3060 Mobilfunkmasten ragen laut Bundesamt für Strahlenschutz in den Berliner Himmel. Als in den 90er-Jahren immer mehr Basisstationen installiert werden sollten, gab es auch in Berlin und Brandenburg Widerstand. Inzwischen haben die Proteste abgenommen. Geblieben ist die Unsicherheit.
Forscher gehen bis heute auf Spurensuche im Körper. Eine von ihnen ist Heidi Danker-Hopfe, Leiterin des Kompetenzzentrums Schlafmedizin an der Berliner Charité. In ihrem Labor in Steglitz untersuchen sie und ihr Team, wie sich elektromagnetische Felder auf die Schlafqualität auswirken. 20 Probandinnen – alles Frauen über 60 Jahre – liegen hier je zehn Nächte mit Elektroden verkabelt in einem abgedunkelten Raum und schlafen für die Wissenschaft. Die Ergebnisse kennt die Forscherin noch nicht, da erst nach Abschluss aller Messungen aufgelöst wird, wer wann welche Versuchsbedingung hatte. Doppelblindstudie nennt sich das.
Erste Untersuchungen
Danker-Hopfe und ihr Team untersuchten schon einmal die Wirkung von hochfrequenten Feldern, damals an jungen Männern. „Es gab keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Schlafqualität“, sagt sie. Und trotzdem: „Einigen Menschen geht es offenbar schlecht. Wir müssen vorsichtig sein, Schlüsse zu ziehen.“
Auch Computer, Fernseher, Radiostationen sorgen für elektromagnetische Felder in der menschlichen Umgebung. „Als die ersten Sendetürme fürs Fernsehen aufgestellt wurden, hat das kaum jemanden gestört“, sagt Hans Dorn, der Ingenieur des Teams. „Die Sichtbarkeit der vielen Mobilfunkantennen spielt eine Rolle.“ Danker-Hopfe stieß zum ersten Mal auf das Thema Elektrosmog, als 2001 eine Bürgerinitiative in Ostfriesland gegen einen neuen Sendemast auf einem örtlichen Sportplatz protestierte.
Mit dem Finger gingen die Forscher die Landkarte entlang und suchten nach entlegenen Dörfern in hügeliger Landschaft, die nur eine Zufahrtsstraße haben. Nach Plätzen, an denen es möglicherweise kein Funknetz gibt. „Das ging damals noch“, sagt sie. Der größte von zehn Untersuchungsorten hatte etwas mehr als 600 Einwohner. Sie stellten zwei Wochen lang einen Sendemast auf. Einige klagten über Schlafprobleme. Allerdings unabhängig davon, ob der Sendemast in Betrieb war oder nicht. Umgekehrter Placeboeffekt, nennt Danker-Hopfe das.
Die Linien der Hirnströme auf dem Bildschirm zeigten im Labor teilweise kleine Veränderungen an. Zu wenig, um als Ursache für Schlafprobleme gelten zu können, sagt sie. Inzwischen sind Tests in natürlicher Umgebung überhaupt schwierig. „Man müsste nachweisen, dass jemand anders schläft, wenn es keine Strahlung gibt. So was ist heute schon fast nicht mehr möglich“, sagt die Forscherin.
Jeder Kopf wird milimetergenau vermessen
Danker-Hopfe forscht an ihren Probanden inzwischen unter Laborbedingungen. 23 Kabel kleben ihre Mitarbeiter am Kopf einer Testperson fest: am Kinn, um die Augen, auf der Stirn. Jeder Kopf wird dazu millimetergenau vermessen. Hans Dorn platziert in einem selbst entworfenen Kasten auf dem Nachttisch Kabel und Messgeräte. Anschließend schlafen die Probandinnen auf einem ein Meter breiten Bett. Weiße Laken, weiße Wände, ein lichtundurchlässiger Vorhang.
