Am Montagabend hatten die Berliner das Wort. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller hörte zu. Den Bürgerplattformen verspracht er eine engere Zusammenarbeit - und lud sie ins Rote Rathaus ein.

Es ist sind selbstbewusste Worte, um einen Regierenden Bürgermeister zu begrüßen. „Wir strecken unsere Hand in Ihre Richtung“, sagt der Mann auf der Bühne, „und wir hoffen, Sie nehmen unsere Hand an.“ Es ist eine Begrüßung, nach der Michael Müller darauf achten muss, was er sagt an diesem Abend vor rund 600 Zuhörern in der Mehrzweckhalle auf dem Rütli-Campus in Neukölln.

Es geht um direkte Bürgerbeteiligung und es ist nicht so, dass der Sozialdemokrat Michael Müller mit diesem Thema nur gute Erfahrungen gemacht hätte. Drei Berliner Bürgerplattformen haben den Senatschef eingeladen, als Auftakt für regelmäßige Gespräche, wie sie sagen. Nach eigenen Angaben kann das Netzwerk, das seit 15 Jahren besteht, rund rund 100.000 Bürger in Berlin erreichen. Allein schon ihre Namen klingen wie die Ansage, Druck auf die Politik zu machen, wenn es sein muss. Sie heißen: „So! Mit uns“ (Berlin-Südost), „Wir sind da“ (Wedding-Moabit) und, ziemlich siegesgewiss: „WIN“ (Neukölln).

Die Botschaft an Müller: Entweder miteinander oder gegeneinander. Um nicht weniger als das Grundsätzliche soll es gehen – und damit man sich nicht in Inhalten verheddert, haben die Bürgerinitiativen im Vorfeld angekündigt, an diesem Abend keine Projekte zu diskutieren. Noch nicht.

Müller hört eine Stunde lang zu

Stattdessen hört der Regierende an diesem Abend eine Stunde lang Vorträgen von Bürgern zu. Menschen, denen man nur applaudieren kann für ihren Einsatz. Da erzählt ein Vater, wie er sich dafür einsetzt, dass alle Kinder in Wedding gute Schulbildung bekommen. Da erzählt ein 72-Jähriger aus Schöneweide, wie er mit seinen Mitstreitern den Stadtteil wieder belebt hat, der nach der Wende so sehr am Boden lag.

Da erzählt der Vorsitzende einer muslimischen Gemeinde, dass seine Frau auf der Straße angespuckt wurde weil sie ein Kopftuch trägt, aber er sich trotzdem unermüdlich für Verständigung zwischen allen Bürgern und Religionen einsetzt. Da erzählt ein junger Mann aus dem Rollbergviertel, dass er nun Abitur gemacht hat und seinerseits Jugendlichen hilft, die Hilfe brauchen.

All das ist auch Überzeugungsarbeit. Erst kürzlich hatte der Regierende vor direkter Demokratie gewarnt. Sie würde nicht immer „ein Mehr an Demokratie“ bedeuten, sondern sei oft ein Instrument für Gruppen, die sich auch vorher schon artikulieren konnten, sagte Müller. Er meint: viele Ansinnen von Initiativen seien nicht sozial, sondern egoistisch.

In den vergangenen Jahren hat der Widerstand von Bürgern zugenommen in Berlin. Müller weiß wie es sich anfühlt für ein Projekt zu werben und dabei ständig in wütende Gesichter zu schauen. Als Bausenator sollte er den Widerstand gegen die geplante Bebauung des Tempelhofer Feldes brechen. Das ging aus Sicht des Senats gründlich schief.

Müller sagt, als er die Bühne betritt: „Wenn Sie Lust haben, machen wir das nächste Treffen im Roten Rathaus.“ Damit ist klar, dass er das Angebot annimmt, mit den Bürgerplattformen zu arbeiten - nicht gegen sei. Allgemein zumindest. Das gibt Applaus.

Gleichwohl macht Müller klar, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt. Er lobt die Präsentation der Bürgerplattform und sagt: er habe sofort ein Foto gemacht von den Jugendlichen auf der Bühne, die Schilder wie „Auf Augenhöhe“ und „Nicht Aufgeben“ in die Höhe hielten. Was er betonen will: Bürger sollen solidarisch sein, sich gemeinsam für etwas einsetzen. Aber: Politik und Verwaltung würden dabei stets ihre Berechtigung behalten.