Bausenator Geisel will das Bebauungsplan-Verfahren zum Wohnprojekt am Mauerpark an sich ziehen. Damit wäre ein Bürgerbegehren auf Bezirksebene unmöglich. Es gehe um das Gemeinwohl, argumentiert er.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen zieht der Senat ein größeres Wohnungsbauprojekt an sich, um den Widerstand auf der Bezirksebene ins Leere laufen zu lassen. Im Dezember erklärte der inzwischen zum Regierenden Bürgermeister aufgestiegene Michael Müller (SPD) die Buckower Felder an der Stadtgrenze zum Gebiet von außerordentlicher stadtpolitischer Bedeutung und entzog so dem Bezirk Neukölln die Planungshoheit für knapp 500 Wohnungen. Am Mittwoch sagte Andreas Geisel, Müllers Nachfolger als Chef des Stadtentwicklungsressorts, er werde das Bebauungsplanverfahren für den Mauerpark an der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Pankow übernehmen.

Am 17. März will er die Vorlage im Senat beschließen lassen. Der Wohnungsmarkt in Berlin sei angespannt, sagte der Senator: „Der Senat wird alle Instrumente zur Mietpreisbremsung anwenden. Der Neubau gehört dazu.“

Senator fordert Neubauklima

Während im Falle der Buckower Felder eine Anwohnerinitiative bereits begonnen hatte, Unterschriften für ein bezirkliches Bürgerbegehren gegen das Projekt zu sammeln, sind die Kritiker rund um den Mauerpark noch nicht so weit. Ihr Antrag ist beim Bezirk Mitte zur Prüfung eingereicht. Für die Gegner des Bauvorhabens könnte es auch schwierig werden, die benötigten Unterschriften zusammenzubringen. Denn der Protest konzentriert sich vor allem auf der Pankower Seite im Stadtteil Prenzlauer Berg. Das Gebiet, um das es geht, gehört jedoch zu Wedding, also zum Bezirk Mitte. Ob ein Bürgerbegehren dort so starken Widerhall fände wie in Pankow ist keineswegs sicher.

>> Mobilnutzer gelangen hier zur Mauerpark-Grafik

Für Stadtentwicklungssenator Geisel ist der Fall Mauerpark angesichts eines Zuzugs von 174.000 Menschen in den vergangenen vier Jahren von grundsätzlicher Bedeutung. „700 Wohnungen, das ist keine Frage, die in einzelnen Nachbarschaften entschieden werden kann“, begründete Geisel sein Eingreifen, das mit dem Bezirk Mitte abgestimmt sei. Es gehe um das „Gemeinwohl der Stadt“. Auch den Menschen in Spandau oder Marzahn könne es nicht egal sein, ob in Berlins Mitte Wohnungen gebaut würden. Der „Kampf derjenigen, die über Wohnraum verfügen und denen, die keine Wohnung haben, muss aufhören“, sagte der Senator: „Wir brauchen ein Neubauklima in der Stadt.“

Nach den Buckower Feldern sei das Eingreifen am Mauerpark ein Zeichen, „dass wir ein solches Klima befördern und durchsetzen wollen“. Ein „Präjudiz“ dafür, jetzt bei jedem strittigen Bauvorhaben ebenso vorzugehen, sei die Entscheidung zum Mauerpark jedoch nicht.

„Wenn es ein Bürgerbegehren gibt, unterbricht das den Prozess, es entsteht deutliche Verzögerung“, sagte Geisels Staatssekretär Christian Gaebler (SPD). Noch läuft das Bürgerbeteiligungsverfahren für die Erweiterung des Mauerparks und die dort geplanten Wohnungen. Bis zum 16. März können Bürger Einwendungen vortragen. Die Bebauungsgegner sammeln eifrig Stellungnahmen von Bürgern gegen das Projekt.

Kritiker verlangen Grünanlage

Es geht um einen Streifen auf der Westseite der ehemaligen Mauer, insgesamt zehn Hektar zwischen S-Bahn und Bernauer Straße. Das ehemalige Bahn-Land gehört der Firma CA Immo und wurde lange als Gewerbegebiet genutzt. Jetzt werden 3,5 Hektar im Norden des Areals für Wohnungsbau herangezogen, sieben Hektar werden dem Mauerpark zugeschlagen. Die Kritiker von der „Mauerpark-Allianz“ verlangen hingegen, auf den Bau zu verzichten und das gesamte Gelände als Grünanlage zu gestalten.

