Der designierte Regierende Bürgermeister Michael Müller hat seinen Nachfolger als Stadtentwicklungssenator vorgestellt: Andreas Geisel setzt auf mehr Wohnraum - und will den Autobahnring schließen.
Mit Andreas Geisel ernennt der designierte Regierende Bürgermeister Michael Müller, SPD, einen langjährigen politischen Weggefährten zu seinem Nachfolger als Stadtentwicklungssenator. Der gebürtige Ost-Berliner arbeitet seit 19 Jahren in verschiedenen Positionen im Bezirksamt Lichtenberg, seit 2011 als Bezirksbürgermeister. Geisel, 48, ist verheiratet und Vater zweier Töchter.
Berliner Morgenpost: Herr Geisel, haben Sie eigentlich Angst vor Rückenschmerzen bei dem Rucksack, den Ihnen Michael Müller mit auf den Weg gibt?
Andreas Geisel: Nein, Michael Müller hat ganz viele Dinge angestoßen. Das muss jetzt umgesetzt werden. Irgendjemand muss es machen und da ist mir lieber, ich mache das selbst, dann kann ich es gestalten und die Schwerpunkte setzen, die ich für sinnvoll halte. Ich habe Riesenrespekt vor der Aufgabe, aber keine Angst vor Rückenschmerzen.
>> Kommentar: Zwei überzeugende Vorschläge <<
Inwieweit ist das, was Sie in Lichtenberg gemacht haben auf das Land übertragbar?
Was wir in Lichtenberg hinbekommen haben ist, dass wir nicht nur ein Wohnungsbündnis mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und einigen Genossenschaften hinbekommen haben, sondern auch mit den privaten Bauherren. Das Problem, das wir in Berlin derzeit haben ist, dass wir zwar viele Baugenehmigungen erteilen – in diesem Jahr werden es 20.000 sein – aber wir hängen bei den Realisierungen hinterher. Bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften klappt das mit dem Bauen auf landeseigenen Grundstücken schon ganz gut, aber die Genossenschaften halten sich noch etwas zurück. Wir müssen also sehen, dass wir den Genossenschaften Grundstücke auch preisgünstig oder zum Verkehrswert zur Verfügung stellen.
Hat Berlin da die Entwicklung verschlafen?
Wer kann die Zukunft schon am besten vorhersagen? Natürlich wäre es gut gewesen, sich vor zehn Jahren darüber Gedanken zu machen. Da haben wir aber nicht darüber geredet. Jetzt, da wir darüber reden, stellen wir fest, wie dringlich es ist. Dass der Zuzug nach Berlin solche Größenordnungen erreicht, hat niemand prognostiziert. Aber es braucht nun einmal Zeit, Immobilien zu bauen und so hinken wir der Entwicklung hinterher. Gerade deshalb dringe ich darauf, dass wir mehr Wohnungen tatsächlich realisieren. Gebaute Wohnungen, die preiswert sind, die sind wichtig.
Haben Sie da schon eine Idee, wie Sie das beschleunigen können?
Die neue Liegenschaftspolitik des Landes Berlin betreiben wir seit drei Jahren. Ich finde es gut, dass wir Grundstücke nicht mehr zum Höchstpreisverfahren verkaufen. Aber wenn wir uns die Anzahl der Grundstücke ansehen, die auf den Markt kommen, ist das sehr überschaubar. Ich schätze, das sind so 35.
Wie viele hängen in der Warteschleife?
In der Warteschleife hängen knapp 1000 Grundstücke. Aber wir müssen die Grundstücke jetzt den Wohnungsbaugesellschaften und den Investoren, die vertraglich preiswerte Mieten zusagen, auch zur Verfügung stellen.
Wie wollen Sie mit dem Protest der Anwohner überwinden, der fast überall auftaucht, wo leere Flächen bebaut werden?
Überwinden ist kein schönes Wort. Man muss nur die Situation schildern. Diese Barrieren sind emotional. Auch ich würde nicht wollen, dass meine lieb gewordene Brachfläche bebaut wird. Klar muss aber auch sein, dass die Annahme, alles soll besser werden, aber nichts soll sich ändern, nicht gelingt. Die Veränderungen finden nicht nur im Fernsehen statt, sondern wirklich. Die Leute kommen zu uns und sie fragen auch nicht, ob sie nach Berlin ziehen dürfen. Sie kommen einfach. Berlin verändert sich. Darauf müssen wir reagieren. Es bleibt nichts so, wie es ist, wenn wir nichts tun. Das muss verstanden werden.
Es gibt immer wieder Probleme zwischen Bezirken und Senat. Wie werden Sie als langjähriger Bezirkspolitiker damit umgehen?
Es gibt unterschiedliche Rollen. Ich habe mich als Bezirksbürgermeister bemüht, keine Blockadehaltung einzunehmen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich jetzt Senator werde. Es ist sinnvoller, wenn Senat und Bezirke an einem Strang ziehen. Ich halte wenig davon, sich zurückzulehnen, Gott zu spielen und alles besser zu wissen. Die Bezirke sind gut beraten, sich als Teil des Landes Berlin zu sehen. Aber der Senat ist auch gut beraten zu erkennen, dass jeder einzelne Bezirk eine eigene Großstadt ist. Die können was, und die müssen ernst genommen werden.
Das heißt, es ist im wesentlichen ein Kommunikationsproblem?
Ja. An einigen Stellen haben wir auch Strukturen, die wir aufbrechen müssen. Da brauchen wir mehr Dezentralität. Bei der Verkehrslenkung haben wir die Idee, Probleme zentral zu lösen. Mit dieser Zentralität ist ein Flaschenhals entstanden und jetzt haben wir ein Problem. An solchen Stellen bin ich sehr dafür, die Entscheidungen zu dezentralisieren.
Der Senat hat sich die Infrastruktur zum zentralen Thema gemacht hat. Wo sehen Sie da Schwerpunkte?
Der BER wird eines Tages eröffnen. In diesem Moment verschieben sich die Achsen der Stadt. Berlin muss darauf vorbereitet sein, dass die Verkehrsströme sich verändern. Dann müssen die Gewerbegebiete Berlins auf den neuen Flughafen ausgerichtet sein. Die Tangentialverbindung Ost muss dringend gebaut werden. Ich bin auch für den Weiterbau der A 100...
...diesen und den nächsten Bauabschnitt?
Ja. Der Autobahnring muss geschlossen werden. Am Ende des 16. Bauabschnitts, an der Elsenbrücke, werden wir ein Verkehrsproblem bekommen. Wir können den Stau natürlich nicht immer ein Stück weiter an das Ende der Autobahn verschieben, deswegen brauchen wir den Weiterbau bis zum Pankower Autobahn-Zubringer. Das halte ich für vernünftig.