Der Mann fällt auf. Er hat einen roten Bart, trägt ein langes, weißes Gewand und eine weiße Kappe, die er sogar vor Gericht aufbehalten darf. Abdelkader D., Imam in einer Berliner muslimischen Gemeinde, ist angeklagt wegen sexueller Nötigung. Vor dem Moabiter Kriminalgericht schweigt der 51-Jährige. Begonnen hatte alles mit einem Hilferuf des 47-jährigen Abdeljelil R. – eines tunesischstämmigen Busfahrers, der verhindern wollte, dass sich seine Frau, Dounya R., von ihm trennt.
„Ich bin ein gläubiger Mensch“, sagt Abdeljelil R. vor Gericht. „Deswegen bin ich auch zum Imam gegangen.“ Und der versprach zu helfen. Es sollen Wort wie „verhext“ und „von bösem Geist“ gefallen sein; gemeint war die junge Ehefrau. Das Heilprozedere fand dann in Britz, im Schlafzimmer der Dounya R. statt – den Gatten hatte sie schon einige Monate zuvor aus der Wohnung geworfen. Sie habe bei der Therapie des Imams mitgemacht, weil sie neugierig gewesen sei, sagt sie vor Gericht. Auch sei sie von ihrem Ex-Mann, der die Trennung nicht wahrhaben wollte, massiv bedrängt worden. Und immerhin hätten sie ja eine gemeinsame Tochter.
Sie selbst habe aber nie an die Therapie geglaubt: „Für mich gab es kein Zurück.“ Im Anklagesatz steht, der Imam habe die Eheprobleme „durch ein hypnotisches Ritual“ lösen wollen. Das Ehepaar musste sich auf das Bett legen. Abdelkader D. forderte, dass sie auf Arabisch ständig den Satz „im Namen des Gottes“ wiederholen und dabei tief atmen. Er selbst zitierte aus dem Koran. Außerdem soll der Imam während der fast dreistündigen Prozedur die sich nach eigener Aussage vergeblich wehrende Dounya R. immer wieder angefasst haben. Auch an sehr intimen Stellen. Beide Ehepartner sagen vor Gericht, dass sie sich in einer Art Trance befunden hätten. Als ihr schlecht geworden sei, so Dounya R., sei sie von dem Imam bis ins Bad verfolgt worden. Auch dort soll er sie massiv bedrängt haben.
Normalerweise steht bei derartigen Verfahren Aussage gegen Aussage. Aber dies ist ja ein ganz spezieller Fall: Es war ein Dritter dabei. Und Busfahrer Abdeljelil R. will durchaus bemerkt haben, dass sich seine Frau während der Therapie mit Armen und Beinen immer wieder bewegte. Er habe geglaubt, dass es der böse Geist sei, der sie nun verlasse, sagt er vor Gericht. Aber er will „aus den Augenwinkeln“ auch gesehen habe, wie der Imam Donya mehrfach anfasste, am ganzen Körper. Später habe er einen anderen Imam gefragt, ob das üblich sei. Es sei strikt verneint worden.
Dounya R. hatte ihren Mann nach der Trennung vier Mal angezeigt. Wegen Bedrohung und Beleidigung. Es gab aber keinen Prozess. Ihr Ex-Mann spricht von haltlosen Vorwürfen. Der Prozess wird am 11. September fortgesetzt.