Heime und Container

Flüchtlingsunterkünfte ohne Plan - Czaja in Erklärungsnot

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Jens Anker und Laura Réthy

Foto: Rainer Jensen / dpa

Kurz vor Weihnachten soll das erste Berliner Containerdorf für Flüchtlinge stehen. Der Senat weiß baer nicht, wie viele Container eigentlich bestellt sind und was sie kosten sollen.

Die Zustände bei der Unterbringung von Flüchtlingen sind offenbar chaotischer als bislang bekannt. Weder Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) noch der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), Franz Allert, konnten am Montag Angaben darüber machen, wie viele Container zum Bau von Flüchtlingsheimen bestellt sind und was sie kosten sollen. „Wir haben erste Zuschläge erteilt“, sagte Czaja im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses lediglich. Auch wer die beauftragten Firmen sind, konnten beide nicht beantworten. Ursprünglich sollte das erste Containerdorf am 22. Dezember in Treptow-Köpenick fertig sein. „An diesem Ziel halten wir fest“, sagte Czaja.

Seit zwei Wochen steht das Landesamt in der Kritik, zum einen wegen möglicher familiärer Verquickungen seines Präsidenten im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen, zum anderen wegen undurchsichtiger Pachtverträge für neue Flüchtlingsheime. Zur Aufklärung der Vorwürfe gegen Allert sollen in den nächsten Wochen Wirtschaftsprüfer beauftragt werden, kündigte Czaja an. Zuvor hatte sich der Rechnungshof geweigert, die Vorwürfe zu untersuchen. Stattdessen werde nach Anschluss der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft das gesamte Vergabeverfahren im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften geprüft, sagte Czaja weiter. Allert steht im Verdacht, sein Patenkind bei Vergaben möglicherweise bevorteilt zu haben. Der Lageso-Präsident bestreitet die Vorwürfe, Czaja sieht keine Veranlassung, an der Darstellung des Präsidenten zu zweifeln. Derzeit überprüft die Innenrevision des Lageso die Vorgänge. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige Vorermittlungen aufgenommen.

Bezirke sind mehr als ausgelastet

Andere Vorwürfe betreffen den Bau von Flüchtlingsunterkünften auf einem Grundstück in Britz, das das Land nur für zwei Jahre gepachtet hat. Insgesamt 8,2 Millionen Euro stellte das Lageso für den Bau zur Verfügung, der Pachtvertrag endet allerdings bereits Ende kommenden Jahres. „Wir haben Signale erhalten, dass wir die Einrichtung länger nutzen können“, sagte Allert. Sollte es zu keiner Einigung kommen, müssen die Gebäude wieder abgerissen werden.

Seit zwei Jahren steigt die Anzahl der Flüchtlinge stark an. Bislang hat sich die Zahl der Asylbewerber in diesem Zeitraum vervierfacht. Allein in diesem Jahr erwartet das Lageso 12.000 neue Flüchtlinge in der Stadt. Ein Drittel der zwölf Berliner Bezirke hat bereits mehr Flüchtlinge aufgenommen, als sie Plätze hat. So kann Spandau beispielsweise 1605 Flüchtlinge aufnehmen, doch am 11. November waren es nach Angaben des Lageso bereits 1877 Flüchtlinge, die dort untergebracht waren. Das entspricht einer Auslastung von 117 Prozent. Auch Lichtenberg, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick liegen bereits über ihrer Kapazitätsgrenze. Weitere drei Bezirke haben diese Grenze bereits erreicht oder liegen nur einzelne Plätze davon entfernt. Einzig Steglitz-Zehlendorf befindet sich mit einer Auslastung von 82 Prozent noch nicht nahe der Kapazitätsgrenze. Doch liegt die Zahl zur Verfügung stehender Plätze mit 310 auch weit unter der anderer Bezirke.

Ein Abebben der Flüchtlingszahlen ist nach Angaben Czajas in den kommenden Monaten wegen der politischen Unruhe in den Krisengebieten des Nahen Ostens und Osteuropas nicht zu erwarten. Um dennoch jedem Flüchtling möglichst sofort ein Dach über dem Kopf bieten zu können, werden derzeit zwei Traglufthallen im Poststadion an der Lehrter Straße errichtet. Nicht als Dauerunterkunft, wie Czaja am Montag beteuerte, „sondern um vorübergehende Härten“ zu vermeiden.

Auch Kirche plant Unterkünfte

Neben den geplanten sechs neuen Containerdörfern und der Nutzung leerstehender landeseigener Gebäude sind derzeit weitere Unterkünfte geplant, um die ankommenden Flüchtlingen bis zur Klärung ihres Asylverfahrens unterzubringen. So stellt die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 500.000 Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung. Diese Summe hat die Synode für dieses Haushaltsjahr bewilligt. Wie genau das Geld eingesetzt werden soll, ist jedoch noch nicht klar. Auch nicht, welche Kirche oder Gebäude in Berlin in Frage kommen. „Das ist eine Idee, für die erst noch ein Konzept entwickelt werden muss“, sagte Heike Krohn, Sprecherin der Kirche.

Man könne sich zum Beispiel vorstellen, aus einer Kirche einen Anlaufpunkt für Flüchtlingsberatung zu machen, so Krohn. Für den nächsten Doppelhaushalt wünscht sich die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz weitere 500.000 Euro. Beschlossen ist das jedoch noch nicht. Finanziert werden soll die Unterstützung für die Flüchtlinge über Mehreinnahmen aus der Kirchensteuer. Wann genau das Konzept fertig sein soll, ist noch nicht klar. „Aber es muss natürlich schnell gehen, weil es ein dringendes Problem ist“, so Krohn.