Pfarrer Ernst Pulsfort und Michael Höhle kritisieren in einem Brief an Kardinal Woelki das Konzept der Zusammenlegung zu Großpfarreien.

Katholiken und Protestanten sind sich doch sehr ähnlich. Das zeigt sich derzeit in Berlin, wo im katholischen Erzbistum fast der gleiche Streit ausgebrochen ist, der vor einigen Jahren die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ergriffen hatte.

Der Anlass in beiden Fällen: Reformkonzepte mit weitreichenden Plänen zur Zusammenlegung von Gemeinden und zur neuen Bündelung von Aufgaben angesichts drohender Finanzknappheit und rückläufiger Mitgliederzahlen.

Als hierzu in der evangelischen Landeskirche 2007 Reformpläne unter dem Titel „Salz der Erde“ vom damaligen Bischof Wolfgang Huber entwickelt wurden, regte sich bei Pfarrern und Gemeindemitgliedern breiter Widerstand gegen eine vermutete Unterwerfung der Kirche unter ökonomisches Denken und gegen eine Austrocknung der Seelsorge.

Auf nur noch 30 Großpfarreien zusammenlegen

Ganz ähnlich nun im katholischen Erzbistum: Seit Kardinal Rainer Maria Woelki Ende 2012 unter dem Motto „Wo Glaube Raum gewinnt“ einen Umbau des Erzbistums angekündigt hat, wird von Stralsund über Berlin bis nach Frankfurt/Oder unter Katholiken darüber gestritten, ob die Basis „untergebuttert“ werde, ob das Verfahren transparent oder autoritär sei und ob nicht alles viel zu sehr auf Einsparungen fixiert sei.

In der Tat wirken die Pläne im Erzbistum sehr ambitioniert: Die bislang rund 100 Gemeinden für die 396.000 Katholiken in Vorpommern, Berlin und weiten Teilen Brandenburgs will man bis zum Jahr 2020 zu nur noch 30 Großpfarreien zusammenlegen.

In diesen Großpfarreien („pastorale Räume“) gibt es als Untergliederung zwar noch einzelne Gemeinden, die aber sollen sich innerhalb der Großpfarrei untereinander vernetzen, ihre Angebote wie Kitas und Altenheime aufeinander abstimmen und dabei nach Bedarf besondere Profile entwickeln.

Scharfe Grundsatzkritik an dem Konzept

Nicht zuletzt aus Gründen des Priestermangels werden die Großpfarreien nur noch von einigen wenigen Pfarrern betreut, die dann innerhalb des „pastoralen Raums“ dorthin fahren, wo sie gebraucht werden.

Dass so etwas für heftige Diskussionen sorgt, versteht sich, das Bistum hat damit auch gerechnet und veranstaltet derzeit eine Vielzahl von öffentlichen und internen Diskussionsrunden. Doch nun bricht der Widerspruch aus den vorgegebenen Bahnen aus.

Die beiden Berliner Pfarrer Ernst Pulsfort (Sankt Laurentius in Mitte) und Michael Höhle (Heilige Familie in Prenzlauer Berg) haben vor einigen Wochen einen Brief an Kritiker des Reformprozesses (und auch an Kardinal Woelki) geschrieben, in dem sie eine scharfe Grundsatzkritik an dem Konzept formulieren.

Infragestellung der Grundordnung der katholischen Kirche

Zunächst beklagen die beiden Pfarrer, dass „Priester und Gemeinden an der Entwicklung des Plans nicht beteiligt worden“ seien; nur an dessen Umsetzung könnten sie mitwirken. Weiterhin seien die Großpfarreien völlig überdimensioniert, „unüberschaubar“, und zwängen Gruppen und Regionen zusammen, „die traditionell und milieumäßig keine oder kaum Kontakt miteinander“ hätten.

Zudem gehe es wie schon bei früheren Reformkonzepten um einen „erneuten Abbau von Gemeinden“ sowie die „Streichung von Gottesdiensten“, so dass viele Gläubige keine Möglichkeit mehr hätten, zur Eucharistie zu gehen.

