“Baustellenatlas“

Baustellen 2.0 sollen weniger Staus produzieren

| Lesedauer: 4 Minuten
Lorenz Vossen
In Berlin gibt es derzeit knapp 4000 Baustellen

In Berlin gibt es derzeit knapp 4000 Baustellen

Foto: Krauthoefer

Staus und Baustellen ohne Ende. Unternehmen wie Vattenfall und die BVG wollen ihre Bauvorhaben jetzt besser abstimmen – online.

Wenn von den Anforderungen der „wachsenden Stadt“ die Rede ist, dann richtet sich das auch an die, die diese wachsende Stadt mit Energie, Wasser und Mobilität versorgen. Wenn die Unternehmen, die sich um Berlins Infrastruktur kümmern, ebendiese an die Anforderungen der „wachsenden Stadt“ anpassen wollen, dann tun sie dies noch wie in den Zeiten, als Berlin noch nicht ganz so sehr am wachsen war. Sie treffen sich und bringen große Pläne aus Papier mit. Sie kommunizieren verbal. Es ist, wie Berlins Staatssekretär für Stadtentwicklung, Christian Gaebler, (SPD) formuliert, „sehr analog.“

Jetzt steigen die Unternehmen um. Mit einem neuen Instrument namens Baustellenatlas sollen Bauvorhaben in Zukunft besser koordiniert werden. Übersichtlich, transparent und online, wie die sogenannten Leitungsbetriebe versichern. Initiatoren des Projekts sind die Berliner Wasserbetriebe (BWB), die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die NBB Netzgesellschaft Berlin Brandenburg, Netzservice und Fernwärme von Vattenfall und Alliander Stadtlicht.

Jene Unternehmen also, die auf Berlins Straßen buddeln und baggern und Tausende Kilometer Leitungen und Rohre unter der Stadt liegen haben. Und viele Baustellen und Staus verursachen, weil Koordination und Absprache verbesserungswürdig sind. Knapp 4000 Baustellen kann Berlin aktuell vermelden – so viele müssten es aber nicht sein.

Rot für Strom, Gelb für Gas

Der Baustellenatlas bringt die Beteiligten zusammen, „er ist ein Marktplatz der Information“, sagt Jürgen Besler, Geschäftsführer der infrest GmbH, in der die Leitungsbetriebe zusammengeschlossen sind. Auf einer Berlin-Karte im Netz werden die Bauvorhaben eingetragen: Was soll wann und wo umgesetzt werden? Die Bereiche der Straße, wo gebaut wird, bekommen eine entsprechende Farbe, etwa Rot für Strom oder Gelb für Gas. Bei Anwählen erscheinen Informationen über Art der Baumaßnahme, den Zeitraum sowie die Kontaktdaten eines Ansprechpartners.

So entsteht eine Übersicht dessen, was auf Berlins Straßen bautechnisch aktuell passiert – und in den nächsten Jahren passieren soll. Die Nutzer können ihr Gebiet auch „beobachten“ lassen. Gibt es neue Planungen oder Statusänderungen im beobachteten Gebiet, erhalten sie eine Nachricht.

Mit dem Baustellenatlas wollen die Unternehmen vor allem Geld sparen. Müssen etwa die Wasserbetriebe eine Straße aufreißen, um ihre Leitungen zu reparieren, könnte Vattenfall an gleicher Stelle auch seine Stromkabel modernisieren – anstatt selbige Decke in der Zukunft noch einmal aufzureißen. „Die Kosten für die Aushubarbeiten und Deckenschlüsse können aufgeteilt werden“, heißt es bei infrest. Dies würde die Summe der Baumaßnahmen reduzieren.

In der Folge würden auch Anwohner und Einzelhandel profitieren: weniger Baustellen gleich weniger Staus und Stress, weniger Umweltverschmutzung. Zudem bietet der Atlas auch eine Übersicht von ungenutzten Leitungen und Rohren. Dank dieses sogenannten „Leerrohrkatasters“ sollen freie Kapazitäten ohne Aufwand und extra Tiefbau für Dritte nutzbar gemacht werden.

Andere Nutzer müssen für Baustellenatlas bezahlen

Die BVG, mit 4000 Kilometern Kabeln der zweitgrößte Leitungsbetrieb Berlins, ist von den Synergieeffekten des Projekts überzeugt. „Auf so etwas haben wir Jahre gewartet“, sagt Infrastruktur-Chef Ralf Baumann. Die BVG überschneidet sich bei ihren Arbeiten oft mit den Wasserbetrieben. „Das Ziel ist, das in Zukunft nur noch ein Unternehmen den Auftrag ausschreibt“, sagt Baumann.

Auf Seite des Senats liebäugelt man mit einer Entlastung der Verkehrslenkung (VLB). Diese muss sämtliche Bauvorhaben genehmigen, wird aber durch Personalmangel immer wieder ausgebremst. Und durch ein „Kommunikationsproblem“ der Leitungsbetriebe, wie Staatssekretär Gaebler betont.

Doch gezwungen wird niemand. „Wir können den Leitungsbetrieben lediglich empfehlen, ihre Arbeiten gemeinsam zu koordinieren“, so Gaebler. Noch sind im Baustellenatlas keine Überschneidungen von Bauvorhaben zweier Unternehmen entstanden, „wir hoffen, aber, dass es bald dazu kommt“, sagt Besler.

Seit September läuft ein sogenannter Probeechtbetrieb, den nur die initiierenden Leitungsbetriebe durchlaufen. Ab 2016 soll das Portal dann für alle zugänglich gemacht werden. Doch das kostet. Feuerwehr, Polizei, Einzelhandel oder Privatleute müssen den sogenannten Zugang „light“, der lediglich Leserechte liefert, kaufen. Für 500 Euro im Jahr.