In einer guten halben Stunde mit dem Fahrrad von Zehlendorf zum Potsdamer Platz fahren – auf einem Schnellweg, ohne Störungen durch Autos oder Fußgänger, Straßenkreuzungen oder Ampeln. Diese Vision hält der Kreisvorstand der Steglitz-Zehlendorfer CDU für realistisch. Er möchte auf der Trasse der seit vielen Jahren stillgelegten Stammbahn eine „Fahrrad-Autobahn“ einrichten. Sie könnte das Pilotprojekt für weitere Fahrradschnellwege auf vorhandenen, aber ungenutzten Bahntrassen sein. Am Mittwoch stellten der Kreisvorsitzende der Südwestunion, Justizsenator Thomas Heilmann, und sein Stellvertreter, der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, die Pläne vor.
>>> Kommentar: Ein Pilotprojekt mit Chancen <<<
Die Stammbahn war die erste Eisenbahnstrecke Preußens, sie wurde 1838 eröffnet und wenige Jahre später bis Magdeburg verlängert. Sie führte vom Potsdamer Platz über Yorckstraße, Bahnhof Schöneberg, Feuerbachstraße, Zehlendorf und Düppel bis nach Potsdam. Nach 1945 wurde die Trasse nicht wieder in Betrieb genommen, zwischen Yorckstraße und Zehlendorf verläuft heute parallel die S-Bahnlinie 1. Zwischen Zehlendorf und Griebnitzsee sind die Gleise zum Teil nicht mehr vorhanden. Dennoch gab und gibt es Überlegungen, die Stammbahn wieder aufzubauen und so eine schnelle Regionalbahnverbindung zwischen der Berliner City und Potsdam zu schaffen. Auch im deutsch-deutschen Einigungsvertrag ist das Projekt vorgesehen.
Die Steglitz-Zehlendorfer CDU würde es begrüßen, wenn die Stammbahn eines Tages wieder fährt, allerdings sind Heilmann und Wellmann überzeugt, dass das noch mindestens 20 Jahre dauern kann. Und bis dahin möchten sie die Trasse intelligent nutzen und sie in den Dienst umweltfreundlicher Mobilität stellen. Der Fahrradschnellweg soll so angelegt werden, dass die Schienen nicht beseitigt werden und er im Fall der Fälle zurückgebaut werden kann. Er soll insbesondere Berufspendlern eine kreuzungsfreie und damit sichere Route vom Südwesten in die City bieten.
Servicestationen mit Duschen und Umkleiden an der Strecke
Das Konzept wurde innerhalb der vergangenen sechs Monate von einer Arbeitsgruppe entwickelt. Es sieht vor, dass an mehreren Stellen, ähnlich wie bei einer Autobahn, Rampen als barrierefreie Zufahrten auf den Schnellweg geschaffen werden. Die Route soll durch Servicestationen mit Toiletten, Umkleiden und Duschen, E-Bike-Ladesäulen, Fahrradverleih und Café ergänzt werden. Die Stationen sollen privat betrieben werden und so die laufenden Kosten finanzieren.
Überhaupt können sich Heilmann und Wellmann vorstellen, dass man das Radfahrerparadies schaffen kann, ohne öffentliches Geld in Anspruch zu nehmen. Ihr Plan: Im Jahr 2017 könnte das Land Berlin einen Pachtvertrag mit der Bahn abschließen, der die Trasse gehört. 2018 wird der Stadtwerbevertrag neu ausgeschrieben. Und darin, so Heilmann, könne das Projekt aufgenommen werden. Das Unternehmen, das die Ausschreibung gewinnt, müsste also Belag, Beleuchtung, zwei bis drei Brücken und die Zufahrtsrampen bezahlen und würde im Gegenzug die Genehmigung bekommen, Werbetafeln aufzustellen. Die Brücken sind dort notwendig, wo die Stammbahntrasse Straßen kreuzt, etwa an der Idsteiner Straße. 2020 könnte die Radroute dann fertig sein.
Die Bahn lehnt es ab, die Strecke formell zu entwidmen, weil der Wiederaufbau der Stammbahn eine langfristige Option sei, so ein Sprecher. Dem stehe aber eine Zwischennutzung nicht entgegen. Diese dürfe nur „keine Fakten schaffen“. Zudem werde sich die Bahn nicht an den Kosten für den Fahrradschnellweg beteiligen.