Die Polizei sorgt sich um den Nachwuchs: Neue Zahlen zeigen, dass deutlich mehr Beamte in den Ruhestand gehen als dazukommen. Doch es fehlt an geeigneten Bewerbern - und an Ausbildern.
Staatsbesuche, Großveranstaltungen, Sondereinsätze gegen Drogendealer: Die Mitarbeiter der Polizei ächzen unter einer steigenden Arbeitsbelastung. Die gut 16.400 Vollzugsbeamte haben fast 100.000 Überstunden angehäuft. Angesichts des Personalmangels erreicht die Polizei viele ihre selbst gesteckten Ziele nicht mehr.
So hat die Behörde, wie berichtet, das Vorhaben, 90 Prozent der Notrufe innerhalb von zehn Sekunden entgegenzunehmen, im vergangenen Jahr mit nur 75 Prozent verfehlt. Innensenator Frank Henkel (CDU) will die Zeit der Personaleinsparungen angesichts eines stetigen Bevölkerungszuzugs beenden. Bei den anstehenden Beratungen für den Doppelhaushalt 2016/2017 will er zusätzliche Stellen in einer mittleren dreistelligen Größenordnung einfordern.
Die Frage ist nur, ob sich genügend geeignete Bewerber finden. Denn die Polizei steht vor einem Generationenwechsel. In einigen der 37 Abschnitte sind mehr als die Hälfte der Mitarbeiter älter als 50 Jahre. Entsprechend viele Polizisten verlassen altersbedingt Jahr für Jahr die Behörde. Zusammen mit den außerplanmäßigen Abgängen sind im vergangenen Jahr 641 Polizisten aus dem Dienst ausgeschieden. Im laufenden Jahr werden es voraussichtlich 710 Polizisten sein, 2017 sogar 805 Beschäftigte. Diese Zahlen nennt die Senatsverwaltung für Inneres auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Peter Trapp.
Ein Personalproblem hat die Polizei bereits jetzt: Die steigende Zahl der Abgänge und geltende Sparbeschlüsse des Senats haben dazu geführt, dass sie rund 340 freie Stellen nicht nachbesetzen konnte. Die Lücke zwischen vorgesehenen und tatsächlich besetzten Stellen betrifft aber vor allem den Verwaltungsbereich und den technischen Dienst.
Im Vollzug fehlen 500 Beamte
Im Vollzugsdienst gibt es dagegen gerade einmal zehn freie Stellen. Doch berücksichtigt man vorübergehende Beurlaubungen – etwa, weil auch Polizisten Elternzeit nehmen oder Angehörige versorgen – fehlen im Vollzug rund 500 Beamte. Allein die Direktion „Zentrale Aufgaben“, zuständig für stadtweite Großlagen und Sondereinsätze, muss mit hundert weniger Kollegen zurechtkommen als vorgesehen.
„Das kostet die Steuerzahler viel Geld“, sagt der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Steve Feldmann. Denn die fehlende Hundertschaft müsse gegen Bezahlung aus anderen Bundesländern oder von der Bundespolizei ausgeliehen werden. Feldmann: „Der Senat ist mit seiner Sparpolitik über das Ziel hinausgeschossen.“
Doch die großen Probleme stünden noch bevor, sagt Feldmann. Denn wenn die Polizei nicht in ihre Ausbildungskapazitäten investiere, könne die Behörde die altersbedingten Abgänge ab etwa 2020 nicht mehr auffangen. Immerhin: Noch scheint der Nachwuchs gesichert. Die 420 Stellen für den laufenden Ausbildungsjahrgang konnte die Polizei besetzen. Doch die Bewerber erfüllen immer häufiger nicht mehr die Anforderungen. Das stellt die Behörde vor ein Dilemma. Entweder sie senkt die Anforderungen – oder sie muss mehr ausbildungsfähige Menschen dafür begeistern, sich bei der Polizei zu bewerben.
Sanierungsstau von rund 780 Millionen Euro
Doch damit nicht genug der Probleme: Denn die Landespolizeischule und die Hochschule für Recht und Wirtschaft sind für den notwendigen Ansturm von Auszubildenden nicht gerüstet. Es fehlen Personal und geeignete Räumlichkeiten. „Seit dem Jahr 2014 laufen intensive Bemühungen, diese Kapazitäten erheblich zu erweitern“, versichert die Polizei auf Anfrage der Morgenpost. Eine Sporthalle der Landespolizeischule soll mit drei Millionen Euro aus dem Sonderfonds „Wachsende Stadt“ demnächst saniert werden. Für Arbeiten an Einsatz- und Trainingszentren in Ruhleben sind gut 13 Millionen Euro vorgesehen.
Doch nicht nur der Nachwuchs stellt die Polizeiführung vor Herausforderungen. Auch die Gebäude sind in einem desolaten Zustand. Die Berliner Immobilienmanagement (Bim), die die mehr als 340 Häuser der Polizei im Auftrag der Senatsverwaltung für Finanzen bewirtschaftet, beziffert den Sanierungsstau auf rund 780 Millionen Euro. 154 Gebäude sind nach Einschätzung der Bim so baufällig, dass sie „Gefahr für Leib und Leben oder für Sachwerte“ bergen. Allein um diese Schäden zu beseitigen, wären fast 130 Millionen Euro fällig.
Die Summen, die die Bim seit 2011 in die Sanierung der Gebäude steckte, nehmen sich im Vergleich bescheiden aus. Von 2011 bis 2014 waren es zusammengenommen 44,4 Millionen Euro. Diese Zahlen nennt die Senatsverwaltung für Finanzen in einer noch unveröffentlichten Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux. Im Polizeiabschnitt an der Cecilienstraße in Marzahn-Hellersdorf sind etliche Häuser laut Finanzverwaltung sogar so baufällig, dass sie „in der Nutzbarkeit eingeschränkt“ sind. Ebenso ist es im Abschnitt 2 an der Moritzstraße in Spandau sowie in der Polizeidirektion 2 an der Charlottenburger Chaussee.