Sachschäden

Wie Berlin Vandalismus im Nahverkehr bekämpft

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Lorenz Vossen

Foto: Steffen Kugler / picture-alliance/ dpa

Sachbeschädigung an Haltestellen oder Graffiti an Zügen bedeuten hohe Kosten für S-Bahn, Wall AG und BVG. Überwachungskameras und resistentere Oberflächen sollen Vandalismus vorbeugen.

Die Zahl der Glasbruchschäden an Haltestellen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hat im vergangenen Jahr stark zugenommen. Rund 5300 Scheiben wurden beschädigt oder zerstört – eine Steigerung von 30 Prozent im Vergleich zu 2012. Laut der Wall AG, die nahezu alle der 4500 Haltestellen in Berlin betreibt, sei dies zwar mit dem Niveau anderer Großstädte vergleichbar. Aber „der finanzielle Schaden von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr allein durch Glasbruch ist selbstverständlich ärgerlich. Vor allem, weil er vermeidbar ist, denn fast immer handelt es sich um Vandalismus“, sagt ein Sprecher. „Nicht nur wir als Unternehmen werden dadurch geschädigt – mit dem Geld könnten wir auch viele andere sinnvolle Dinge finanzieren.“

Maßnahmen zur Reduzierung der Schäden, zum Beispiel härteres Glas, sind kaum möglich. Das Glas in den Wartehallen ist Sicherheitsglas, wie es beispielsweise auch für die Seitenscheiben von Autos verwendet wird. Es zersplittert nicht wie herkömmliches Glas, sondern zerfällt in rundkantige Bruchstücke. Nur so lässt sich die Gefahr von Verletzungen durch Scherben ausschließen. „Leider muss Sicherheitsglas ab einer bestimmten Krafteinwirkung brechen, um ungefährlich zu sein“, so der Sprecher.

Innerhalb von 48 Stunden würden zerschlagene Scheiben für gewöhnlich instand gesetzt, alle Fälle zur Anzeige gebracht. Auf den Kosten bleibt die Wall AG aber sitzen. Allein für das Entfernen von Graffiti, das ebenfalls „erhebliche“ Kosten verursache, beschäftigt Wall vier Mitarbeiter. Alle 4500 Haltestellen mit Kameras auszustatten, das würde sich laut dem Unternehmen aber nicht lohnen.

S-Bahn setzt auf „Wellness“

Auch die Berliner Verkehrsunternehmen müssen wegen Vandalismus tief in die Tasche greifen. Zwar verzeichnete die Berliner Polizei im vergangenen Jahr 7,3 Prozent weniger Fälle von Sachbeschädigung im öffentlichen Personennahverkehr. Der S-Bahn mache das Thema laut Geschäftsführer Peter Buchner aber weiter „zu schaffen“. Rund sechs Millionen Euro muss das Unternehmen dafür jährlich aufbringen. Im Rahmen eines „Wellnessprogramms“ werden die Züge derzeit auf Vordermann gebracht.

Mit herkömmlichen Methoden ist es dabei offenbar nicht mehr getan. „Die Verwendung von aggressiven Zusatzstoffen in den verwendeten Farben führt immer häufiger dazu, dass Schmierereien auch mit hartnäckigen Lösungsmitteln nicht entfernt werden können“, erklärt Stefan Pink, Teamleiter Flottenbehandlung bei der S-Bahn. „In der Konsequenz überstreichen wir diese nun kurzfristig, um den Fahrgastinnenraum schnell wieder in einen optisch guten Zustand zu versetzen.“

Eine Million Euro lässt die S-Bahn sich die Säuberung und Renovierung der rund 1300 Wagen nach eigenen Angaben kosten. Die Instandsetzung eines Sitzbezuges kostet 150 Euro Euro, eine neue Fensterschutzfolie 50 Euro.

Lokführer sollen Züge abfertigen

Wer einen Hinweis liefert, der zur Ergreifung von Tätern führt, kann mit einer Belohnung von 600 Euro rechnen – so viel wie eine neue Seitenscheibe kostet. Das Unternehmen schickt eine Warnung an die Täter hinterher: Auch wenn sie strafrechtlich unter das Jugendstrafrecht fielen und in einigen Fällen ohne Strafe davonkämen, könne die Bahn den materiellen Schaden als zivilrechtliche Schadensersatzforderung mehr als 30 Jahre im Nachhinein geltend machen.

Eine Chance zur Vandalismus-Bekämpfung könnte sich für die S-Bahn mit der Einführung ihres neuen Abfertigungssystems auftun. In Zukunft soll die Zugabfertigung nicht mehr durch die Mitarbeiter an den Bahnhöfen, sondern durch die Lokführer erfolgen, die das Ein- und Aussteigen der Fahrgäste mittels Videobildern von den Bahnsteigen überwachen. Bis Ende 2015 soll das System auf der Hälfte der insgesamt 166 S-Bahnstationen im Einsatz sein. Die Aufnahmen werden bis zu 48 Stunden gespeichert und könnten von der Polizei zur Aufklärung von Straftaten herangezogen werden. Berlins CDU-Generalsekretär Kai Wegner kritisierte jüngst zwar die so entstehenden „Geisterbahnhöfe“, relativierte aber, dass sich in Fahrzeugen und Bahnhöfen der BVG die erfasste Kriminalität seit 2011 durch verstärkten Kameraeinsatz nahezu halbiert habe.

In den 173 U-Bahnhöfen des landeseigenen Unternehmens sind derzeit 1800 Überwachungskameras im Einsatz, doppelt so viele wie 2006. Kameras befinden sich auch in allen U-Bahnen, in 85 Prozent der Busse und 60 Prozent der Trams. Laut BVG haben sie auch die Kosten für die Beseitigung von Vandalismus-Schäden gesenkt. Diese lagen 2013 und 2102 bei jeweils vier Millionen Euro – ein deutlicher Rückgang zu den Jahren zuvor.

BVG mit kreativen Folien

Zudem werden im Rahmen von Bahnhof-Sanierungen, wie derzeit am U-Bahnhof Hermannstraße, resistentere Oberflächenmaterialien eingesetzt, von denen Graffiti-Bemalungen leichter entfernt werden können. Auch die Fensterfolien, die das Zerkratzen erschweren, zeigen offenbar Wirkung. Und Kreativität ist gefragt: Am Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park verdecken dunkle Folien mit Blümchenmuster Schmierereien. Wegen der porösen Oberflächen der Wandfliesen dringen die Farbpigmente dort besonders tief ein und lassen sich nur schwer beseitigen. Die Folien selbst lassen sich dagegen schwer beschmieren. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Möglich sei, dass die Folien in Zukunft auch in anderen Bahnhöfen zum Einsatz kommen. Dann aber mit anderem Muster, „die Bahnhöfe sollen unverwechselbar bleiben.“

Als die französische Künstlerin Dominique Auerbacher kürzlich ihre Ausstellung mit dem Namen „Scratches“ vorstellte, war das der BVG allerdings ein bisschen zu viel der Kreativität. Auerbacher hatte Fotos durch verschmierte und zerkratzte Scheiben geschossen.