Der Streit zwischen Berlins Datenschutzbeauftragtem Alexander Dix und den Bezirken über das systematische Aufspüren illegaler Ferienwohnungen im Internet ist neu entflammt. Stephan von Dassel (Grüne), stellvertretender Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Bürgerdienste in Mitte, will per Rechtsgutachten klären lassen, ob eine Internetsuche mit einer speziellen Software erlaubt ist. Damit wollen die Bezirke Internetportale flächendeckend nach nicht angemeldeten Ferienwohnungen durchforsten. Dix hält dies jedoch für unzulässig.
Das Abgeordnetenhaus beschloss im vergangenen Jahr das Gesetz, mit dem das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum durchgesetzt werden soll. Es zielt nicht nur auf Appartements für Touristen, sondern etwa auch auf die Umwandlung von Wohnungen in Gewerberäume sowie auf ungenehmigten Leerstand. Ferienwohnungen mussten bis Ende Juli 2014 angemeldet werden und genießen einen Bestandsschutz bis Mitte 2016. Danach bedürfen sie einer Genehmigung, die aber insbesondere in den City-Bezirken vermutlich in aller Regel nicht erteilt werden wird. Erfasst wurden berlinweit rund 8000 Ferienwohnungen. Vor allem in der Innenstadt rechnen die zuständigen Stadträte damit, dass maximal die Hälfte der Wohnungen die tatsächlich für Touristen genutzt werden, auch angemeldet wurden. Das Gesetz, mit dem die Zweckentfremdung von Wohnraum verboten wird, enthalte auch eine Datenschutzvorschrift, sagte Dix der Berliner Morgenpost. Diese regele, unter welchen Voraussetzungen Daten erhoben werden dürfen. Die ungezielte Erhebung von Daten aus dem Internet sei dort nicht vorgesehen. „Die Bezirke dürfen, wie bei allen anderen Ordnungswidrigkeiten und Strafverfahren, das Internet nutzen, wenn sie ein Verdachtsmoment haben. Sie dürfen nicht ins Blaue hinein ermitteln. Das darf keine Verwaltung und keine Strafverfolgungsbehörde“, so Dix.
Damit sei es nach Dix’ Auffassung den Bezirken auch nicht gestattet, eine Software zu benutzen, mit der Ferienwohnungsportale systematisch durchforstet werden. Der Grund: Mit einer solchen Methode werde zunächst ein genereller Verdacht erzeugt. Dabei sei indes nicht klar, ob alle so erfassten Appartements rechtswidrig sind. Fahndung oder Ermittlungen im Internet setzten immer einen Anfangsverdacht voraus betonte Dix. Der könne etwa über Beschwerden von Nachbarn entstehen. Dann könne der Bezirk dazu auch im Internet recherchieren.
Streit zwischen Berlins Datenschutzbeauftragtem und Bezirken hält an
Der Disput wurde Ende 2014 öffentlich – und geriet zunächst unübersichtlich: Während zunächst der Eindruck entstand, die Nutzung des Internets sei grundsätzlich nicht möglich, wurde dies später sowohl vom Datenschutzbeauftragten als auch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zurückgewiesen. Eine Einigung mit den Bezirken war dies – anders als angenommen – aber keineswegs. Der Streit hält an. Zumindest müsse es einen örtlich beschränkten Anfangsverdacht geben, also Anhaltspunkte für einzelne Stadtquartiere oder einzelne Straßen, dass dort verstärkt Ferienwohnungen angeboten werden, sagte Dix. Es müsse nicht notwendig der Hinweis auf eine ganz bestimmte Wohnung vorliegen, aber es sei nicht zulässig, den gesamten Bezirk oder weite Teile davon mittels einer Software im Internet zu durchforsten. Das widerspreche Grundsätzen, die für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gelten. „Wir kommen da zurzeit nicht weiter“, sagte Stadtrat von Dassel der Morgenpost. Dix habe zwar dem Bezirk Mitte seine Auffassung dargelegt, letztlich bleibe aber unklar, was rechtlich möglich ist und was nicht. Deshalb soll das bestellte Rechtsgutachten helfen. Neben der Möglichkeit, Ferienwohnungsportale im Netz per Software zu durchforsten, erwartet der Stadtrat noch in einem weiteren Punkt Hilfe: Oft sei bei Wohnungsangeboten im Internet für den Nutzer die konkrete Adresse nicht sichtbar. Experten könnten diese Informationen aber aus dem Hintergrund hervorholen.
Der Grünen-Politiker sieht dabei keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Wer Eigentümer der Wohnung ist, solle nicht per Computer ermittelt werden. Die Information, dass unter einer bestimmten Adresse zum Beispiel im Vorderhaus, zweite Etage links, eine Ferienwohnung angeboten wird, sei hingegen nicht Teil persönlicher Daten. Deshalb müsse die Beantwortung der Frage, wie viele Wohnungen sich per Computer in einem Bezirk finden lassen, vielmehr der erste Schritt sein. In Mitte sind laut von Dassel rund 1700 Ferienwohnungen angemeldet worden. Die Schätzungen, wie viele es tatsächlich im Bezirk sind, reichen von 4000 bis 6500. „Das ist doch ein Anfangsverdacht“, betont der Stadtrat.
Berlins Finanzsenator bewilligt 34 zusätzliche Stellen
Amtskollegen unterstützen ihn. Auch Charlottenburg-Wilmersdorfs Wirtschaftsstadträtin Dagmar König (CDU) hält eine systematische Suche in Internetportalen per Computer für sinnvoll und dringend geboten. Rein theoretisch müssen die Bezirke der Auffassung des Datenschutzbeauftragten nicht folgen, diese ist nicht rechtlich verbindlich. Allerdings müssen sie im Zweifelsfall rechtssicher und gerichtsfest belegen können, wie sie an Daten über illegale Ferienwohnungen gekommen sind.
Der Finanzsenator bewilligte den Bezirken im vergangenen Jahr 34 zusätzliche stellen, um die Zweckentfremdung von Wohnraum verfolgen zu können. Für die kommenden beiden Jahre erhalten die Bezirke weitere 300 Stellen, von denen einige auch neben Standes- und Gesundheitsämtern den Ordnungsämtern zu Gute kommen sollen. In Charlottenburg-Wilmersdorf kümmern sich nach Angaben von Stadträtin König derzeit sechs Mitarbeiter um das Thema Zweckentfremdung. Bis Ende vergangenen Monats seien 1500 Vorgänge zum Gesetz aufgelaufen. Etwa 830 beträfen Ferienwohnungen. In Mitte seien fünf Mitarbeiter in diesem Bereich tätig, Anfang nächsten Monats komme ein weiterer Kollege hinzu, sagte Stadtrat von Dassel. Für rund 1700 Ferienwohnungen seien Bestandsschutzanzeigen eingegangen, für 1550 Wohnungen sei dieser erteilt worden. In den übrigen Fällen seien angeforderte Unterlagen nicht beim Bezirksamt eingegangen. Rund zwei Drittel der Vorgänge betreffen den Altbezirk Mitte, der Rest Tiergarten und Wedding. König und von Dassel erklärten, ihre Mitarbeiter würden inzwischen auch Bürgerhinweisen auf Ferienwohnungen nachgehen.