In die Berliner Sanierungsgebiete haben die Bezirke Millionen gesteckt. Einen Teil holen sie sich zurück - von den Hauseigentümern. Weil dort der Grundstückswert gestiegen ist, sollen sie zahlen.
Einige Berliner Bezirke erzielen derzeit Millioneneinnahmen von privaten Haus- und Wohnungseigentümern. In den Sanierungsgebieten, die mit staatlichen Mitteln aufgewertet wurden, müssen diese Eigentümer einen sogenannten Ausgleichsbeitrag zahlen. Das Bezirksamt Pankow ist mit fast 110 Millionen Euro Spitzenreiter bei diesen Einnahmen. 55 Millionen Euro wurden in den vergangenen zwei Jahren bereits gezahlt, weitere 53 Millionen Euro erwartet die Behörde in den kommenden Jahren.
„Wir sanieren Gebiete, deswegen erhöht sich der Grundstückswert, und die Ausgleichsbeiträge schöpfen einen Teil dieser Wertsteigerung ab“, sagte Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne). Die Pflicht zu dieser Abgabe ist im Baugesetzbuch festgelegt. Fast 53 Millionen Euro werden in den kommenden Jahren aus diesen Beiträgen erwartet.
Davon fast 23 Millionen Euro aus dem Gebiet Helmholtzplatz, elf Millionen vom Teutoburger Platz und je 5,7 Millionen aus den Quartieren Winsstraße und Wollankstraße. Hausbesitzer am Kollwitzplatz haben bereits rund 22 Millionen überwiesen. „Im Vergleich zu dem, was in diese Sanierungsgebiete an staatlichem Geld geflossen ist – fast eine Milliarde Euro – ist es nicht so viel“, so Kirchner. Es sei ein „mehr als angemessener kleiner Obolus“. Im Weißenseer Komponistenviertel saniert der Bezirk noch.
Rücklagen wegen Rechtstreitigkeiten
Damit hatte Pankow insgesamt sieben Sanierungsgebiete, sechs sind wieder aus diesem Status entlassen. Anschließend haben die Behörden maximal vier Jahre Zeit, die Ausgleichsbeiträge einzufordern. Das eingenommene Geld wird vom Amt zum großen Teil wieder in den Sanierungsgebieten eingesetzt. „Um Projekte zu verwirklichen, die schon vor Jahren festgelegt wurden“, sagt Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Kirchner. Eines dieser Vorhaben sei die Turnhalle an der Heinrich-Roller-Straße. Auch die Umgestaltung der Pappelallee, die Radstreifen bekommt und Parkbuchten, wird aus den Ausgleichsbeiträgen bezahlt. Voraussetzung dafür ist, dass Kirchners Mitarbeiter die Hauseigentümer ausfindig machen und die Zahlungsforderung an die richtige Adresse schicken. Das sei teilweise sehr aufwendig, so der Stadtrat. „Finden Sie mal einen Eigentümer, der in Südamerika wohnt oder in den Tiefen des Urals.“
Die Eigentümer seien nicht erfreut über die Zahlungsforderungen des Amtes. Trotzdem werde bezahlt, „auch wenn darum gestritten wird“, sagte der Stadtrat. Deshalb legt das Pankower Amt einen Teil der Einnahmen für Rechtsstreitigkeiten wegen der Berechnung der Beiträge zurück. Sechs Millionen Euro beträgt diese Reserve. Es könnte sein, dass das Gericht eine Rückzahlung anordnet, sagte Kirchner. Denn viele Eigentümer akzeptieren die Höhe der geforderten Summe nicht.
Vor dieser Situation steht auch Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU). Rund 40,5 Millionen Euro hat sein Amt bereits eingenommen. Die gezahlten Ausgleichsbeiträge stammen hauptsächlich aus der Rosenthaler Vorstadt und der Spandauer Vorstadt. Sie sollen in die neuen Sanierungsgebiete fließen. Aber es sei eine Vielzahl von Widersprüchen anhängig, hieß es aus dem Büro des Stadtrates. Deshalb werden rund 15 Millionen Euro zurückgelegt, falls das Bezirksamt die Gerichtsverfahren verliert und Teile der eingeforderten Summen wieder zurückerstatten muss.
Kritik der Eigentümer
Doch es lasse sich eigentlich nicht beweisen, dass der Bodenwert infolge der Gebietssanierung gestiegen sei, kritisierte Dieter Blümmel, Sprecher des Berliner Eigentümerverbandes Haus und Grund. „Wir stellen immer wieder fest, dass es andere Einflussfaktoren sind, die zur Bodenwertsteigerung führen, vor allem die erhöhte Nachfrage.“ In Berlin habe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein kompliziertes Verfahren zur Berechnung der Ausgleichsbeiträge entwickelt, die sogenannte Zielbaumethode, so Blümmel. Diese Methode werde vom Verwaltungsgericht immer wieder angewandt. Die Fachliteratur zweifele jedoch das Verfahren an. In jüngster Zeit gebe es Anzeichen, dass auch die Gerichte Zweifel an der Methode haben, so Blümmel.
Viele Eigentümer lehnen die Abgabe auch nicht grundsätzlich ab, sondern sehen die Höhe der geforderten Beiträge kritisch. „Grundsätzlich halte ich die Ausgleichsabgabe für eine sinnvolle Einrichtung, da die Immobilieneigentümer in der Tat von den Wertsteigerungen durch die öffentlichen Investitionen profitieren“, sagte Rainer Bahr, Chef der Immobilienfirma econcept. Problematisch finde auch er die Berechnungen durch die Behörden. „Es wurde eine komplizierte Methode entwickelt, die dazu führt, dass Wertsteigerungen auf dem Immobilienmarkt direkt zu einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe führen.“ Seine Firma sei davon nicht betroffen, weil sie vor Beginn der Arbeiten an Gebäuden in Sanierungsgebieten einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abgeschlossen habe, in dem die Ausgleichsabgabe fest vereinbart wurde.
Neben Pankow und Mitte haben auch andere Bezirke haben Einnahmen durch die Ausgleichsbeiträge, allerdings nicht so hohe. In Neukölln seien 2,3 Millionen Euro aus dem ehemaligen Sanierungsgebiet Wederstraße eingenommen worden, sagte Rolf Groth, Leiter des Stadtentwicklungsamts. Knapp 500.000 Euro aus diesem Kiez seien für 2014 noch zu erwarten. Rund 70.000 Euro zahlten Hauseigentümer aus dem sanierten Quartier Kottbusser Damm Ost.