„Diese Alles-oder-Nichts-Strategie wird dem Projekt nicht gerecht und ist für die Stadt nicht verantwortbar“, sagte Gaebler. Die Idee der Baugegner, das Land möge für mindestens 12 Millionen Euro das Gewerbegebiet vom privaten Eigentümer kaufen und die komplette Fläche dem Park zuschlagen, sei illusorisch. Der Eigentümer habe angedeutet, im Falle des Scheiterns des Bauprojektes das Gewerbegebiet erhalten zu wollen. Es sei nicht zu vermitteln angesichts der Verdrängung und Mietsteigerungen zwölf Millionen Euro zur Verhinderung von Wohnungsbau auszugeben, sagte Gaebler. Anders als beim Tempelhofer Feld sei das Land Berlin nicht Eigentümer der Fläche. Zudem bestehe Zeitdruck, weil die Allianz-Stiftung 2,3 Millionen Euro zurückfordern könnte, wenn der Park nicht bald erweitert würde. Die Stiftung hatte das Geld in den 90er-Jahren für die Anlage des Mauerparks gespendet, erwartet aber eine Parkfläche von mindestens zehn Hektar. Bisher hat der Park acht Hektar.

„Schnell und entschlossen“

Geisel und Gaebler beteuerten, nichts gegen Bürgerbeteiligung zu haben. Das Vorhaben am Mauerpark werde aber schon seit 1993 diskutiert. Zuletzt seien durch die Debatte deutliche Verbesserungen erreicht worden, räumten auch die beiden Sozialdemokraten ein. Zunächst habe der Berliner Immobilienentwickler Klaus Groth dort nur teure Eigentumswohnungen geplant. Inzwischen sei ein städtebaulicher Vertrag verhandelt worden, der bedeutsame Änderungen vorsieht. Von den 700 Wohnungen sollen 70 Prozent vermietet werden. 120 davon soll die städtische Gesellschaft Gewobag zu 6,50 Euro pro Quadratmeter preisgünstig vermieten. Weiter entstehen 219 Studentenwohnungen, 43 Wohnungen für Senioren sowie eine Kita mit 80 Plätzen, die der Entwickler Groth bezahlt. „Wir haben das Ziel, diesen Bebauungsplan schnell und entschlossen umzusetzen“, sagte Geisel.

In der Mauerpark-Allianz zeigten sich die Aktivisten nicht wirklich überrascht. Nach den Buckower Feldern habe man schon mit so etwas gerechnet, sagte Sprecher Hartmut Bräunlich. Aber es habe natürlich ein Geschmäckle, dass der Senat ausgerechnet jetzt handele, nachdem die Initiative ihren Antrag auf ein Bürgerbegehren beim Bezirk Mitte zur Prüfung eingereicht habe und die Aktiven mit den Einwendungen zum Bebauungsplanverfahren beschäftigt seien. „Wir werden nicht kampflos aufgeben“, sagte Bräunlich.

Opposition empört

Die Opposition im Abgeordnetenhaus reagierte empört, als Geisel ihnen am Donnerstagnachmittag im Bauausschuss den Plan erklärte. Sie frage sich, ob der Senat Angst habe vor einer starken Stadtgesellschaft, sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Es sei „unerhört“, dass der Senat dem Bezirk während der Prüfung eines Bürgerbegehrens die Zuständigkeit entzieht.

Linken-Landeschef Klaus Lederer sprach von einem „Skandal“. Geisel fürchte wohl, dass die Bezirksverordnetenversammlung Mitte angesichts zahlreicher Einwendungen von dem Projekt abrücken könne. Während die SPD die Übernahme durch den Senat uneingeschränkt begrüßte, zeigte sich der Koalitionspartner zurückhaltender. In der Sache äußerte sich der baupolitische Sprecher der CDU, Matthias Brauner, zwar positiv. Er forderte aber, die gesamtstädtische Bedeutung bei derartigen Planungen nicht erst bei drohenden Bürgerbegehren, sondern in „früheren Verfahrensständen“ zu klären.