Der Andrang an Berlins Universitäten ist groß, die Betreuungssituation verschlechtert sich. Nun sollen Tutoren helfen, Engpässe zu beseitigen und die Studierenden zu unterstützen.
Ein Professor muss in Berlin immer mehr Studenten betreuen. Das zeigen neue Zahlen der Berliner Universitäten. Deutlich verschlechtert hat sich das Betreuungsverhältnis an der Technischen Universität Berlin (TU): Dort kamen im Jahr 2013 108 Studierende auf einen Hochschullehrer, 2012 waren es noch 100.
Damit steht die Charlottenburger Universität auch im Bundesdurchschnitt schlecht da, denn dieser lag 2013 nach einem Bericht der Fachzeitschrift „Forschung & Lehre“ bei 1 zu 65 (2012: 1 zu 64).
Forderung des TU-Präsidenten
Für TU-Präsident Professor Christian Thomsen ist angesichts der Zahlen klar, „dass eine Verbesserung der Ausstattung wünschenswert, wenn nicht notwendig ist“. An die Studierenden und Lehrenden der TU würden sehr hohe Anforderungen gestellt. Das ist die Kehrseite der hohen Attraktivität der Berliner Hochschullandschaft, die immer mehr Studierende anzieht: Zwar ist die Zahl der Professorenstellen gewachsen, doch nicht im gleichen Maße wie die Zahl der Studierenden. „Um die Lehre trotz der angespannten Betreuungsrelation zu stärken und in der Qualität weiter zu verbessern, entwickeln wir kontinuierlich innovative Lehr- und Lernkonzepte“, sagt Thomsen. So etwa gibt es an der TU mehr als 800 studentische Tutoren mit Arbeitsverträgen, die ihre Kommilitonen beim Lernen unterstützen und Engpässe in der Lehre ausgleichen sollen. Die Humboldt-Universität (HU) verzeichnet zum dritten Mal in Folge eine Verschlechterung der Lehrsituation. Auf einen Professor kamen hier 2013 66,5 Studierende, ein Jahr zuvor waren es noch 63,7.
Die „selbstverständlich nicht befriedigende Entwicklung“ kommentiert Vize-Präsident Professor Michael Kämper-van den Boogaart mit klaren Worten: „Sie liegt im überregionalen Trend. Dieser zeigt die Effekte einer nur unzureichenden finanziellen Kompensation für die angestiegenen Studierendenzahlen.“ Mit Ausgleichszahlungen aus Bundespaketmitteln werden nur selten Professorenstellen eingerichtet. „Das führt spätestens dann zu gravierenden Problemen, wenn es um die Betreuung wissenschaftlicher Abschlussarbeiten geht“, so der HU-Vizepräsident.
Etwas günstiger als an TU und HU ist die Betreuungsrelation an der Freien Universität (FU), denn sie hat sich im Jahresvergleich leicht verbessert: Auf einen Hochschullehrer kamen 2013 64,4 Studierende, 2012 waren es 67,8. „Bei der Einführung der Bachelor-Studiengänge haben wir eine sehr strikte Politik betrieben und sie nur dann zugelassen, wenn die Betreuungsrelation stimmte“, erklärt FU-Präsident Professor Peter-André Alt, warum es an seiner Hochschule etwas besser aussieht als im Bundesdurchschnitt. „Außerdem haben wir jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen konsequent mit in die Lehre eingebunden. Das war nicht nur im Interesse der Studierenden, sondern war auch der explizite Wunsch dieser Wissenschaftler – eine Win-win-Situation für alle Seiten.“
Mit einiger Skepsis blickt der FU-Präsident allerdings in die Zukunft und erwartet für 2014 wieder eine Verschlechterung der Betreuungsrelation – die Abschlusszahlen liegen noch nicht vor. Das hat nach seinen Worten auch damit zu tun, dass sich das Interesse der neuen Studierenden zum laufenden Wintersemester in auffälliger Weise auf wenige Fächer konzentriert hat. Mit der Folge, dass die Lehrsituation in Fächern wie Jura, Betriebswirtschaftslehre und Psychologie besonders kritisch ist. Insgesamt, da zeigen sich die Hochschulleitungen einig, befindet sich das Betreuungsverhältnis in einer dramatischen Schieflage. Mit einiger Bewunderung berichtet Alt daher von den Verhältnissen an der englischen Elite-Universität Cambridge, die er als „visiting fellow“ gut kennt: „In den Seminaren arbeitet dort ein Professor mit zehn Studierenden zusammen.“ Die Forschungs- und Lehrarbeit hat dadurch deutlich bessere Bedingungen als an den Berliner Universitäten.