Ehrung

Ahmad Mansour – Vom Salafisten zum Preisträger

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Ulrich Kraetzer

Foto: Horst Galuschka / picture alliance / dpa

In der Jugend war er Islamist, heute setzt er sich in Projekten gegen Antisemitismus ein: Für sein Engagement erhielt der arabische Israeli Ahmad Mansour vom Land Berlin den Moses-Mendelssohn-Preis.

Ahmad Mansour war 13 Jahre alt, als er zum Islamisten wurde. „Ein schüchterner Lockenkopf“, so beschreibt er sich selbst. Seine Welt endete an den Grenzen eines kleinen Dorfes in der Nähe von Tel Aviv. Als der örtliche Imam ihm verkündete: „Der Islam braucht dich, mein Sohn!“, fühlte der arabische Israeli sich geschmeichelt. „Auf einmal war ich einer der Auserkorenen“, beschreibt Mansour seine Gefühle von damals in einem viel beachteten Essay für den Tagesspiegel. Erst später, als der Imam „vom Fluch, der auf den Juden laste“ sprach und „von der unausweichlichen Wiedereroberung Spaniens“, merkte er, dass der Prediger ihn zum radikalen Salafisten gemacht hatte. „Dass ich aus der verheerenden Ideologie komplett wieder herausfand, war mein Glück“, schreibt Mansour.

Als er in Tel Aviv Psychologie studierte, las er Freud, befasste sich mit Geschichte und Soziologie. Ab 2005 studierte er an der Berliner Humboldt-Universität. Später engagierte er sich in Projekten gegen Antisemitismus, gegen ein falsch verstandenes Verständnis von Ehre, wie er es in seiner Jugend selbst kennenlernte und gegen jene Ideologie, die ihn vorübergehend selbst zu „einer willenlosen Marionette“ gemacht hatte: den Salafismus. Am heutigen Montag wird der 1976 geborene Ahmad Mansour mit dem Moses-Mendelssohn-Preis zur „Förderung der Toleranz gegenüber Andersdenkenden und zwischen den Völkern und Religionen“ geehrt.

Mansour kämpft an vielen Fronten: Beim Neuköllner Projekt „Heroes“ (Helden) arbeitet er mit Jugendlichen, in deren Herkunftsländern der Begriff „Ehre“ oft mit einer Frauen diskriminierenden Sexualmoral verwechselt wird. Als Mitarbeiter des „Zentrums Demokratische Kultur“ berät er im Projekt „Hayat“ (Leben) Angehörige junger Menschen, die – wie er selbst früher – Gefahr laufen, durch die Ideologie des Salafismus zu radikalen Menschenhassern zu werden.

Hetztiraden in sozialen Netzwerken

Als Jugendlicher war Mansour es gewohnt, dem zu folgen, was andere ihm gesagt haben. Jetzt will er zum Nachdenken anregen – und legt sich mit muslimischen Glaubensbrüdern an. Es reiche nicht, wenn Muslime sich von Fundamentalisten und islamistischen Terroristen nur distanzierten, sagt er. Vielmehr müssen sie sich kritisch mit der Ideologie von Terrorvereinigungen wie dem „Islamischen Staat“ auseinandersetzen.

„Denn die Islamisten haben ja im Prinzip nichts Neues erfunden“, schrieb Mansour jüngst im „Spiegel“. „Sie haben schlicht die Inhalte des gängigen Islamverständnisses überspitzt und radikalisiert.“ Bei der Frage, warum junge Menschen sich radikalisieren, reiche es nicht, nur auf die vermeintliche Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft hinzuweisen. „Wir Muslime müssen damit beginnen, die Ursachen auch bei uns zu suchen“, findet Mansour.

In sozialen Netzwerken wie Facebook erntet er damit Hetztiraden und sogar Bedrohungen. Offenere Geister wissen seine Ehrlichkeit und seine intellektuelle Schärfe, die er mit eigenen Lebenserfahrungen kombinieren kann, aber längst zu schätzen. Die Anerkennung durch den Moses-Mendelssohn-Preis bedeute ihm sehr viel, sagt Ahamd Mansour. „Es ist für mich eine Ermutigung sowie eine Verpflichtung, weiterhin für Toleranz, Gleichberechtigung und Menschenrechte und gegen Antisemitismus zu kämpfen.“