Berlin-Kaulsdorf

Mordfall Hanna K. - Gesuchter meldet sich bei der Polizei

| Lesedauer: 7 Minuten
Hans H. Nibbrig und Steffen Pletl

Verdächtiger stellt sich bei der Polizei

Im Fall der ermordeten Schülerin in Berlin-Kaulsdorf ist ein Mann festgenommen worden. Zuvor hatte er sich selbst gestellt, nachdem er sich selbst auf den von der Polizei veröffentlichten Videos erkannt hatte. Obwohl der Mann die Tat bestreitet, wurde er festgenommen. Der Mann habe nicht alle Verdachtsmomente aus Sicht der Polizei entkräften können, sagte ein Sprecher.

Video: Abendschau, RBB
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Im Mordfall Hanna K. hat sich nach Angaben der Polizei der mit Videos gesuchte Mann gemeldet. Er wurde vorläufig festgenommen. In der Nähe des Tatortes fand am Mittwabend eine Gedenkandacht statt.

Im Mordfall Hanna K. hat sich einen Tag nach Veröffentlichung des Fahndungsvideos der Gesuchte auf einer Polizeiwache gestellt. Dies teilte ein Polizeisprecher auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit.

Die Ermittlungen im Fall gehen trotzdem unvermindert weiter. Zum aktuellen Stand will sich die Polizei im Laufe des Donnerstags äußern. Der Mann hatte sich am Mittwoch freiwillig in Hellersdorf gestellt, soll die Tat aber abstreiten.

Der Tatverdächtige habe sich gegen 13 Uhr im Polizeiabschnitt 64 in Lichtenberg gemeldet und angegeben, er sei die Person auf den veröffentlichten Videos. Er stritt jedoch laut Polizei jede Tatbeteiligung ab. Er habe nicht alle Verdachtsmomente aus Sicht der Polizei entkräften können, sagte ein Sprecher.

Die Polizei nahm den Mann vorläufig fest. Von Lichtenberg wurde er mit einem Konvoi weggefahren - mit eingeschaltetem Blaulicht. Er wurde zunächst zum Tempelhofer Damm und dann zur Keithstraße gebracht. Ob er wirklich in den Fall verwickelt ist, werde nun geprüft.

Der Auftritt der Polizei entsprach der Bedeutung des Einsatzes. Am Mittwochnachmittag gegen 16.30 Uhr schoss ein kleiner, aber auffälliger Fahrzeugkonvoi aus der Einfahrt des Polizeiabschnitts 64 in Lichtenberg und fuhr in zügigem Tempo und mit eingeschaltetem Blaulicht davon, vorneweg ein Fahrzeug des mobilen Einsatzkommandos, dahinter zwei Funkstreifenwagen. Auf dem Rücksitz des ersten Funkwagens saß der Mann, dem der Aufwand galt. Er hatte sich etwa drei Stunden zuvor auf dem Abschnitt gestellt – und er könnte der Mörder von Hanna K. sein.

>> Die Chronik des Falls Hanna K. <<

Wie Polizeisprecher Thomas Neuendorf mitteilte, war der Mann auf dem Abschnitt erschienen und hatte angegeben, er sei die Person auf den Fotos, die die Polizei am Tag zuvor veröffentlicht hatte. Er wurde daraufhin festgenommen, anschließend lief bei der Polizei das in solchen Fällen übliche Prozedere ab. Die Beamten der mit dem Fall betrauten 1. Mordkommission wurden informiert und trafen bereits kurze Zeit später in Lichtenberg ein. Eine erste Vernehmung durch die Mordermittler erfolgte bereits auf dem Abschnitt an der Nöldnerstraße. Über das Ergebnis bewahrte die Polizei zunächst Stillschweigen. „Ob der Mann der Täter ist, wird jetzt geprüft“, mehr sagte Neuendorf zunächst nicht. Wie die Polizei am Abend dann mitteilte, habe der Festgenommene den Tatvorwurf bei den ersten Vernehmungen nach seiner Festnahme zunächst bestritten.

Die 18-jährige Hanna K. war am Sonnabendmorgen tot in einem Gebüsch nahe dem Bahnhof Wuhletal entdeckt worden. Am Dienstag hatte das Landeskriminalamt etliche Fotos und ein Video aus den Überwachungskameras mehrerer Bahnhöfe veröffentlicht. Der darauf abgebildete Mann sei des Mordes an der Abiturientin dringend verdächtig, teilte die Polizei dazu mit.

