Seit Kurzem fährt ein Eiswagen der besonderen Art durch Berlin. Philipp Niegisch und Boris König, die beiden Eis-Boys von „Woop Woop Ice Cream“, bieten Erfrischung mit ganz viel Dampf.
Wie in das schulische Chemielabor zurückversetzt fühlt man sich beim Anblick der riesigen Dampfwolke und bereut ein wenig, Chemie schon in der elften Klasse abgewählt zu haben. Wenn bei Philipp Niegisch und Boris König Eis bestellt wird, dann zischt und dampft es.
Das muss es auch, denn die beiden Eis-Boys von „Woop Woop Ice Cream“ schaufeln nicht einfach Kugeln in die kleinen Pappbecher. Seit zweieinhalb Monaten sind sie mit einem Van in der Stadt unterwegs und verkaufen ihr Eis, dessen Zutaten sich der Kunde selbst aussucht und die in Sekundenschnelle zum Gefrieren gebracht werden, mithilfe von flüssigem Stickstoff. Und der dampft ja bekanntlich gewaltig.
„Die Leute staunen und freuen sich, dass sie ihr eigenes Eis kreieren können“, schildert König die Reaktionen der Kunden. „Und die meisten wissen gar nicht, dass man Luft verflüssigen kann.“ Wenige würden nachfragen, ob das giftig sei mit dem Stickstoff. „Ist es nicht“, beruhigt der 30 Jahre alte Konstanzer. „Allein unsere Luft besteht zu 80 Prozent aus Stickstoff, und beim Produktionsprozess verdampft er komplett.“
Minus 196 Grad kalter Stickstoff
Die Produktion beginnt mit der Wahl der Zutaten. Unberührt liegen sie hinter Plexiglas, die Brownies, die Schokolade, Krokant, Nüsse, Joghurt, sogar Mohn. Saisonal bedingt bieten die Eiskönige gerade auch vielerlei Beeren an, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren.
Hat man die Qual der Wahl überstanden und sich für seine Zutaten entschieden, so werden diese mit der Eisbasis, die im Wesentlichen aus Milch, Sahne und Zucker besteht, in der Küchenmaschine vermengt. Dann tropft langsam der minus 196 Grad kalte Stickstoff hinein, der sofort seinen Aggregatzustand ändert, gasförmig wird und durch diesen Prozess die Zutaten in Sekundenschnelle gefrieren lässt.
Eine riesige Dampfwolke verwehrt den Blick auf das Innere des Kesselchens, aber ähnlich wie bei Marijke Amados Zauberkugel in der Fernsehsendung Mini Playback Show kommt, nachdem der Dampf verschwindet, ein wunderbar sahnig-festes Eis zum Vorschein. Und das in etwa 30 Sekunden.
Im Zeichen des Street Foods
Dass eine solche Idee gerade jetzt den Nerv der Zeit trifft, überrascht Niegisch nicht. „In Berlin gibt es gerade diesen Street-Food-Hype, da passiert Außergewöhnliches“, sagt der 23 Jahre alte Pankower. „Es gibt mehr Extravaganz, und die Menschen haben auch höhere Erwartungen an die Gastronomie.“
König bleibt nüchterner: „Mit flüssigem Stickstoff hantiert man in der Gastronomie natürlich nicht erst seit jetzt“, weiß der Physiker. Doch in dieser Form gibt es mobile Eisläden in der Stadt trotzdem noch nicht. „Das Gute ist einfach, dass es spektakulär dampft“, freut sich König. „Das weckt die Neugierde.“
Und die wird belohnt, das Eis schmeckt großartig. Als Vorspeise bereiten die Jungs ein Erdbeereis zu, das von der herkömmlich-industriellen, rosafarbenen Pampe meilenweit entfernt ist. Cremig, aber trotzdem dicht ist es, und man schmeckt, dass die Erdbeeren eben erst im Eis versenkt wurden. Auf diese Fruchtexplosion folgt der Hauptgang: die Sorte salziges Karamell mit Browniestückchen.
Das Karamell ist wunderbar würzig und in der Konsistenz zart-zäh, die Browniestückchen zergehen herrlich samtig auf der Zunge. Die leichte Salznote rundet das Ganze perfekt ab. Das Brownieschokoladeneis mit Walnüssen zum Schluss ruft einem wieder in Erinnerung, wie echte Schokolade schmecken muss.
Kennengelernt im Entrepreneurship-Kurs
Bereits Ende 2011 kam den beiden die Idee, sich mit einem mobilen Eisladen selbstständig zu machen. Eis aus frischen Zutaten schwebte ihnen vor, und mit ein wenig Stickstoff, dachten sie, müssten diese doch auch schnell zu gefrieren sein. Damals studierten beide an der Freien Universität in Dahlem, König Physik und Niegisch Betriebswirtschaftslehre.
Passenderweise lernten sie sich im Entrepreneurship-Kurs kennen, bald darauf folgten erste Experimente im Physiklabor der Technischen Universität. „Anfangs haben wir da mit der Hand im Topf hantiert, haben Sahne, Zucker und Erdbeeren zusammengeworfen und dann mit dem Schneebesen flüssigen Stickstoff eingerührt“, erzählt Philipp Niegisch lachend.
„Das wurde gar nichts, nur ein steinharter Klumpen mit einigen weichen Stellen.“ Das ist nun natürlich anders. Im letzten Jahr professionalisierten sie ihre Technik, hantieren nun mit einer Küchenmaschine, mit kupferfarbenen Kesseln mit „Betriebsgeheimnis“-Spezialbeschichtung, einer großen Apparatur mit Röhren und silbernem sogenannten Kryo-Behälter, in dem sich der Stickstoff befindet. „Kryo ist griechisch und bedeutet ‚sehr kalt’“, erklärt König.
Haltestellen auf Facebook
Mit dieser für die Eisherstellung recht spartanischen Ausrüstung – „sonst muss man für die Eisproduktion viel mehr Equipment kaufen“, sagt Niegisch – fahren sie durch die ganze Stadt. Sie stellen sich vor die Markthalle Neun in Kreuzberg, auf den Street-Food-Markt Bite Club an der Hoppetosse, an das Badeschiff in Treptow oder an den Open-Air-Club Sisyphos. Wo sie wann sind, posten sie auf ihrer „Woop Woop Ice Cream“-Facebookseite.
An diesem Sonnabend werden sie das White Dinner am Olympiastadion bereichern, am Sonntag wieder vor dem Badeschiff zu finden sein. Ständig kommen neue Kooperationspartner hinzu. Demnächst steht eine Zusammenarbeit mit der Kreuzberger Wodka-Destille Our/Berlin an, dann wird es ein Wodka-Eis geben.
Trotz der hippen Orte sei die Woop-Woop-Kundschaft sehr heterogen, meint Niegisch. „Wir haben schon viele Kunden innerhalb des Markthalle-Neun-Klientels“, sagt er. „Aber es kommen auch Familien und ältere Paare. Leute halt, die den Genuss zelebrieren wollen und nicht einfach nur eine Kugel Eis essen.“