Nahverkehr

Deutsche Bahn behält die S-Bahn noch bis 2026

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Thomas Fülling

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Weil der Senat mit der von der Neu-Ausschreibung nicht vorankommt, kann die Bahntochter das Gros der Linien länger betreiben - darunter die fahrgaststarken Linien S1, S2 und S7.

Der Betrieb der Berliner S-Bahn bleibt auch nach 2017 weiter fest in der Hand der bundeseigenen Deutschen Bahn. Ungeachtet der zahlreichen Probleme in der Vergangenheit will der Senat jetzt langjährige Übergangsvereinbarungen mit dem aktuellen Betreiber, der S-Bahn Berlin GmbH, schließen. Danach kann die Bahntochter die Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd teilweise noch bis Ende 2026 betreiben. Konkret geht es um zehn Strecken, darunter die fahrgaststarken Linien S1 (Wannsee–Oranienburg, bis März 2026), S2 (Bernau–Blankenfelde, bis Mai 2025) und S7 (Potsdam–Ahrensfelde, bis Juli 2025).

Senat plant Direktvergabe

Die im Europäischen Amtsblatt am 3. Juni veröffentlichte Direktvergabe ist eine Folge der schleppenden, von zahlreichen politischen Querelen überschatteten Neuvergabe des Milliardenauftrags für den S-Bahn-Betrieb. Nach EU-Recht müssen die Länder Berlin und Brandenburg die Leistungen nach Ende des aktuellen Verkehrsvertrages mit der Bahn am 15. Dezember 2017 europaweit ausschreiben. Alternativ käme noch eine Direktvergabe des Milliardenauftrags an ein landeseigenes Unternehmen wie etwa die BVG in Frage. Nach langem politischen Hin und Her entschloss sich 2012 der Senat, zunächst das sogenannte Teilnetz Ring und damit rund ein Drittel des Berliner S-Bahn-Verkehrs auszuschreiben. Die anderen beiden Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd sollten im Anschluss folgen.

Ausländische interessenten springen ab

Doch bereits das erste Vergabeverfahren, das aufgrund von juristischen Mängeln im April 2013 komplett neu gestartet werden musste, droht für den Senat zum Desaster zu werden. Obwohl Unternehmen aus aller Welt Interesse an dem prestigeträchtigen Auftrag aus der deutschen Hauptstadt bekundeten, hat nach Ende der Ausschreibungsfrist im März offenbar nur der bisherige Betreiber, die S-Bahn Berlin GmbH, auch tatsächlich ein Angebot abgegeben. Namhafte Anbieter wie National Express aus England, MTR aus Hongkong oder die Betreiberin der Pariser Metro, die RATP aus Frankreich, hatten zuvor das Handtuch geworfen. Anschließend wurden Klagen über die einseitige Verteilung von Risiken und die Kompliziertheit des Verfahrens laut.

400 neue S-Bahn-Wagen

Als besonders hohe Hürde erweist sich offenbar die Forderung des Senats, dass der künftige Betreiber auch die nötigen Neubaufahrzeuge mitbringen soll. Die neuen Züge – rund 400 Wagen allein für die Ringbahn-Linien – kosten je nach Ausstattung zwischen 800 Millionen und eine Milliarde Euro. Lediglich der Bahnkonzern konnte in Deutschland bisher Fahrzeugbeschaffungen dieser Größe stemmen. Eine Trennung von S-Bahn-Betrieb und Fahrzeugbeschaffung, wie sie etwa die Grünen, die Linke, aber auch die Fahrgastverbände forderten, scheiterte am Widerstand der rot-schwarzen Regierungskoalition.