An dieser Stelle nun wird der Brief von Pulsfort und Höhle brisant und grundsätzlich, wobei sich auch ein Unterschied zu evangelischen Reformdiskussionen ergibt. Denn während die Protestanten bei ihrem Streit nie die Grundordnung ihrer Kirche infrage stellten, wagen dies nun die beiden katholischen Pfarrer.

Viri probati: Ausweg aus dem Priestermangel

Sie nämlich verweisen darauf, dass die Bildung von Großpfarreien mit wenigen Priestern und womöglich weniger Gottesdiensten einen naheliegenden Grund hat: Es gibt halt immer weniger Zölibatäre, die eine Messe mit Eucharistie feiern dürfen. Entsprechend formulieren Pulsfort und Höhle eine Alternative: Man könne ja die Zölibat-Vorschrift lockern und auch andere Leute für die Messe nehmen, nämlich die sogenannten „viri probati“.

Das sind verheiratete Männer, die kirchlich ausgebildet sind und sich in der Gemeindearbeit so bewährt haben, dass sie eine besondere Form der Weihe erhalten könnten, die ihnen die Feier der Messe ermöglicht. In vielen Reformdebatten des deutschen Katholizismus wird derzeit gefordert, dass man mit diesen viri probati einen Ausweg aus dem Priestermangel suchen solle.

Diese These machen sich Pulsfort und Höhle zu eigen: Sie rufen zu „einer ernsthaften Diskussion der viri-probati-Problematik auf“ und schreiben weiter: „Wir ermutigen und bitten unseren Erzbischof und die deutschen Bischöfe, nicht wie bisher über diese Alternative hinwegzusehen.“

Kardinal Woelki ist verwundert und befremdet

Zwar lehnen die beiden Autoren, wie sie schreiben, „in keiner Weise die zölibatäre Lebensform ab“, aber: „Wir plädieren dafür, dass die Berufung zur Ehelosigkeit und zum Priestertum nicht als naturgemäße Einheit betrachtet wird.“ Über dies und all die anderen Punkte wollen Höhle und Pulsfort mit den anderen Kritikern des Reformplans nun offen diskutieren. Auch auf eigene Faust. Zum Beispiel „auf einem offenen Tag in einer unserer Pfarreien“.

Woelkis Antwort auf den Mitte März verfassten Brief der Pfarrer ließ nicht lange auf sich warten. Am Gründonnerstag teilte der Kardinal den beiden brieflich seine „Verwunderung“ und sein „Befremden“ darüber mit, dass sie eigene Diskussionsrunden über den Reformplan abhalten wollten, obwohl er selbst doch ans gesamte Erzbistum „eine ausdrückliche Einladung zum Gespräch miteinander“ ausgesprochen habe.

In mittlerweile 40 „Auftaktveranstaltungen“ habe man sich der Debatte gestellt, weitere 40 seien noch geplant. Dort, so Woelki, sei viel „Raum für Fragen, Ängste, Wünsche und Ideen, darunter auch die in Ihrem Brief genannten“.

Korrespondenz auf Homepage des Erzbistums gestellt

In einem Punkt aber markiert der Kardinal eine Grenze der Diskussion, nämlich in genau dem brisanten Punkt der „viri probati“. Schon weil über diese Zölibatsfrage gar nicht das Erzbistum entscheiden könne – sondern wohl der Papst –, sollte man sich „nicht irgendwelchen persönlichen Tagträumen hingeben“, sondern sich „zunächst einmal der Realität stellen“, schreibt Woelki.

Und in dieser Realität gebe es genügend andere Möglichkeiten, alle Verheirateten und Unverheirateten, alle Frauen und Männer viel stärker in die gemeinsame Verantwortung für die christliche Botschaft einzubeziehen. Für weitere Diskussionen, auch mit den beiden kritischen Pfarrern, zeigt sich Woelki dabei offen.

Und um auch öffentlich zu demonstrieren, dass keine Meinungen unterdrückt werden, hat das Erzbistum sowohl den Brief der beiden Pfarrer als auch Woelkis Antwort auf die Homepage gestellt.