Nicht nur am Hauptstadtflughafen BER explodieren die Kosten. Staatsoper, Hauptbahnhof, Charité oder ICC: Wenn gebaut wird in Berlin, wird es häufig teurer als geplant. Ein Überblick.
Der neue Chef des Hauptstadtflughafens BER ist geübt im Umgang mit Verzögerungen und Kostenexplosionen auf einer Großbaustelle. Immerhin war Hartmut Mehdorn zwischen 1999 und 2009 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn. In seine Amtszeit fiel damals auch der Bau des Berliner Hauptbahnhofs. Der wurde 2006 mit mehrjähriger Verspätung eröffnet. Die Baukosten hatten sich in dieser Zeit fast verdoppelt. Ob dem 70-Jährigen diese Krisenerfahrung hilft, das Flughafendebakel endlich zu beenden, bleibt abzuwarten. Mit einer Kostenentwicklung von zwei auf derzeit 4,3 Milliarden Euro ist der Flughafen bislang das kostspieligste Berliner Bau-Debakel. Ohne Beispiel ist es aber nicht. Die Berliner Morgenpost nennt ein Dutzend öffentliche Bauvorhaben, die bereits riesige Löcher in die Kasse der Hauptstadt und des Bundes gerissen haben – oder dies in Zukunft noch tun werden.
Berliner Hauptbahnhof
Mehrkosten von rund 500 Millionen Euro sicherten dem Hauptbahnhof bislang den ersten Platz unter den öffentlichen Bauvorhaben mit der teuersten Fehlkalkulation. Der Glaspalast wurde im Mai 2006 mit sechsjähriger Bauverzögerung eröffnet. Die Folgenschwerste unter den Baupannen: Ein Wassereinbruch 1997 verzögerte die Bauarbeiten um zwei Jahre und trieb die Kosten in die Höhe. Der Kreuzungsbahnhof war ursprünglich mit 700 Millionen Euro kalkuliert worden, tatsächlich waren aber 1,2 Milliarden Euro erforderlich, um das Gebäude in seiner jetzigen Form fertig zu stellen. Die ursprünglichen Pläne des Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner (gmp) waren dafür noch einmal erheblich abgespeckt worden. So verkürzte Bahnchef Mehdorn das Glasdach über den Gleisen um 130 Meter und ließ statt der von gmp entworfenen Gewölbedecke im Untergeschoss nur eine schlichte Flachdecke einbauen. Die Bahn hatte die Mehrkosten allein für das Gewölbedach mit 40 Millionen Euro beziffert.
BND-Zentrale
Mit einer Kostensteigerung von bislang 412 Millionen Euro landet die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes an der Chausseestraße auf Platz zwei. Für das größte Bauvorhaben des Bundes in Berlin erfolgte der erste Spatenstich 2006. Der geplante Kostenrahmen betrug 2003 noch 500 Millionen Euro. Inzwischen werden die 912 Millionen Euro veranschlagt. Und auch der Zeitplan ist aus den Fugen geraten. Erst 2016 werden voraussichtlich alle 4000 Geheimdienstler ihre Büros beziehen können – rund 14 Monate später als geplant.
Internationales Congress Centrum ICC
Das ICC Berlin wurde 1979 eröffnet und war mit Kosten von 924 Millionen Mark (rund 473 Millionen Euro) das teuerste Bauwerk West-Berlins. Das 320 Meter lange, 80 Meter breite und 40 Meter hohe Gebäude muss dringend saniert werden. Seit 2001 wird über die Kosten gestritten, der Senat beauftragte immer wieder neue Gutachten. Die ersten Schätzungen lagen damals bei 50 Millionen Euro. Das war offenbar deutlich zu tief gegriffen: In der Finanzplanung des Senats stehen bislang 182 Millionen Euro. Inzwischen ist aber von mehr als 330 Millionen Euro die Rede. Als Konsequenz daraus beschloss die rot-schwarze Koalitionsfraktionen, dass es im ICC eine gemischte Nutzung geben soll und das Land sich mit höchstens 200 Millionen Euro an Sanierung und Umbau beteiligen soll. 2014 sollen die Bauarbeiten starten. Ob das modernisierte Gebäude tatsächlich 2017 wieder voll in Betrieb genommen werden kann, ist offen. Kostensteigerung: geschätzt 280 Millionen Euro.
Stadtautobahn A 100
Die Kosten für die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln bis Treptower Park wurden 2002 auf 258,5 Millionen Euro geschätzt. Der Baubeginn sollte 2008 erfolgen. Nach aktuellen Berechnungen soll das 3,2 Kilometer lange Teilstück der Autobahn nun wohl mindestens 475 Millionen Euro kosten. Die Kosten übernimmt der Bund. Die vorbereitenden Bauarbeiten haben bereits begonnen. Mehrkosten: voraussichtlich 216,5 Millionen Euro.
Staatsoper Unter den Linden
Die Kosten für die Sanierung der maroden Spielstätte wurden 2006 auf rund 120 Millionen Euro geschätzt. Nach jahrelangem Hickhack um die Akustik und Gestaltung stiegen die Kosten immer weiter. Der Bund deckelte schließlich 2007 seinen Beitrag auf 200 Millionen Euro. Berlins sollte 40 Millionen Euro beisteuern – und die Garantie, für Mehrkosten aufzukommen. Für diese Summe sollte das Dach des Opernhauses für eine bessere Akustik angehoben, das Intendanz- sowie das Magazingebäude grundlegend erneuert werden. Der Baustart erfolgte 2010. Nach zahlreichen Baupannen ist die einst für Oktober 2013 geplante Wiedereröffnung wiederholt verschoben worden – zuletzt auf den Oktober 2015. Auch dieser Termin steht jedoch auf wackligen Füßen. Die geplanten Kosten liegen inzwischen bei knapp 288 Millionen Euro. Kostensteigerung: bislang 168 Millionen Euro.
