Schon im Vorfeld waren viele zur Palästinenser-Konferenz auf Distanz gegangen. Mitglieder und Organisatoren sollen der radikalen Hamas nahestehen. Alle Parteien unterstützten eine Gegenkundgebung.
Wer erwartet hatte, die Gewalt des Nahostkonflikts am Spreeufer zu erleben, wurde eines Besseren belehrt. Denn bei der 13. Konferenz der Palästinenser in Europa blieb es friedlich. In der Arena in Treptow versammelten sich am Sonnabend nach Angaben der Polizei rund 3500 Teilnehmer. Viele Berliner waren unter ihnen, aber auch Palästinenser aus Wuppertal oder Hamburg, Köln oder München, Kopenhagen oder Mailand. Zusammenstöße mit Gegendemonstranten registrierten die etwa 250 eingesetzten Polizeibeamten nicht.
Schon im Vorfeld war viel über das Treffen geschrieben worden. Aus guten Gründen. Denn laut Verfassungsschutz unterhielten die Organisatoren, die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland (PGD) und das Palestine Return Center (PRC), Verbindungen zur Hamas. Die Palästinenserorganisation ist einerseits eine demokratisch gewählte Partei und stellt im Gazastreifen seit 2006 die Regierung. Ihre Anhänger haben seit Anfang der Neunzigerjahre aber auch unzählige tödliche Anschläge auf israelische Zivilisten verübt. Die EU stufte die Hamas daher als Terrororganisation ein. Das Logo des Kongresses zeigte zudem die Umrisse des Staates Israel – verdeckt von der palästinensischen Flagge. Deutlicher kann man dem Staat Israel sein Existenzrecht kaum absprechen.
180 Teilnehmer bei Gegenkundgebung
Politiker aller im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sowie jüdische Vereinigungen hatten daher zur Gegenkundgebung aufgerufen. Die 180 Teilnehmer versammelten sich – abgeriegelt von der Polizei – keine hundert Meter von der Arena entfernt. „Wenn Menschen auf der Straße Hass verbreiten, nehmen wir das nicht unwidersprochen hin“, sagte der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne). Der Landesvorsitzende der Berliner SPD, Jan Stöß, erinnerte daran, dass Berlin in Israel acht Partnerstädte habe. „Hassparolen, wie sie von einer solchen Veranstaltung zu erwarten sind, darf es da nicht geben“, sagte Stöß. „Hass und Ausgrenzung haben hier keinen Platz“, so der Berliner Linke-Abgeordnete Hakan Tas. Ähnlich äußerte sich der Pirat Oliver Höfinghoff.
Als Landesvorsitzender der Berliner CDU hatte auch Frank Henkel zu der Gegenkundgebung aufgerufen. Als Innensenator hatte er zudem angekündigt, das Treffen bei volksverhetzenden Parolen auflösen zu lassen. Strafrechtlich Relevantes oder blanken Judenhass vernahmen die Beobachter des polizeilichen Staatsschutzes aber, so der Stand am frühen Abend, nicht – wohl aber einseitige und israelfeindliche Aussagen zum Nahostkonflikt. Wenn es um Jerusalem ging, sprachen Redner von Palästina – als hätte es Israel nie gegeben. Der palästinensische Autor Khaled Barakat bezeichnete die Konferenz als „Schlag ins Gesicht der Zionisten“, er forderte die „Befreiung Palästinas“. Dass Israel bei einer solchen „Befreiung“ verschwinden würde, sagte er nicht. Die Zuhörer, viele Frauen verschleiert, viele Männer im Anzug, applaudierten, schwenkten palästinensische Flaggen.
Ein Staat für alle
Vor den Toren der Arena gaben Teilnehmer der „Hass-Konferenz“, wie einige Boulevardmedien das Treffen genannt hatten, Auskunft zu ihrer Haltung zum Nahostkonflikt. Eine Gruppe von palästinensischstämmigen Medizinstudenten aus Hamburg zeigte sich einig darin, Antisemitismus und Gewalt abzulehnen. Ihre Namen wollten die etwa 25 Jahre alten Männer nicht nennen. Ihr Lösungsvorschlag für den Nahostkonflikt: „Ein Staat für alle, in dem die Mehrheit demokratisch bestimmt, wer regiert.“ Dass Juden dann als Minderheit um ihre Existenz fürchten müssten, sagten sie nicht.
Suhail Abu Shammala, der Vorsitzende der PGD und Mitveranstalter des Kongresses, lebt seit zwanzig Jahren in Deutschland. Er praktiziert als Oberarzt für Kardiologie im Emsland, ist freundlich und zuvorkommend. Unter dem Schal mit der rot-grün-weißen palästinensischen Flagge trägt er einen grauen Anzug. Bisher sei alles gut gelaufen, sagt er. Mit der Polizei sei er in ständigem Kontakt. Dann spricht Abu Shammala über die Lage der Palästinenser. Über die sieben Millionen, die im Exil leben müssten, über das Friedensabkommen von Oslo, das eine Zwei-Staaten-Lösung vorsah, aber nie umgesetzt wurde, über die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten. Unter der Blockade des Gazastreifens habe die Bevölkerung massiv zu leiden.
Und die Terroranschläge, bei denen Palästinenser Israelis ermorden? Die Hamas, deren Anhänger fordern, Israel zu vernichten? Abu Shammala weicht aus: „Wir wollen friedlich miteinander leben.“ Die PGD unterhalte keine Verbindungen zur Hamas, die Organisation habe mit dem Kongress nichts zu tun, versichert er. Mit dem Kongresslogo wolle man Israels Existenzrecht nicht in Abrede stellen, behauptet er. Würde er eingreifen, wenn ein Redner Sympathie für die Hamas bekundet? Nein, sagt er. „Im Gazastreifen und der Westbank ist die Hamas Teil der Gesellschaft.“