Hells Angels & Co.

Rund 20 kriminelle Rockerclubs sind in Berlin aktiv

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Rüdiger Finke
 Rocker der Gruppe „Red Devils“ am Alexanderplatz: Die „Red Devils“ gelten als Unterstützer der „Hells Angels“

Rocker der Gruppe „Red Devils“ am Alexanderplatz: Die „Red Devils“ gelten als Unterstützer der „Hells Angels“

Foto: Hannibal Hanschke / dpa

Zuletzt ist es ruhiger geworden um die Rocker. Strafprozesse laufen und sichtbare Gewalt ging zurück. Das Problem ist aber nicht gelöst.

Öffentlich sorgen Rocker in Berlin seit einiger Zeit nicht mehr für großes Aufsehen, verschwunden sind die kriminellen Rockerclubs aber nicht. Rund 20 dieser Vereinigungen sind nach Ansicht der Sicherheitsbehörden nach wie vor in der Hauptstadt aktiv. Sie sind auch mit Clubs im Brandenburger Umland vernetzt, teilweise haben sie sich dorthin verlagert. Das teilte die Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Innenpolitikers Tom Schreiber mit.

Der Senat schätzt die Zahl der Rocker, die im kriminellen Milieu aktiv sind, auf rund 1000. Durch die zahlreichen Ermittlungen und Maßnahmen gegen diesen Personenkreis in den vergangenen Jahren habe es weniger Großveranstaltungen gegeben. Da daneben auch wegen des sogenannten Kuttentrageverbotes die Abzeichen verbotener Vereinigungen in der Öffentlichkeit nicht mehr verwendet wurden, seien die Angehörigen entsprechender Clubs nicht mehr so leicht erkennbar, heißt es in der Senatsantwort.

Bandidos-Mitglieder wechseln auch zu den Hells Angels

Die Sicherheitsbehörden sind dennoch der Ansicht, dass sich die Schätzung „aller in Berlin agierender polizeilich relevanter Rockergruppierungen“ nicht verändert hat. Allerdings wurde festgestellt, dass einzelne Mitglieder der Szene die Clubs gewechselt haben. So wird unter anderem vermutet, dass in den vergangenen fünf Jahren etwa 150 Berliner Rocker von den Bandidos zu den rivalisierenden Hells Angels oder deren Unterstützer-Clubs überliefen.

Zahlreiche Rockerbanden finanzieren sich nach Ansicht der Polizei durch kriminelle Aktivitäten wie Drogen- und Frauenhandel oder auch Schutzgelderpressung. Laut Innenverwaltung gelten als „polizeilich relevant“ neben den Hells Angels und Bandidos auch Gruppen wie Gremium MC, Born to be Wild, Rolling Wheels, Streetfighters oder Mesopotamias.

Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden gibt es deutliche Verzahnungen der Rockerszenen Berlins und Brandenburgs. In der Senatsantwort heißt es, dass die Strukturen in den Ländern zwar unterschiedlich seien, es handele sich aber „um einen gemeinsamen Handlungsraum“. Demnach „war in den vergangenen Jahren erkennbar, dass Rockergruppierungen zum Teil Standorte in das Land Brandenburg verlagert haben, aber dennoch weiter in Berlin aktiv sind“. Schreiber sieht die Antworten der Senatsinnenverwaltung auf seine Anfrage als Beleg dafür, dass „die Geschäfte der Rockergruppen weiter laufen“. Viele Dinge fänden unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit statt. „Das ist zurzeit die Ruhe vor dem Sturm.“

Teilweise Aufhebung des "Kuttentrageverbots"

Die Innenverwaltung bestätigte in ihrer Antwort auch, dass es Kontakte zwischen Angehörigen des Clubs Gremium MC und der rechtsextremistischen Szene gibt. Sie bestehen zwischen Einzelpersonen. Die Sicherheitsbehörden haben keine Erkenntnisse darüber, ob der Gremium MC und Organisationen der rechtsextremistischen Szene gemeinsame Strukturen oder Organisationen unterhalten, um politische oder kriminelle Ziele zu erreichen. „Das trifft im Einzelfall auch auf Funktionsträger der Nationaldemokratischen Partei (NPD) zu“, schreibt die Senatsverwaltung. Festgestellt wurde aber, dass einzelne Rechtsextremisten in der Vergangenheit Mitglieder von Rockergruppen geworden sind.

Bedauert wird seitens des Berliner Senats die teilweise Aufhebung des „Kuttentrageverbots“ durch den Bundesgerichtshof (BGH). Im Kampf um ihre symbolträchtigen Club-Lederwesten hatten Rocker vor dem BGH im Juli einen Erfolg errungen: Sie dürfen nicht pauschal bestraft werden, wenn sie ihre Kutten tragen. Voraussetzung ist dabei laut dem Urteil, dass auf den Kleidungsstücken die Ortsbezeichnung einer Gruppe, auch Chapter genannt, angebracht ist, die nicht verboten ist, entschied das oberste Gericht in Karlsruhe (Az.: 3 StR 33/15). Hintergrund der Entscheidung war eine Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Bochumer Landgerichts. Die Richter hatten im Oktober 2014 zwei Bandidos aus Nordrhein-Westfalen freigesprochen. Sie hatten Strafen für das Tragen ihrer Kutten zahlen sollen, weil andere Bandidos-Gruppen in Aachen und Neumünster verboten sind.

Clubsymbole nicht verbotener Ortsgruppen dürfen nunmehr wieder öffentlich gezeigt werden. Die Berliner Behörden haben festgestellt, dass dies auch in Berlin wieder geschieht. Auf die Anfrage des Innenexperten Schreiber, ob das Land Berlin nun eine Bundesratsinitiative anstrebt, um diese Gesetzeslücke deutschlandweit zu schließen, antwortete der Senat, dies in der Innenministerkonferenz zu beraten, wenn die schriftliche Urteilsbegründung des BGH vorliege.