Das Land Berlin und seine Tochterunternehmen vergeben Jahr für Jahr Aufträge im Wert von vier bis fünf Milliarden Euro. Doch ausgerechnet die Vergabekammer des Landes Berlin, erste Anlaufstelle für Firmen, die sich bei größeren Ausschreibungsverfahren benachteiligt fühlen, ist seit mehr als einem Jahr nur noch eingeschränkt arbeitsfähig – wegen Personalknappheit.
Die Folge: Beschwerden bleiben unbearbeitet, gerade Großprojekte verzögern sich um viele Monate. Denn die Vergabekammer ist nur für Ausschreibungen nach EU-Recht zuständig und damit für öffentliche Aufträge mit einem Volumen ab fünf Millionen Euro.
Jüngstes Beispiel: Das Zeiss Großplanetarium in Prenzlauer Berg soll für 13 Millionen Euro grundlegend modernisiert werden. Im April wurde es für die Umbauten geschlossen – für ein Jahr, wie es hieß. An eine Wiedereröffnung ist aber nicht zu denken, solange über die Vergabe der digitalen Projektionstechnik nicht entschieden ist. „Die Eröffnung wird sich definitiv verzögern“, bestätigte eine Sprecherin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (Bim), die die Ausschreibungen für die Stiftung Technikmuseum übernommen hat. Besonders pikant: Die Carl Zeiss AG, deren Gründer dem Planetarium seinen Namen gab, gehörte zu den Mitbietern für eine neue Projektions- und Medientechnik, ging bei der Vergabe jedoch leer aus.
Automatisch zum Kammergericht
„Da nach Auffassung von Zeiss und Rechtsexperten die Ausschreibung fehlerhaft durchgeführt wurde, hat Zeiss das Nachprüfverfahren eingeleitet“, bestätigt Unternehmenssprecherin Gudrun Vogel. Zeiss legte im November 2013 Beschwerde bei der Vergabekammer ein. Weil der Antrag dort wegen personeller Engpässe nicht in der vorgeschriebene Frist von fünf Wochen bearbeitet werden konnte, war der Vorgang automatisch an das Kammergericht gegangen. Bis zum heutigen Tage gibt es dort aber keinen Verhandlungstermin.
Doch die Beschwerde der Zeiss AG ist längst nicht der einzige Fall, den das Berliner Kammergericht entscheiden muss, weil die Vergabekammer die Beschwerde eines Bieters nicht rechtzeitig behandelt hat. „Innerhalb der letzten zirka anderthalb Jahre“ hätten die Vergabekammern in Bausachen nicht mehr zeitnah über Beschwerden entschieden, sagt Gerichtssprecherin Annette Gabriel. Sieben Vergabebeschwerden sind dieses Jahr beim Berliner Kammergericht schon eingegangen.
„Das Problem beschäftigt uns schon eine ganze Weile“, sagt Sprecher Alexander Dennebaum, Sprecher der Senatswirtschaftsverwaltung, bei der die Vergabekammer des Landes Berlin angesiedelt ist. Denn jede der beiden Abteilungen der Vergabekammer muss mindestens mit einem Volljuristen besetzt sein. Krankheitsbedingt habe der nicht immer zur Verfügung gestanden. Dennebaum weiß von „neun Fällen in den zurückliegenden drei Jahren“, in denen wegen Untätigkeit der Vergabekammer das Gericht angerufen wurde.
Die Justiz soll helfen
Der Berliner Senat hat nun reagiert. Künftig soll nicht mehr die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sondern die Justizverwaltung die beiden hauptamtliche Mitglieder der für Bausachen zuständigen Beschlussabteilung der Vergabekammer benennen. Denn mindestens ein Mitglied muss über die Befähigung zum Richteramt verfügen. „Da im Justizressort wesentlich mehr Dienstkräfte diese Anforderung erfüllen, haben sich die Senatsverwaltungen auf den Wechsel geeinigt“, teilte die Senatsverwaltung für Justiz mit. Aktuell habe sich die personelle Situation der Vergabekammer entspannt, betonte auch Alexander Dennebaum von der federführenden Wirtschaftsverwaltung. „Derzeit werden alle Nachprüfungsanträge bearbeitet“.