Arbeitsgericht

Mall of Berlin - Rumänische Arbeiter klagen Lohn ein

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Vitali Bahdanau und Ulrich Kraetzer

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Sieben Rumänen, die am Bau der Mall of Berlin mitgearbeitet haben, fühlen sich geprellt. Sie fordern von Baufirmen mehr als 30.000 Euro. Ab Freitag wird die Klage vor dem Arbeitsgericht verhandelt.

Sie haben Baumaterialien geschleppt und Rigipsplatten montiert, geputzt und beim Innenausbau geholfen. Sechs Tage in der Woche, bis zu zehn Stunden am Tag, mehrere Monate lang. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Denn die Mall of Berlin hatte zwar mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Rein äußerlich zählt das im September vergangenen Jahres eröffnete Einkaufszentrum am Leipziger Platz aber zu den schicksten in Berlin. Elvis Iancu und einige seiner rumänischen Freunde verbinden mit der Zeit, in der sie beim Bau des Shoppingcenters geholfen haben, dennoch ungute Erinnerungen. Denn sie warten noch immer auf einen Großteil ihres Lohnes.

Nun klagen sie ihre Ansprüche vor Gericht ein. Am Freitag ist vor dem Arbeitsgericht der erste Verhandlungstag. Bei dem Gütetermin werden zunächst zwei der sieben Kläger versuchen, sich mit den Baufirmen auf einen Kompromiss zu einigen. Wenn dies misslingt, muss das Gericht entscheiden. „Meine Mandanten fordern insgesamt um die 33.000 Euro“, sagt der Rechtsbeistand der Betroffenen, der Berliner Arbeitsrechtler Sebastian Kunz, auf Anfrage der Berliner Morgenpost. Pro Arbeiter seien das, je nach Arbeitsleistung, 2000 bis 6000 Euro. „Das ist für meine Mandanten viel Geld“, sagt Kunz.

Um beim Bau der Mall of Berlin mitzuarbeiten, sind die Kläger auf eigene Kosten aus Rumänien nach Berlin gereist – einer im Frühjahr, andere im August vergangenen Jahres. Auf der Baustelle sollten sie sofort zupacken. Laut Tarifvertrag, der per Gesetz als allgemeinverbindlich für die Branche erklärt wurde, hätten die Baufirmen ihnen 11,10 Euro pro Stunde zahlen müssen. Tatsächlich seien ihnen Stundenlöhne zwischen fünf und sechs Euro angeboten worden, sagt Rechtsanwalt Kunz. Für rumänische Verhältnisse wäre das dennoch eine gute Bezahlung gewesen, sodass die Rumänen einwilligten.

Firmen kassierten Gebühren

„Sie haben uns gesagt, dass wir Arbeitsverträge bekommen“, erzählt Arbeiter Elvis Iancu. Zunächst hätten die Firmen aber selbst Geld verlangt: 150 Euro für die Anmeldung und 130 Euro für eine Gewerbegebühr. Mit der Auszahlung des Lohns seien sie dagegen hingehalten worden. Laut Anwalt Kunz erhielten die Arbeiter trotz mehrfacher Nachfrage lediglich eine Abschlagszahlung von rund 600 Euro. Angesichts der tatsächlichen Arbeitsleistung sei das „viel zu wenig“. „Meine Mandanten dachten, dass sie in einem reichen Land wie Deutschland gut behandelt würden“, sagt Kunz. Darin hätten sie sich offensichtlich getäuscht.

Eine der zwei Baufirmen, von denen die Arbeiter sich geprellt fühlen, ist die Metatec Fundus GmbH. Prokurist Tosun Mehmet weist auf Anfrage jegliche Verantwortung von sich. „Diese Leute haben nie für uns gearbeitet“, sagt er. Die Ansprüche gegen sein Unternehmen entbehrten jeglicher Grundlage. Dies werde er vor Gericht deutlich machen. Das Gegenteil zu beweisen, könnte für die Arbeiter nicht ganz leicht werden. Denn einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat es nie gegeben, lediglich mündliche Zusagen, so schildern es die Betroffenen. Die zweite Firma, von der die rumänischen Arbeiter Geld verlangen, die Openmallmaster GmbH, war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bei dem Generalunternehmer, der Fettchenhauer Controlling und Logistic GmbH, der die Metatec und die Openmallmaster als Subunternehmer beauftragt hatte, können die Kläger ihre Ansprüche jedenfalls nicht mehr geltend machen – die Firma hat im Dezember einen Insolvenzantrag gestellt. Mall-of-Berlin-Bauherr Harald Huth hat bereits, unmittelbar nachdem die Vorwürfe bekannt geworden waren, erklärt, er habe die von ihm beauftragten Firmen alle pünktlich bezahlt.

Bevor sie den Rechtsweg wählten, haben die Arbeiter bereits durch öffentliche Kundgebungen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Als sie im November vor der Mall of Berlin protestierten, kamen auch mit Tüten beladene Kunden des Centers nicht umhin, sich mit den Arbeitsbedingungen der Erbauer der Mall of Berlin zu befassen.

Keine Einzelfälle

Unterstützt werden die Rumänen von der Kleinst-Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU). Arbeiter aus Osteuropa würden von deutschen Baufirmen immer wieder um ihre Bezahlung geprellt. „Solche Fälle werden uns bundesweit immer wieder gemeldet“, sagt FAU-Aktivistin Tinet Ergazina. Anders als die Arbeiter der Mall of Berlin würden die meisten allerdings unverrichteter Dinge zurück in ihre Heimatländer fahren, weil sie einen langen Rechtsstreit in Deutschland nicht finanzieren könnten. „Die Firmen wissen das und nutzen das aus“, sagt Ergazina.

Elvis Iancu hat nicht klein beigegeben. Ob er einem Kompromiss zustimmen und sich mit der Hälfte des geforderten Geldes zufrieden geben würde? Nein, sagt Iancu. Es gehe ihm nicht nur ums Geld – sondern um seine Würde.