Potsdam/Großräschen. Nun fuhren sie doch noch gemeinsam in den Bussen durch die Lausitz, die Berliner und Brandenburger Parlamentarier. Der Versuch, sich beim strittigen Thema Energie anzunähern, drohte bereits an der Programmgestaltung für den Ausflug der beiden Wirtschaftsausschüsse zu scheitern.
Die braunkohlekritischen Hauptstädter wollten unbedingt mit Braunkohlegegnern sprechen, das sahen die Gastgeber jedoch nicht vor. Doch dann bemühten sich die Abgeordneten der beiden Länder auf der Tour wenigstens um ein bisschen Harmonie. Es wurden sogar weitere Treffen vereinbart.
Proschim nicht besichtigt
Die Berliner verzichteten auf den von ihnen ursprünglich avisierten Abstecher zum Dorf Proschim, dessen Bewohner verzweifelt gegen die geplante Abbaggerung kämpfen. Deren Häuser sollen dem erweiterten Tagebau Welzow-Süd weichen, da der schwedische Energiekonzern Vattenfall etwa ab dem Jahr 2026 zusätzlich 200 Millionen Tonnen Braunkohle fördern möchte. 2024 soll der Tagebau hier angekommen sein. Doch die Kohlegegner machten sich durchaus bemerkbar. Sie kamen auch zur Sitzung des Ausschusses nach Großräschen. Die „Allianz für Welzow“ verteilte eine Broschüre: „Was Sie nicht sehen sollen – die zwei Gesichter der Kohle-Abbaggerung rund um Welzow“.
Brandenburg plant laut Koalitionsvertrag den Ausstieg langfristig – bis zum Jahr 2040. Bis dahin soll die Rund-um-Versorgung mit erneuerbaren Energien sichergestellt – und der Strukturwandel in der Region bewältigt sein. „Die rot-rote Landesregierung steht zur Braunkohle“, machte Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) deutlich. „Tausende von Arbeitsplätze hängen von ihr ab.“
Den Berliner Abgeordneten geht der Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohle viel zu langsam. Der Grüne Andreas Otto twitterte aus der Lausitz: „Nicht warten, sondern loslegen. Es wird eine Lausitz ohne Kohle geben. Es ist bloß die Frage, wann.“
Große Koalition will über Klimaabgabe entscheiden
Das Wann hängt nicht nur von Brandenburg, sondern auch von Entscheidungen auf der Bundesebene ab. Die große Koalition wird nach Angaben von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 1. Juli über die von ihm geplante Klimaabgabe für Kohlekraftwerke entscheiden. „Derzeit liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch, wie der Energiesektor bis 2020 zusätzliche 22 Millionen Tonnen Treibhausgas einsparen soll“, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin. Nämlich die Kohleabgabe für alte Kraftwerke und eine Variante, die von Nordrhein-Westfalen und der Gewerkschaft IG BCE vorgeschlagen wird. Danach sollen Kohlekraftwerke schrittweise vom Netz gehen. Der Nachteil sei, dass der Bundeshaushalt belastet werde und die Umlage für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erhöht werden müsse. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuvor bestritten, dass es in der großen Koalition bereits eine Einigung gebe, auf die von Gabriel angedachte Kohleabgabe zu verzichten.
Nach Informationen der Berliner Morgenpost favorisiert Gabriel nun den Alternativvorschlag. Die von ihm bislang geplante Abgabe gefährde Tausende von Arbeitsplätzen, hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den bisherigen Plan kritisiert. Käme die Klimaabgabe, müsste Vattenfall das Braunkohle-Kraftwerk in Jänschwalde, in dem 800 Menschen beschäftigt sind, wohl vorzeitig vom Netz nehmen. Energieminister Gerber zeigte sich am Mittwoch daher optimistisch. Gabriels Aussage deutet darauf hin, dass die Strafabgabe gegen die Kohle nicht eingeführt wird“, sagte Gerber. Dies wäre „eine energiepolitisch verträglichere Lösung, mit der Strukturbrüche in den Bergbaurevieren vermieden werden können“.
Aus Sicht Brandenburgs war die Tour mit den Berliner Politikern ein Erfolg. „Unsere Fahrt hat gezeigt, wie wichtig Gespräche vor Ort sind“, sagte der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ralf Holzschuher. Einig waren sich alle, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden müsse – und der Strukturwandel in der Lausitz noch intensiver angepackt gehöre. Die Brandenburger Grünen-Abgeordnete Heide Schinowsky sagte der Berliner Morgenpost: „Niemand fordert den sofortigen Ausstieg. Der Strukturwandel in der Lausitz ist aber überfällig.“
Sorge ums Berliner Trinkwasser
Die Berliner interessierten sich vor allem auch dafür, ob ihr Trinkwasser durch die zunehmende Verockerung der Spree gefährdet ist. Es gab von Brandenburger Behörden dafür Entwarnung. Brandenburg hat zusammen mit Sachsen ein Maßnahmepaket gegen die „braune Spree“ gestartet. „Aus heutiger Sicht müssen sich die Berliner keine Sorgen machen, was ihre Wasserqualität betrifft“, versicherte Brandenburgs Regierungschef Woidke jüngst. Die beiden Umweltschutzorganisationen Greenpeace und der BUND Brandenburg hatten Strafanzeige gestellt, weil Eisenhydroxid in die Spreezuflüsse fließt und das Wasser braun verfärbt. Am Mittwoch gab die Staatsanwaltschaft Cottbus nun bekannt, dass sie den Vorwurf nicht bestätigt sieht, wonach Vattenfall bei der Einleitung von Sümpfungswässern die für den Tagebau Welzow-Süd die festgelegten Überwachungswerte für Eisenhydroxid überschritten habe.