Sanierungsstau

Berliner Schulen klagen über mangelhaften Brandschutz

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Regina Köhler

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Keine Rauchmelder, keine Sprenkleranlagen, keine Brandschutztüren: An vielen Schulen droht im Falle eines Brandes eine Katastrophe. Eltern, Schüler und Lehrer wollen dies nicht länger hinnehmen.

Es fehlen Brandschutztüren, Rauchmelder und Sprenkleranlagen. An der Pankower Grundschule im Hasengrund will sich niemand ausmalen, was passiert, wenn ein Feuer ausbricht. Schulleiter Markus Stang hat kürzlich sogar die oberste Etage des Schulgebäudes sperren lassen müssen. „Wir bekommen die Kinder im Brandfall nicht schnell genug nach unten“, sagt er.

Bei Brandschutzübungen hätten sich lange Schlangen an den Türen in der oberen Etage gebildet. Er könne die Verantwortung einfach nicht mehr übernehmen, sagt der Schulleiter. Zwei Klassenzimmer und die Bibliothek sind nun gesperrt. Das hat den Platzmangel, der ohnehin an der Schule herrscht, deutlich verschärft.

Nicht nur beim Großflughafen BER liegt der Brandschutz im Argen. Auch viele Berliner Schulen weisen diesbezüglich erhebliche Mängel auf. Nach Berechnungen der Bezirke sind insgesamt rund 20 Millionen Euro nötig, um alle Schulen entsprechend den EU-Richtlinien, die Anfang dieses Jahres sogar noch verschärft worden sind, brandschutzsicher zu machen.

Den Bezirken fehlt das Geld für den Brandschutz

Angesichts des Sanierungsstaus von einer Milliarde Euro, den die Bezirke bei den Schulen ohnehin seit Jahren vor sich herschieben, ist das ein großes Problem. Den Bezirken fehlt einfach das Geld, um alle Brandschutzmängel schnell zu beseitigen.

Eltern, Schüler und Lehrer der Schule im Hasengrund wollen diesen Zustand nicht länger hinnehmen. Sie fordern, dass der Brandschutz an ihrer Schule schnell auf den neusten Stand gebracht wird. Am Mittwochmorgen treffen sich alle auf dem Schulhof, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Auch die zuständige Bildungsstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) ist vor Ort. Sie kündigt für das neue Schuljahr eine kurzfristige Übergangslösung an.

Im Dachgeschoss sollen eine Alarmanlage und Rauchmeldern eingebaut werden. Dadurch könnten die gesperrten Räume weiter genutzt werden. Zürn-Kasztantowicz weist darauf hin, dass für das über 100 Jahre alte Schulgebäude Bestandsschutz bestehe, solange baulich nichts verändert werde. Das betreffe auch den Brandschutz. „2017 wird die Sanierung der Schule beginnen, dann wird auch der Brandschutz auf den neusten Stand gebracht“, sagt sie. Das sei in der Investitionsplanung des Bezirks festgeschrieben. Die Sanierung könne aber nicht vorgezogen werden. Vorher stehe kein Geld zur Verfügung.

„Wir werden weiter Druck machen“

Die Eltern bezweifeln indes, dass dieser Plan eingehalten wird. Elternvertreterin Anna Peters sagt, dass es schon etliche Versprechungen gegeben habe, die nicht zustande gekommen seien. „Wir werden weiter Druck machen.“ Unverständlich sei auch, dass die letzte Brandschutzüberprüfung der Schule 2006 stattgefunden habe. Schon damals sei moniert worden, dass das Dachgeschoss nicht mehr sicher sei.

Brandschutz an Schulen ist in allen Berliner Bezirken ein großes Thema. Franziska Giffey (SPD), Bildungsstadträtin in Neukölln, sagt, dass ihr Bezirk in diesem Jahr allein für die Einrichtung eines zweiten Fluchtweges an Schulen fast zwei Millionen Euro ausgeben werde, etwa an der Alfred-Nobel-Schule, der Albrecht-Dürer-Schule oder der Albert-Schweitzer-Schule. Insgesamt bestehe im Schulbereich in Neukölln ein Sanierungsstau von 100 Millionen Euro. „Jede Baumaßnahme ist ein Abwägungsprozess, der vom Mangel geprägt ist.“ Brandschutz habe Priorität. Sobald ein Altbau „baulich angefasst“ werde, würden die neuen Brandschutzbestimmungen greifen. „Dann muss aufgerüstet werden.“

Das bestätigt auch Kathrin Schultze-Berndt (CDU), Bildungsstadträtin von Reinickendorf. „Wir haben das erst wieder im Fall der Renée-Sintenis-Schule feststellen müssen.“ Wie berichtet, war dort kürzlich eine Zwischendecke im Treppenhaus des Altbaus eingestürzt. Ein Gutachten hat dann gezeigt, dass die Deckenplatten in zehn Klassenräumen und zwei langen Fluren erneuert werden müssen. „Als die Platten heruntergenommen worden sind, zeigte sich, dass auch der Brandschutz erneuert werden muss“, so Schultze-Bernd. Im Zuge der Sanierung werde das jetzt gemacht. Reinickendorf habe im Schulbereich einen Sanierungsstau von 60 Millionen Euro. „Überall wo Sanierungsmaßnahmen in Angriff genommen werden, ist auch der Brandschutz fällig.“

Technik nur Teil des Problems

Cerstin Richter-Kotowski, CDU-Bildungsstadträtin in Steglitz-Zehlendorf, weist darauf hin, dass die technischen Anlagen nur ein Teil des Brandschutzes sind. „Technische Anlagen können ausfallen. Bauliche und organisatorische Maßnahmen spielen deshalb ebenfalls eine große Rolle.“ So seien etwa mindestens zwei Fluchtwege pro Gebäude wichtig. Außerdem müssten die Schulen dafür sorgen, dass brennbare Materialien aus den Fluren entfernt und Keller oder Dachgeschosse entrümpelt werden. In Steglitz-Zehlendorf haben laut Richter-Kotowski bislang die Hälfte der 62 Schulen Brandschutzkonzepte sowie Flucht- und Rettungswegepläne, die auf dem neuesten Stand der Technik beruhen. Viele alte Schulen hätten noch Bestandsschutz. „Wenn die Feuerwehr aber gravierende Mängel feststellt, reagieren wir sofort.“

In Pankow werden sich die Probleme in den kommenden Jahren noch verschärfen. Bildungsstadträtin Zürn-Kasztantowicz dazu: „Von nun an müssen wir jedes Jahr etwa 300 neue Schulplätze schaffen.“ Dem Bezirk fehle es an Geld, aber auch an Grundstücken und Personal. Hinzu käme, dass es mindestens acht Jahre dauern würde, Vorhaben aus dem Investitionsplan zu realisieren. „Der Gesetzgeber muss das Verfahren vereinfachen“, sagt die Stadträtin. Den Eltern legt sie nahe, entsprechende Briefe an das Abgeordnetenhaus zu schreiben.