Wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten beim Betrieb von Flüchtlingsheimen ist der LaGeSo-Chef in die Kritik geraten. Die SPD fordert Sozialsenator Czaja auf, sich persönlich darum zu kümmern.

In der Affäre um mögliche Vetternwirtschaft im Geschäft mit dem Betrieb von Asylbewerberheimen zieht jetzt auch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Kritik auf sich. Die Initiative, die bereits die Ermittlungen gegen den Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), Franz Allert, auslöste, hat am Freitag auch Czaja persönlich angezeigt. Die Arbeitsgemeinschaft Migration der Berliner SPD fordert Czaja auf, die Aufklärung zur Chefsache zu machen.

Der Senator müsse offenlegen, „inwieweit er von den Verbindungen zwischen Franz Allert und dem Geschäftsführer des Betreibers von Flüchtlingsheimen Gierso Boardinghaus GmbH, Tobias Dohmen, gewusst habe“, erklärte der Vorsitzende der SPD-AG, Aziz Bozkurt, am Freitag. Allert ist der Patenonkel von Dohmen, der seit Herbst 2012 Geschäftsführer der Gierso ist. Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob der Beamte seinen Patensohn bei der Vergabe von Aufträgen begünstigt hat.

Immer wieder Kritik

Der Sozialsenator müsse beantworten, warum seine Verwaltung der Kritik an diesem Betreiber in den vergangenen Jahren nicht genauer nachgegangen sei, sagte Bozkurt. Mehrfach hätten Initiativen auf zu wenig Personal und Ausstattungsmängel in den Unterkünften der Gierso GmbH hingewiesen. „Das unzureichende Qualitätsmanagement und die häufige Vergabe von Aufträgen ohne Ausschreibungen hinterlässt ein starkes Geschmäckle“, kritisierte Bozkurt. „Czaja hätte für die Vergabe von Aufträgen für den Bau und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften ein transparentes Verfahren entwickeln müssen, sagte der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt.

Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Sozialausschusses. Immer wieder seien die Firmen Gierso und PeWoBe in die Kritik geraten, weil sie gegen Behördenauflagen verstoßen und ein insgesamt intransparentes Geschäftsgebaren an den Tag gelegt hätten, sagte die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Canan Bayram: „Dennoch galten sie als zuverlässiger Geschäftspartner und erhielten Aufträge.“

Die Gierso betreibt fünf Heime mit 800 Plätzen, die PeWoBe acht Unterkünfte mit 2000 Plätzen. Insgesamt finden derzeit in 48 Unterkünften 11.668 Flüchtlinge Platz, 620 weitere leben in Hostels oder Pensionen. Das Land Berlin wird in diesem Jahr deutlich mehr als 100 Millionen Euro für die Unterbringung der Flüchtlinge an die Betreiber überweisen. Die Tagessätze liegen für Heime mit Selbstverpflegung nach Angaben des Lageso zwischen acht und 36 Euro pro Kopf.

„Warum hat er gebilligt, dass es keine Ausschreibungen gab?“

Udo Bockemühl von der Initiative Neue Nachbarschaft Moabit, die sich um Flüchtlinge im Gierso-Heim an der Levetzowstraße kümmert, hat seine Vorwürfe nach seiner Anzeige gegen Allert bei der Staatsanwaltschaft nun auf Czaja erweitert. Allert habe gesagt, er habe den Senator 2012 darüber informiert, dass sein Patensohn Geschäftsführer der Gierso geworden sei. „Wenn der Senator das seit 2012 weiß, warum hat er gebilligt, dass es keine Ausschreibungen gab?“, kritisierte Bockemühl. Lange habe es gar keine Verträge gegeben, die die Anforderungen an den Betreiber detailliert festgeschrieben hätten. Inzwischen gebe es zwar solche Kontrakte, es werde aber kaum geprüft, ob die Unternehmen ihre Zusagen auch einhielten. Czaja ließ ausrichten, er habe von der Staatsanwaltschaft noch keine Informationen über die Anzeige gegen sich vorliegen.

Nach seiner Darstellung hat es vor allem über das Heim an der Levetzowstraße in Tiergarten Beschwerden gegeben. Der Betreiber habe Geld erhalten, etwa für eine Kinderbetreuerin, diese habe es aber nicht gegeben. Auch erhalte die Gierso einen hohen Tagessatz, der sich auch durch hohe Kosten rechtfertigt, um das Gebäude für 260 Menschen herzurichten. Dabei habe das Lageso die Investitionen bereits selber bezahlt.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege für das Lageso, an Unterkünfte für Flüchtlinge oder andere Bedürftige zu kommen. Immobilienbesitzer bieten ihr Objekt an, werden dann entweder ausgewählt oder eben nicht. In diesem Fall ist eine Ausschreibung nicht notwendig. Oder die Behörde sucht selbst für landeseigene Liegenschaften nach einem Betreiber. Auch in diesem Fall, der etwa für die Hälfte der in den vergangenen zwei Jahren eröffneten Unterkünfte gilt, verzichtet die Behörde in der Regel darauf, unter mehreren Anbietern das beste Konzept oder das wirtschaftlichste Angebot auszusuchen.

Keine klare Aussage vom Lageso

Weil die Flüchtlingszahlen die Prognosen überschreiten, wäre „ohne das Instrument der freihändigen Vergabe“ das „Eintreten von Obdachlosigkeit unvermeidbar“. Das war die Antwort des Sozialsenators auf eine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt im Sommer dieses Jahres. Das Lageso vermeidet auf Nachfrage der Morgenpost eine klare Aussage, ob und wann es verpflichtet ist, Betreiberverträge auszuschreiben. Das Haus Allert vergibt aber auch bei längerfristigen Vorhaben frei. Die Betreiber der sechs geplanten Containerdörfer für bis zu 2400 Flüchtlinge suchte die Behörde frei aus. Fünf gemeinnützige und ein privater Betreiber kommen zum Zuge. Es sind nicht Gierso und PeWoBe.