechtsfragen zur Strafbarkeit der Einreise“ gleich vor Ort entschieden werden. Das entlaste die in der jetzigen Erstbearbeitungsstelle an der Kruppstraße tätigen Polizeibeamten erheblich, „weil in vielen Fällen keine unnötigen Strafverfahren eingeleitet werden“, so die Senatoren.

Linke und Piraten hatten am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gefordert, auf Anzeigen wegen illegaler Einreise zu verzichten. Das lehnte Innensenator Henkel ab. Justizsenator Heilmann sagte dazu: „Wenn wir kriminelle Schleuser auch künftig bestrafen wollen, können wir auf den Straftatbestand der illegalen Einreise nicht verzichten. Wer das will, unterstützt das Geschäft der Schleuser und Schlepper.“

In der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber wurde der Schichtdienst der Mitarbeiter ausgesetzt. Die von Lageso-Chef Franz Allert veranlasste Umstellung auf eine Frühschicht (6 bis 14.30 Uhr) und eine Spätschicht (11 bis 19.30 Uhr) hätte nicht ohne vorherige Zustimmung des Personalrats erfolgen dürfen. Das stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin in einer einstweiligen Verfügung am Donnerstag mit. Nach Auskunft der Senatssozialverwaltung würden dadurch aber nicht weniger Anträge bearbeitet, denn für den Schichtdienst habe es kein zusätzliches Personal gegeben. Das Gerichtsurteil werde in die Beratungen mit den Beschäftigtenvertretern zur Arbeitszeit in der Bundesallee einfließen, hieß es.

Unterdessen hat der Berliner Verfassungsschutz am Freitag erstmals davor gewarnt, dass radikalislamistische Organisationen im Umfeld von Flüchtlingsheimen Anhänger werben. Danach liegen der Behörde Erkenntnisse vor, dass Moscheevereine, Hilfsorganisationen und auch Einzelpersonen aus dem islamistischen Spektrum den Kontakt zu Flüchtlingen suchen.

Salafisten tauchen vor Heimen und dem Lageso auf

Personen aus der salafistischen Szene, zu der in Berlin rund 670 Personen gezählt werden, sollen demnach mehrfach vor Flüchtlingsunterkünften und anderen Einrichtungen aufgetreten sein. Dort hätten sie Werbung für ihre extremistische Interpretation des Islam gemacht. „Es steht zu befürchten, dass diese Kontaktversuche auch der Gewinnung neuer Anhänger und Unterstützer dienen könnten“, sagte Isabelle Kalbitzer, Sprecherin des Landesamtes für Verfassungsschutz. Noch sei aber unklar, ob diese Versuche der Kontaktaufnahme bei den angesprochenen Flüchtlingen auf eine messbare Resonanz stoßen werde.

Die Werber kommen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes unter anderem von der Muslimbruderschaft, der Hamas und dem Verein „Berliner Muslime“. Der Verein gehört zur radikalen Neuköllner Al-Nur-Moschee. Die Al-Nur-Moschee an der Haberstraße geriet mehrfach durch Auftritte von Hasspredigern in die Schlagzeilen. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als Zentrum fundamentalistischer und gewaltbereiter Salafisten. Die Senatsinnenverwaltung prüft bereits seit Ende Januar, ob gegen den Träger der Moschee, die „Islamische Gemeinschaft Berlin“, ein Vereinsverbot verhängt werden kann.

Auch vor dem Lageso an der Turmstraße in Moabit, wo die Flüchtlinge registriert werden, tauchen Islamisten immer wieder auf. So der radikale Prediger Abu Dharr, ein 19-jähriger Deutsch-Marokkaner, der von den Behörden als Gefährder eingestuft wird. Tom Schreiber, Innenpolitiker der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, fordert deshalb, den privaten Wachschutz am Lageso durch Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes der Polizei zu ersetzen. „Das Chaos am Lageso muss beendet werden“, so Schreiber. Er fordert Verfassungsschutz und Innenverwaltung auf, die privaten Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte darin zu unterstützen, wie sie gegen solche Werber vorgehen können. „In die jeweiligen Hausordnungen muss das Verbot solcher Anwerbeversuche aufgenommen werden, damit die Betreiber Hausverbote und Platzverweise aussprechen können“, sagte Schreiber. Dazu brauchten die Heimbetreiber Hinweise, wie das zu gestalten sei.

Innensenator Henkel sagte auf Anfrage der Berliner Morgenpost: „Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Zurzeit wird eine Handreichung für die Heimbetreiber erarbeitet, um diese zu sensibilisieren. Sie soll helfen, salafistische Anwerbungsversuche zu erkennen. Geplant sind zudem Schulungen und Vorträge.“

Den Einsatz von Objektschützern lehnt die Innenverwaltung mit dem Hinweis ab, dass zu „den relevanten Zeiten Polizei in angemessener Anzahl am Lageso und eine schnelle polizeiliche Intervention so gewährleistet sei“.