Es ist nur eine nachgestellte Szene. Sie erinnert im weitesten Sinne an das Attentat von Terroristen in der französischen Hauptstadt Paris vom 7. Januar dieses Jahres.
Sieben Tote liegen auf dem Asphalt des Polizeiareals an der Charlottenburger Chaussee in Spandau, zwei Polizisten und drei Zivilisten. Sie alle sind in dem Kugelhagel eines offenbar terroristischen Überfalls von zwei Männern getötet worden. Die Attentäter sind ebenfalls tot. Einer ist noch in dem Auto eingeklemmt, aus dem geschossen wurde. Sein Komplize war mit einem Maschinengewehr bewaffnet aus dem Fahrzeug gesprungen und hatte damit wild um sich geschossen. Mehr als 200 Patronenhülsen, Magazine aus Schnellfeuerwaffen, abgetrennte Autoteile, zerborstene Autoscheiben. Auf mehr als 500 Quadratmetern bietet sich ein Bild des Grauens.
Jedes Detail wird untersucht
Eine Stunde nach diesem fingierten Anschlag, um 10 Uhr, wimmelt es am Tatort von in weiße Overalls gekleideten Polizeibeamten. In kleine Gruppen aufgeteilt, widmen sie sich jedem Detail, nehmen jeden noch so kleinen Hinweis auf und müssen entsprechend der Übungsvorgaben durch den Polizeistab herausbekommen, ob es Rückschlüsse auf weitere Anschläge gibt. Alle Beweisstücke werden daher in Tüten verstaut, um sie später im Labor zu untersuchen. Die Hände der Täter werden zur Sicherung möglicher Schmauchspuren mit Papiertüten überzogen. Und nachdem die Toten genauer untersucht und vom Tatort abtransportiert worden sind, wird mit der Untersuchung der beteiligten Fahrzeuge begonnen. Überall auf dem Asphalt leuchten gelbe Kreise: Von den Spezialisten eigens aufgesprühte Kennzeichnungen, um bei der Ermittlungsarbeit kein Detail aus den Augen zu verlieren.
Die Polizei hat hier einen Terroranschlag simuliert. Das Szenario erinnert an den Angriff auf die Redaktion von „Charlie Hebdo” in Paris. „Auch wenn es derzeit keine konkreten Hinweise auf einen terroristischen Anschlag hier in Berlin gibt, müssen wir darauf vorbereitet sein. Es ist vorstellbar, dass einzelne Personen zu Sturmgewehr und Handgranate greifen“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich vor Beginn der Übung. In dem Szenario feuerten Attentäter auf offener Straße wahllos um sich. Um die Situation so real wie möglich zu gestalten, wurden bei der Übung neben lebensgroßen Puppen auch Autos eingesetzt, die zuvor von der Bundeswehr mit original Einschüssen aus scharfen Waffen präpariert worden waren.
Kein Hinweis auf terroristischen Anschlag in Berlin
Das Hauptaugenmerk der am Mittwoch über mehrere Stunden dauernden Übung lag bei der Suche nach Spuren und deren Sicherung. Die 180 an der Übung beteiligten Beamten sollten zudem aus dem Beweismaterial Rückschlüsse auf mögliche weitere Anschläge ziehen. Denn nur auf deren Grundlage könnte auch eine fundierte Warnung der Bevölkerung stattfinden.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), der die Übung der Polizei verfolgte, sprach von einem „weiterhin abstrakt hohen Anschlagsrisiko” in der Hauptstadt. Konkrete Hinweise auf geplante Attentate lägen den Behörden bislang aber nicht vor.
In Paris hatten Anfang Januar zwei Islamisten die Redaktionsräume der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo” gestürmt, die mehrfach mit Mohammed-Karikaturen für Aufsehen gesorgt hatte. Die beiden Angreifer erschossen zwölf Menschen. Sie wurden nach zweitägiger Flucht schließlich bei einem Polizeieinsatz nördlich von Paris getötet. Das Pariser Attentat hatte auch in Berlin im Umfeld von Medienanstalten zu einer erhöhten Polizeipräsenz geführt.
Polizei übt regelmäßig Einsatzsituationen
Die Polizei führt regelmäßig Übungen zu außergewöhnlichen Situationen durch. So erst vor zwei Monaten, als eine Amoklage in einer Schule minutiös und mit großem Aufwand szenisch nachgestellt wurde. Schüsse fielen, zwei mit Pistolen bewaffnete Männer stürmten in ein Oberstufenzentrum an der Gustav-Adolf-Straße in Weißensee. 350 Schüler – für die Übung waren eigens Polizeischüler aktiviert worden – hielten sich in dem Gebäude auf. Laute Schreie, die bis auf die Straße zu hören waren, und immer wieder Schüsse. Die Täter nahmen Geiseln und zogen sich auf dem Gelände zurück. Die Lage schien unübersichtlich, doch zum Schluss gelang es, die Täter zu überwältigen.
„Es ist eine der härtesten Polizeiübungen seit Jahren“, sagte ein Polizeisprecher. Doch bei dieser Übung im Juli dieses Jahres, die auch über die Berliner Stadtgrenze hinweg große Beachtung fand, ging es weniger um die Tatortarbeit. Stattdessen wurde damals das Zusammenspiel mehrere operativer Polizeieinheiten sowie des Rettungsdienstes geprobt. Die Auswertung des Materials dauert an.