Große Fenster hat die alte Fabriketage. Staffeleien sind aufgestellt, Farbtöpfe und Pinsel. Große, farbenprächtige Bilder hängen an den Wänden. Mehrere Künstler teilen sich den großen Raum in einem Hinterhof am Erkelenzdamm in Kreuzberg. Doch wie lange noch? Das ist die bange Frage.
Zum Jahresende sind die Mietverträge der 21 Maler, Bildhauer und Architekten gekündigt worden. Seit 17 Jahren wird der unsanierte Industriebau für Ateliers genutzt. Nun ist das Haus verkauft worden. Ob der neue Eigentümer die Künstler weiter zu günstigen Konditionen im Gebäude arbeiten lässt, ist fraglich.
Nahe der Eingangstür arbeitet Elke Philomena Kupfer an einem Porträt. „Wir haben uns hier etwas aufgebaut“, sagt sie. „Es ist wichtig, dass wir Räume haben, um zu arbeiten.“ Sie wisse nicht wohin mit ihren Arbeiten, wenn die Ateliers geräumt werden müssen. Ähnlich ungewiss ist das Schicksal anderer Kunstorte. Das Atelierhaus Mengerzeile in Alt-Treptow soll Wohnungen weichen.
Die Künstlergemeinschaft in der Köpenicker Straße in Mitte hat die Kündigung zu Ende November bekommen, aber durch Gespräche erreicht, dass sie erst im April 2015 ausziehen muss. Die Maler und Bildhauer in der alten Schultheiß-Brauerei in Moabit rechnen damit, dass sie zum Jahresende das Areal verlassen müssen. Einigen ist schon zu Ende September gekündigt worden. Das Gelände soll zu einem Einkaufszentrum umgebaut werden.
Immer mehr Ateliers in Berlin droht das Aus
Weil so viele traditionelle Kunstzentren unmittelbar gefährdet sind, haben sich jetzt 500 Künstler von acht Standorten zur „Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser“ zusammengeschlossen. Sie wollen um die angestammten Räume kämpfen und um andere, ungenutzte Gebäude in öffentlicher oder privater Hand, die sich als Ateliers eignen.
Diese Künstlerallianz stellte sich am Donnerstag in Kreuzberg vor. „Das Ateliersterben in Berlin war noch nie so schlimm wie 2014“, sagt Katja Sehl, bildende Künstlerin aus den Gerichtshöfen in Wedding. „Wir wollen unsere Arbeitsplätze in der Innenstadt langfristig erhalten.“ Man plane, sich in die Politik des Senats und der Bezirksämter einzumischen. „Wir wollen Aktionen durchführen und stadtweit Aufmerksamkeit erregen.“
Malerin Elke Philomena Kupfer stammt aus Halle an der Saale. Vor sieben Jahren ist sie nach Berlin gekommen. Sie hat den Umzug nicht bereut. „Hier arbeite ich ganz anders, viel aktueller. Und fühle mich sehr befreit.“ Auch wenn sie damit nicht reich werde, ebenso wenig wie die anderen Künstler im Haus. „Die meisten leben am Existenzminimum. Viele haben eine Zweitjob, um noch etwas Geld zu verdienen.“ Sie schätzt das alte Fabrikgebäude am Erkelenzdamm. Auch die Umgebung, der Kiez am Kottbusser Tor, profitiere davon. „Hier ist viel Raum. Man könnte ein Kunstzentrum daraus machen.“
Eine Galerie könne eingerichtet werden, ein Café. Die Malerin meint, dass das auch für den neuen Eigentümer attraktiv sein könnte. Man habe einen Brief an diesen geschrieben, die Firma Akelius. „Wir versuchen, diese Arbeitsmöglichkeiten zu erhalten.“ Auch an die Bezirksverordneten und an Kulturstaatssekretär Tim Renner haben sich die Künstler mit der Bitte um Hilfe gewendet.
„Trüffelschweine“ für Investoren
Die Kunst- und Kulturschaffenden seien wie „Trüffelschweine“, sagt Mariele Bergmann, die ebenfalls im Erkelenzdamm 11-13 arbeitet. „Wir stöbern leere und meist verwahrloste Gebäude auf, machen sie funktionstüchtig und bewirken den Aufbau eines sozialen Umfelds.“ Dies gehe solange, bis die Lage für Investoren interessant wird und den Künstlern die Räume gekündigt werden.
Doch die Künstler seien auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, weil sie die Stadt attraktiv für Touristen machten. Das Atelierhaus Mengerzeile in Alt-Treptow existiert seit 22 Jahren. Es wurde 1993 in einem alten Fabrikgebäude eingerichtet. Das Gebäude sei in diesem Jahr verkauft worden, sagt Thomas Tuchel vom Verein. Der Künstlerverein habe das Haus selbst erwerben wollen, doch dies habe der Vorbesitzer abgelehnt. Nun sollen Wohnungen statt der Ateliers eingerichtet werden. Bis März 2016 dürfen die 40 Künstler noch bleiben.
Noch nicht gekündigt sind die Räume des Atelierhauses PostOst an der Palisadenstraße in Friedrichshain. Das Haus sei kürzlich von der Deutschen Telekom an einen amerikanischen Investmentfonds verkauft worden, sagt Ole Voss, der als freischaffender Künstler eine Werkstatt in dem einstigen Postgebäude nutzt. „Wir wissen noch nicht, was der neue Eigentümer vorhat.“ Grafiker, Designer und Fotografen arbeiten im Gebäude, Bands proben in schallisolierten Räumen. Auch sie haben sich der Allianz bedrohter Atelierhäuser angeschlossen.
Die Vernetzung der Künstler habe begonnen, sagt Florian Schmidt, Atelierbeauftragter für Berlin. Es gebe auch Möglichkeiten der Stadtplanung, die schwierige Situation zu verbessern. Bei Bebauungsplänen für neue Wohnquartiere sollte nicht nur der Bedarf an Kita- und Schulplätzen berücksichtigt, sondern auch Räume für kulturelle Nutzung eingeplant werden.
Mehr zu der Allianz unter abbanetzwerk.tumblr.com