Zuschlag erst im Herbst

Nach den letzten Aussagen von Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD), soll im Herbst 2015 feststehen, wer die Ringbahn-Linien S41 und S42 sowie die drei Zubringer-Linien S46 (Hauptbahnhof–Westend–Königs Wusterhausen), S47 (Spindlersfeld–Südkreuz) und S8 (Hohen Neuendorf–Zeuthen) einmal befahren wird. Erst danach kann der Betreiber überhaupt die neuen Züge bestellen. Weil die Züge der Berliner S-Bahn Spezialanfertigungen sind, die nirgendwo anders eingesetzt werden können, vergehen nach Angaben der Fahrzeugindustrie mindestens vier Jahr, bis der Prototyp der nächsten S-Bahn-Generation auf den Schienen steht. Auch wegen der Erfahrungen aus der Vergangenheit, als die S-Bahn-Züge etwa im Winter wegen Konstruktionsmängeln reihenweise ausfielen, empfehlen Experten eine mindestens zwölfmonatige Erprobung im Alltagsbetrieb. Dies praktiziert die BVG bereits bei neuen Straßenbahnen und U-Bahnen mit sichtbarem Erfolg. Erst nach einer Testphase von mindestens einem Jahr soll etwa die neue U-Bahn-Baureihe IK in Serie gehen.

Oldtimer müssen länger fahren

Die Verzögerungen bei der Ringbahn-Ausschreibung sind der Hauptgrund dafür, dass die knapp 400 neuen S-Bahn-Wagen frühestens 2023 komplett ausgeliefert sein werden. Bis dahin muss die S-Bahn weiter Fahrzeuge der Altbaureihen einsetzen, die einst in den 80er- und 90er-Jahren für die West-BVG und die Deutsche Reichsbahn gebaut wurden und deren Betriebszulassung eigentlich 2017 ausläuft. Deren „Ertüchtigung“ kostet voraussichtlich 100 Millionen Euro, über die konkrete Investitionen sowie Aufteilung der Kosten verhandeln der Senat derzeit mit der Deutschen Bahn.

Neue Linie S15

Da die Ausschreibung der Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd erst nach Abschluss des laufenden Vergabeverfahrens erfolgen soll, hat der Senat im EU-Amtsblatt schon einmal Übergangsvereinbarungen für den Weiterbetrieb auch dieser Linien durch die S-Bahn Berlin GmbH angekündigt. Diese können frühestens in einem Jahr abgeschlossen werden. Die Frist wird von der EU gesetzt, um anderen Bietern die Chance zu geben, sich zu melden. Doch da es kein Unternehmen außer der S-Bahn Berlin gibt, die über geeignete Fahrzeuge verfügt, gilt dieser Schritt als reine juristische Formalie. Laut Bekanntmachung im EU-Amtsblatt, soll die S-Bahn wie folgt weiter betrieben:

Teilnetz Nord-Süd:

S85 (heute Waidmannslust–Grünau, künftig Hauptbahnhof–Grünau) – bis 23. Mai 2025

S25 (Teltow Stadt–Hennigsdorf): bis 12.November 2024

S2 (Bernau–Blankenfelde): bis 23. Mai 2025

S1 (Wannsee-Oranienburg): bis 6. März 2026

Zudem ist eine neue Linie geplant, die S15, die von Frohnau zum Hauptbahnhof fahren soll. Voraussetzung dafür ist allerdings die Fertigstellung der unter dem Namen S21 bekannten Neubautrasse vom nördlichen S-Bahn-Ring zum Hauptbahnhof. Auch dort gibt es aber Verzögerungen, eine Teil-Inbetriebnahme ist für 2019 avisiert, also erst nach Ende der aktuellen Laufzeit des Verkehrsvertrages.

Teilnetz Stadtbahn:

S9 (Flughafen Schönefeld–Pankow, künftig Flughafen BER-Spandau) und S45 (Flughafen BER–Südkreuz) bis 16. Mai 2023

S75 (Westkreuz–Wartenberg, künftig Ostbahnhof-Wartenberg) bis 12. November 2024

S7 (Potsdam–Ahrensfelde) bis 16. Juli 2025

S5 (Spandau-Strausberg Nord, künftig Charlottenburg–Strausberg Nord) bis 18. April 2026

S3 (Erkner-Ostkreuz, künftig Erkner Spandau) bis 17. November 2026.

Sollte ein neuer Auftragnehmer die Linien nicht rechtzeitig über nehmen können, behält sich der Senat eine weitere Fristverlängerung ausdrücklich vor.