Kanzler-U-Bahn
Als Kanzler-U-Bahn ging die Verlängerung der U 5 vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof in die Geschichte ein, weil sich der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) für die Unterquerung der historischen Innenstadt stark machte. Ursprünglich sollte die Linie, deren 1800 Meter langes Teilstück (U 55) zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof 2009 eröffnet wurde, insgesamt 650 Millionen Euro kosten. Davon sind 320 Euro für die 1,8 Kilometer mit ihren beiden U-Bahnhöfen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof bereits ausgegeben. Damit die ursprünglich geplante Summe zu halten wäre, dürften die 2, 2 Kilometer zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz mit den neuen drei U-Bahnhöfen Berliner Rathaus, Museumsinsel und Unter den Linden nun lediglich noch 330 Millionen Euro kosten. Die Senat und BVG rechnen derzeit jedoch mit 433 Millionen Euro. Die Gesamtsumme würde sich damit auf 753 Millionen Euro belaufen. Die Eröffnung ist 2019 geplant. Mehrkosten: bislang 103 Millionen Euro
Bettenhaus der Charité
Das Bettenhochhaus der Charité in Mitte ist schon lange marode. 2004 legte der Senat einen ersten Masterplan zur Sanierung vor. 2009 bezifferte die Wissenschaftsverwaltung die Kosten mit 129 Millionen Euro. Im Herbst 2010 wurde schließlich die Sanierung des Gebäudes für 185 Millionen Euro beschlossen. 2016 soll das Hochhaus wieder in Betrieb genommen werden. Kostensteigerung: bislang 56 Millionen Euro.
Humboldtforum – Berliner Schloss
2007 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit teilweise historischer Fassade, der italienische Architekt Franco Stella erhielt ein Jahr später den Zuschlag. Der erste Spatenstich sollte 2010 erfolgen, wurde aber auf den Mai dieses Jahres verschoben. Inzwischen wurde die Kostenobergrenze von 552 Millionen Euro auf 590 Millionen Euro verschoben. Für 2013 ist die Grundsteinlegung geplant, 2018 könnte das Schloss fertig sein. Kostensteigerung bislang: 38 Millionen Euro.
Akademie der Künste
Der Bau der Akademie der Künste mit der umstrittenen Glasfassade wurde 1999 am Pariser Platz in öffentlich-privater Partnerschaft gestartet. Weil der Bau 2003 wegen des Streits um die Baukosten ins Stocken geraten war, übernahm schließlich ab 2004 der Bund die Hauptkosten. Ursprünglich war mit 38,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Die Schlussrechnung belief sich dann auf 56 Millionen Euro. Nach mehrmaligen Verschiebungen wurde der Akademie schließlich 2005 eröffnet. 38,5 Millionen Euro zahlte der Bund, die Mehrosten in Höhe von 17,5 Millionen Euro musste das Land Berlin tragen.
Topographie des Terrors
Der Senat hatte 1992 einen internationalen Architekturwettbewerb für das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ ausgelobt, den der Schweizer Architekt Peter Zumthor gewann. Nachdem bis zum Juli 1999 auf dem Gelände an der Wilhelm- Ecke Niederkirchnerstraße in Kreuzberg lediglich Fundament und Treppentürme errichtet worden waren, zog der Senat die Notbremse. Im Mai 2004 wurde das Zumthor-Projekt beendet, der Rohbautorso abgerissen. Von den einst veranschlagten 22,5 Millionen Euro Gesamtkosten waren allerdings schon knapp 15 Millionen Euro ausgegeben. Ein Jahr später lobte die Bundesregierung einen neuen Wettbewerb aus. Das neue Gebäude durfte nicht mehr als 24 Millionen Euro kosten. Aus diesem Wettbewerb ging die Architektin Ursula Wilms als Siegerin hervor. Immerhin: Deren schlichter, 54 Meter langer, 54 Meter breiter Zweckbau wurde kosten- und termingerecht fertig. 2010 wurde das Dokumentationszentrum eröffnet. Insgesamt wurden für den Bau 39 Millionen Euro ausgegeben. Kostensteigerung: 16,5 Millionen Euro.
Tempodrom
Mit privaten Spendenmitteln, einer Entschädigungszahlung und staatlichen Zuschüssen wurde auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs das Neue Tempodrom gebaut und 2001 eröffnet. Das Zirkuszelt aus Beton wurde viel teuer als gedacht, statt 16 wurden es 32 Millionen Euro. In der Folge musste Bausenator Peter Strieder (SPD) zurücktreten. Kostensteigerung: 16 Millionen Euro.
James-Simon-Galerie
Das neue Eingangsgebäude zur Museumsinsel droht schon gleich zu Baubeginn im Schlamm zu versinken. Vor drei Jahren begannen die Bauarbeiten zur Erstellung der Baugrube. Die erste Baufirma musste aufgeben, bis heute dringt immer wieder Wasser in die Grube. Die ursprünglich für 2014 geplante Eröffnung wurde erst auf 2016 verschoben, jetzt ist von frühestens 2017 die Rede. Die Kosten werden aktuell mit mindestens 85 Millionen Euro beziffert. Die Grundsteinlegung soll im Herbst dieses Jahres erfolgen. Von den einstmals eingeplanten 73 Millionen Euro sind bereits 34 ausgegeben. Geschätzte Mehrkosten: 12 Millionen Euro.