An der Decke ist eine Kamera montiert. Über Mikrofon sind die Schlafenden mit dem Nachtdienst im Raum nebenan verbunden. „Falls mal jemand auf Toilette muss“, so Danker-Hopfe. Dann geht das Licht aus. Die Probandinnen werden in einigen Nächten mit simulierten Mobilfunkstrahlen bespielt, in anderen wieder nicht. Auf einem Bildschirm zeichnen mehrere Linien das nach, was später mehr über die Schlafqualität verraten soll: Gehirnströme, Augenbewegungen, Muskelzucken. So suchen die Wissenschaftler nach Zahlen für etwas, das bislang aus Beschreibungen von Betroffenen bekannt ist.
Dabei gibt es nur wenige Stimmen. Selten kommt heute ein Patient in die Sprechstunde, der sich über Schlafprobleme wegen Elektrosmog beschwert. „Vielleicht einmal im Jahr“, sagt sie. Auch die Mobilfunkgegner sind inzwischen leiser geworden. Einer von ihnen ist Hermann Wiesing. Noch vor fünf Jahren kämpfte er in seinem Wohnort Beetzsee, eine Stunde Autofahrt von Berlin entfernt, mit einer Bürgerinitiative gegen ein Mobilfunkunternehmen. Damals sollte im Naturschutzgebiet der Gemeinde ein neuer Handymast entstehen. „Hundert Meter vom See, größer als die Kirche“, sagt er. Weil der Eingriff in die Landschaft zu groß gewesen wäre, konnte er den Bau abwehren. „Wenn wir damals mit Elektrosmog gekommen wären, hätte das nicht funktioniert.“
„Für Handystrahlen sind keine gesundheitlichen Schäden nachweisbar“
Einig sind sich die Wissenschaftler darin, dass hochfrequente elektromagnetische Felder zu Erwärmungen führen können. Andere Wirkung mit Bedeutung für die menschliche Gesundheit sind bis heute umstritten. Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten könnten sie auslösen, besagen manche Studien. „Für Handystrahlen sind keine gesundheitlichen Schäden nachweisbar“, sagt Monika Hotopp, die Pressesprecherin des Bundesamts für Strahlenschutz auf Nachfragen.
An der Charité gleicht die Suche nach Krankheitssymptomen einem Ausschlussverfahren. „Mit unserem Projekt wollen wir prüfen, ob Alter oder Geschlecht eine Rolle spielen“, sagt Danker-Hopfe. Es werden nur gesunde Probandinnen untersucht. Die Forscherin versucht alle Störfaktoren auszuschließen. Halten Sie Mittagsschlaf? Trinken Sie abends Kaffee? Haben Sie Sorgen? „Es gibt viele Gründe, warum ein Mensch schlecht schläft“, so Danker-Hopfe. Am Ende sollen bestenfalls nur die Handystrahlen übrig bleiben. Vor Jahren wollte Danker-Hopfe mit ihrem Team eine Studie mit Betroffenen machen, die über Elektrosmog klagen. Sie wollte sie in einem Raum mit simulierten Mobilfunkstrahlen schlafen lassen. Sie nahm Kontakt mit dem Bundesverband auf. „Der wollte die Studie aber nicht unterstützen“, sagt sie.
Neue Starkstromtrassen
Danker-Hopfe befürchtet eine neue Welle von Beschwerden. „Wenn in Deutschland die neuen Starkstromtrassen gebaut werden, dann könnte es wieder Besorgnis mit Schlafstörungen geben.“ Hochspannungsleitungen bewegen sich in einem anderen Frequenzbereich als Mobilfunk. Dafür sind die Felder zum Teil spürbar. „In der Nähe von Starkstromleitungen richten sich die Haare auf“, so Hans Dorn.
Danker-Hopfe bleibt trotzdem gelassen. „Auch bei Mobilfunkanlagen lassen sich die meisten Schlafprobleme durch einfache Verhaltensänderung ausschalten“, sagt sie. „Wenn man das Handy nachts ausschaltet, dann klingelt es nicht mehr.“
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