Dezember 2014

Blitzüberfall im KaDeWe - „Wir sind alle traumatisiert“

| Lesedauer: 5 Minuten
Lorenz Vossen und Peter Oldenburger

Einen Tag nach dem Blitzüberfall geht das Weihnachts-Shooping im KaDeWe ungetrübt weiter. Doch die Angst vor einem weiteren Überfall ist da.

Nur noch drei Tage bis Weihnachten, aber zum Glück ist ja verkaufsoffener Sonntag. Den lässt sich das KaDeWe nicht nehmen, und die Kundschaft erst recht nicht. Schon vor der offiziellen Öffnung um 13 Uhr haben sich auf der Straße lange Schlangen gebildet – an sämtlichen Eingängen. Dann, endlich, gehen die Türen auf, die Massen drücken sich hinein. Das Geschenke-Shopping in der bunten Glitzerwelt kann beginnen.

Fast nichts erinnert an das Chaos, das hier am Sonnabend ausgebrochen war. Vier oder fünf maskierte Täter hatten das Traditionskaufhaus am Wittenbergplatz um 10.20 Uhr überfallen, Uhren und Schmuck erbeutet, Reizgas versprüht. Laut Feuerwehr breitete sich das Gas über die Klimaanlage im Erdgeschoss bis in die Stockwerke darüber aus. Elf Menschen, darunter ein Kind, mussten wegen Augenreizungen in einem Rettungswagen der Berliner Feuerwehr ambulant behandelt werden. Auch ein Sicherheitsmann, der sich den Tätern in den Weg stellen wollte, wurde besprüht.

Die Freude am Einkaufen trübt der Vorfall einen Tag später nicht. „Ich habe davon gehört, aber mich stört es nicht. Ich muss noch so viel besorgen“, sagt Matthias aus Wedding. Und überhaupt, so ein anderer Kunde, es sei doch sehr unwahrscheinlich, dass das KaDeWe heute noch mal überfallen würde, oder?

Die, die direkt betroffen waren, sehen es nicht so locker. „Es war sehr emotional, niemand konnte damit rechnen“, sagt eine Mitarbeiterin des Schweizer Luxus-Juweliers Chopard, dessen Shop die Täter sich als Ziel ausgeguckt hatten. Er befindet sich von allen Geschäften mit am nächsten am Ost-Eingang, Ansbacher Straße, über den die Räuber das Gebäude betraten – und auch wieder verließen. Dort wartete bereits ein Fluchtfahrzeug mit offenen Türen. Eine Dame namens Rosa, die dort Prospekte verteilte, hatte sich über das Auto gewundert. „Dann schrie jemand: ‚Alle weglaufen’“, berichtet sie. Ein Sicherheits-Mitarbeiter habe die Passanten gewarnt. Auch sie habe sich dann in Sicherheit gebracht – und konnte nicht beobachten, wer zu dem Wagen zurückkam.

KaDeWe-Räuber erbeuten wertvolle Unikate

Bekannt ist: Die Täter flohen von der Ansbacher Straße in Richtung Kreuzung An der Urania und Martin-Luther-Straße. Dort verliert sich ihre Spur. Laut Polizei handelten die Räuber schnell und überlegt, der Überfall dauerte nur ein paar Minuten. „Sie haben die Vitrinen zerschlagen und zahlreiche wertvolle Unikate erbeutet“, sagt die Chopard-Mitarbeiterin, die aus Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden will. „Es war ein Schock, wir sind alle immer noch traumatisiert.“ Die Kollegen hätten den Sonntag auch zu Hause bleiben können, doch sie wollten ihren Arbeitgeber offenbar nicht im Stich lassen. „Wir sind ein tolles Team.“

Und das Geschäft muss weitergehen, gerade zur Weihnachtszeit. Während das KaDeWe am Sonnabend um kurz vor 12 Uhr wieder geöffnet wurde, blieb Chopard für den Rest des Tages geschlossen. Beamte der Berliner Kriminalpolizei sperrten den Tatort ab, befragten Zeugen, suchten nach Spuren. Am verkaufsoffenen Sonntag wollen sie bei Chopard wieder den Anschein von Normalität erwecken. Die drei zerstörten Glasvitrinen, in der Branche „Cubes“ genannt, konnten schnell ersetzt werden, sie wurden von einer Schwesterfiliale am Kurfürstendamm zugeliefert. Noch sind sie leer. „In all dem Trubel sind wir noch nicht dazu gekommen, dort neue Ware auszulegen“, sagt die Mitarbeiterin. Wie hoch der entstandene Schaden ist, wollen Polizei und Unternehmen nicht mitteilen. Der Fall sei aber bereits an die Versicherung weitergeleitet.

Auch wenn es niemand zugeben will: Die Angst vor einem weiteren Überfall ist da. Denn offenbar schreckt auch eine umfangreiche Kameraüberwachung, wie sie das KaDeWe vorweisen kann, nicht vor Raubüberfällen ab. Die Verantwortlichen haben nun offenbar reagiert. Wie ein Sicherheitsmann des Hauses der Berliner Morgenpost berichtete, seien seit Sonnabend „mindestens zehn Sicherheitsleute“ mehr im Einsatz. Tatsächlich ist die Präsenz von Security am Sonntag auffällig. Gerade im Erdgeschoss, wo die wertvollsten Luxusgüter an den Mann gebracht werden.

Kennzeichen waren gestohlen

„Jedes Kaufhaus hat seine individuelle Antwort auf solche Vorfälle“, sagt Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB) im Gespräch mit der Morgenpost. Er bescheinigt dem KaDeWe insgesamt eine sehr professionelle Vorgehensweise. „Es war gut, dass es so schnell wieder geöffnet hatte. Der Schaden durch den Diebstahl sollte schließlich nicht höher sein als durch die Schließung.

Ob die Beute den Weg zurück zu ihrem Besitzer findet, ist unklar. Denn die Polizei hat aktuell noch keine Spur von den Tätern. Bis zum Sonntagmittag wurden 40 Zeugen befragt. Bei dem Fluchtwagen soll es sich um einen dunklen Audi-Kombi handeln, bestätigte eine Polizeisprecherin. Die an dem Auto montierten Kennzeichen waren bereits als gestohlen gemeldet. Außerdem hatten die Räuber neben Reizgas auch mindestens eine Schusswaffe, die nicht eingesetzt wurde. Unklar ist jedoch, ob es sich um eine scharfe oder eine Schreckschusswaffe gehandelt hat. mit dpa