Mehr als 100 Hinweise

Die eingeleitete Öffentlichkeitsfahndung brachte Tempo in die Ermittlungen zu dem brutalen Mord. Bis Mittwochmorgen waren mehr als 100 Hinweise eingegangen, darunter 15 im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen. Bei der 1. Mordkommission klingelten unablässig die Telefone, mehrere Anrufer gaben an, den Mann auf den Fotos und dem Video zu kennen. Auch mehrere Namen wurden genannt.

Sofort begannen die Ermittler damit, die Angaben zu überprüfen, Name für Name wurde abgearbeitet. Diese Arbeit hätte durchaus mehrere Tage in Anspruch nehmen können, doch dann kam am Mittwochnachmittag um kurz nach 13 Uhr die Nachricht, der Gesuchte habe sich auf dem Polizeiabschnitt in Lichtenberg gestellt. Ob die Suche nach dem Mörder der jungen Frau damit beendet ist, müssen die weiteren Vernehmungen des Festgenommenen zeigen.

Für die Beamten der Mordkommission ist er nach wie vor ein Verdächtiger, so die offizielle Darstellung. Dass die Ermittler aber nahezu sicher sind, den Richtigen zu haben, daran besteht kaum ein Zweifel. Für die Veröffentlichung des Bildmaterials benötigten die Beamten einen richterlichen Beschluss, um den zu erhalten, musste die Staatsanwaltschaft dem Ermittlungsrichter schon deutlich mehr präsentieren als einen vagen Verdacht. „Sie können davon ausgehen, dass eine schlüssige Indizienkette vorliegt, die eindeutig auf den Gesuchten als Täter hinweist, die auch den Richter überzeugt hat“, sagte ein Ermittler bereits am Dienstagabend.

Die Indizienkette ergibt sich offenbar aus der Auswertung des Bildmaterials. Dem ist zu entnehmen, dass der Gesuchte bereits in der U-Bahn auffälliges Interesse an dem späteren Opfer zeigte und der jungen Frau zügig folgte, nachdem beide in Wuhletal die U5 verlassen hatten.

DNA-Material könnte Täter überführen

Ungeachtet des Fortschritts, den die Suche nach dem Mörder gemacht hat, hält sich die Polizei mit Informationen zum Stand der Ermittlungen weiterhin zurück. Dass die junge Frau erstochen worden sein soll, bestätigte sie nicht, die Rede ist stets von „Gewalt gegen den Oberkörper des Opfers“ als Todesursache. Auch zur Frage eines Sexualdeliktes hieß es bislang stets, dies könne nicht ausgeschlossen werden.

Die Festnahme des Verdächtigen gibt der Polizei in diesem Fall, wie überhaupt in allen Fällen, die Möglichkeit, gesichertes DNA-Material zu vergleichen. Dass DNA-Spuren an der Leiche und am Tatort gesichert wurden, daran besteht kaum ein Zweifel, auch wenn die Ermittler dazu ebenfalls keine Angaben machten. Der dringende Tatverdacht erlaubt es den Beamten, Kleidungsstücke und andere Utensilien des Verdächtigen zu beschlagnahmen, dazu notfalls auch seine Wohnung zu durchsuchen. Eine Übereinstimmung des Spurenmaterials mit der am Tatort und an der Leiche sichergestellten Spuren gilt als sicherstes Indiz für eine Täterschaft. Nur noch ein Geständnis hat einen höheren Beweiswert.

Gedenkandacht für Opfer

Während die Ermittlungen der Mordkommission in die möglicherweise letzte Phase gingen, fand am Mittwochabend in der Nähe des Tatortes eine Gedenkandacht statt. Der Einladung der evangelischen Gemeinde Berlin-Kaulsdorf folgten nach Polizeiangaben mehr als 300 Menschen. Nahe dem Fundort der Leiche der jungen Frau war ein Altar unter freiem Himmel aufgestellt. Nach einer Ansprache stellten Trauernde Kerzen am Weg zwischen dem S- und U-Bahnhof Wuhletal und der Dorfstraße auf. „Die Kerzen sollen dem Ort das Grauen ein Stück weit nehmen“, sagte Pastorin Steffi Jawer. Auch in den kommenden Tagen sollen Kerzen aufgestellt werden. Das Mädchen habe regelmäßig die Gemeinde besucht.