Wenn Angehörige rivalisierender Großfamilien in Berlin miteinander in Streit geraten, wenden sie sich üblicherweise nicht an Polizei und Justiz, sondern regeln das unter sich. Das gilt selbst in Fällen, in denen die Justiz bereits tätig wurde und der Streit vor Gericht landet. Wie derartige Regelungen aussehen können, zeigte sich am Freitagmittag im Amtsgericht Tiergarten. Mitten in einer Verhandlung gingen etwa zwei Dutzend Personen plötzlich aufeinander los. Die Folge: Zwei Verletzte, darunter ein Justizwachtmeister, und ein teilweise demolierter Verhandlungssaal. Zuerst hatte „Spiegel Online“ darüber berichtet.
Auf der Anklagebank hatte kurz zuvor ein Mitglied einer aus Afghanistan stammenden Großfamilie Platz genommen. Er war angeklagt, weil er einen Angehörigen einer anderen Familie mit libanesischen Wurzeln in einem Berliner Sportstudio attackiert und verletzt haben soll. Im relativ kleinen Zuschauerbereich des Saals 101 saßen zur Verhandlung Angehörige und Unterstützer beider Familien. Nach Angaben von Augenzeugen kam es dabei unter den Gruppen schnell zu gegenseitigen Provokationen, die dann schließlich ausarteten.
Zuerst waren es zwei Zuschauer, die aufeinander losgingen. In kürzester Zeit stieg die Zahl der Beteiligten an der einsetzenden Massenschlägerei auf knapp 30 Personen an. Dass die Auseinandersetzungen bereits nach einigen Minuten unter Kontrolle gebracht wurden, ist offenbar der Tatsache zu verdanken, dass angesichts der bekannten Brisanz des Verfahrens nicht nur eine größere Anzahl an Justizwachtmeistern bereitstand, sondern sich auch Polizeibeamte zur zusätzlichen Absicherung im und vor dem Gerichtsgebäude befanden.
Holztür zerbricht, eine Eichenbank fliegt umher
Dennoch hatten Polizisten und Justizbedienstete einige Mühe, die Beteiligten zu trennen und wieder für Ruhe zu sorgen. Zuvor wurde allerdings ein Justizwachtmeister von einer umherfliegenden Wasserflasche getroffen und kam mit Verletzungen in ein Krankenhaus. Auch einer der Beteiligten wurde verletzt und musste ärztlich versorgt werden.
Bei der Schlägerei ging eine Holztür, die den Verhandlungssaal vom Zuschauerbereich trennt, zu Bruch. Eine schwere Eichenbank flog durch die Luft und wurde ebenfalls demoliert. Der Richter zog sich nach Beginn der Schlägerei eilig ins Beratungszimmer zurück, der Prozess wurde nach der erzwungenen Unterbrechung nicht wieder aufgenommen. Justizsprecher Tobias Kähne bestätigte am Freitagnachmittag lediglich, dass es zu der Schlägerei mit offenbar zwei Verletzten gekommen war. Zur Identität der beteiligten Personen äußerte er sich hingegen nicht.